Trump nährt Zweifel und liefert Gründe für Abschreckung bis hin zu einer EU-Atombombe. Eine Studie zeigt: Bürger wollen mehr Verteidigung.
Studie zeigt SinneswandelDeutsche wünschen sich Ausbau der Verteidigungsfähigkeit
Zweifel am militärischen Beistand der USA bei einem Wahlsieg von Donald Trump heizen die Debatte um einen schnelleren Ausbau der Verteidigungsfähigkeit in Deutschland an. Die SPD-Spitzenkandidatin für die Europawahl, Katarina Barley, zog die Verlässlichkeit des US-Atomwaffen-Schutzschirms in Zweifel und sagte dem „Tagesspiegel“ zur Frage, ob die EU eigene Atombomben brauche: „Auf dem Weg zu einer europäischen Armee kann also auch das ein Thema werden.“ Es liege weiter im Interesse der Amerikaner, die nukleare Abschreckung für Europa maßgeblich bereitzustellen.
Frankreich ist das einzige EU-Land mit Atomwaffen, seit Großbritannien die EU verlassen hat. Paris hatte anderen EU-Partnern Gespräche über eine europäische atomare Abschreckung angeboten.
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter zeigte sich offen für eine deutliche Erhöhung des Sondertopfs für die Bundeswehr. „Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird“, sagte er der „Süddeutschen Zeitung“. Es müsse dennoch parallel ein dauerhafter Verteidigungshaushalt von mindestens zwei Prozent der Wirtschaftskraft erreicht werden. Allerdings sagte ein Sprecher der Unionsfraktion der Deutschen Presse-Agentur dazu: „Der Vorschlag von Herrn Kiesewetter ist nicht Meinung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.“
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Studie: Deutsche wollen mehr Verteidigung
Die Ampel-Koalition kann sich bei Entscheidungen für einen Ausbau der Verteidigungsfähigkeit auf eine satte Mehrheit in der Bevölkerung stützen. Nach einer Studie der Unternehmensberatung PwC unterstützen 68 Prozent der Deutschen dieses Vorhaben, 63 Prozent finden allerdings auch, dass die im März 2022 von Kanzler Olaf Scholz (SPD) angekündigte „Zeitenwende“ noch nicht bei der Bundeswehr angekommen ist. Die dafür nötigen Investitionen hält die Mehrheit für notwendig: 57 Prozent befürworten die Absicht, zwei Prozent oder mehr des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung zu investieren; 31 Prozent sehen dies kritisch.
„In der Befragung vom Sommer 2022 konnten wir feststellen, wie sehr die Bevölkerung unter dem Schock des russischen Überfalls auf die Ukraine stand, und wie deutlich sich ein Sinneswandel in Verteidigungsfragen vollzog. Die Ergebnisse aus 2024 unterstreichen, dass die Menschen noch immer in großer Sorge sind und mehr Anstrengungen zur Stärkung der Sicherheit wünschen“, erklärte Wolfgang Zink aus dem Autorenteam der Studie.
Den Ausbau der Truppenpräsenz an der Nato-Ostflanke, insbesondere mit der vorgesehenen deutschen Kampfbrigade in Litauen, halten 58 Prozent der Befragten für eher notwendig. Nach ihrer Einstellung zur Bundeswehr befragt, äußerten sich aber nur noch 45,5 Prozent positiv. 2022 hatten noch 54 Prozent die Bundeswehr positiv wahrgenommen.
Bei der Frage, ob sich die Ukraine mit Unterstützung des Westens erfolgreich gegen Russland wird behaupten können, sind die Deutschen skeptisch: 39 Prozent sehen Chancen. 48 Prozent betrachten die langfristige Widerstandsfähigkeit der Ukraine eher skeptisch.
Zweifel an der Verlässlichkeit des Bündnispartners USA
Sehr skeptisch sind die Befragten im Hinblick darauf, ob die Nato und der Westen ihre Abschreckungspolitik gegenüber Russland im Falle einer erneuten Wahl von Trump zum US-Präsidenten wie bisher fortsetzen würden. Nur 7 Prozent halten die USA diesbezüglich für verlässlich, 15,4 Prozent haben immerhin ein eher großes Vertrauen. Eine deutliche Mehrheit von 59,1 Prozent rechnet damit, dass die USA unter Trump ihr Engagement für die Ukraine reduzieren würden.
Der ehemalige US-Präsident Trump hatte am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt gesagt, dass er Nato-Partner, die nicht genug in Verteidigung investierten, im Ernstfall nicht vor Russland beschützen würde. Er würde Russland „sogar dazu ermutigen zu tun, was auch immer zur Hölle sie wollen“. Diese Infragestellung der Nato-Beistandspflicht hatte eine Welle der Empörung von Washington über Brüssel bis nach Berlin ausgelöst. Trump will im November erneut für das Amt des US-Präsidenten kandidieren.
FDP will mehr Geld für Verteidigung durch wirtschaftliche Stärke
Um verteidigungsfähig zu sein, müssen Deutschland und Europa aus Sicht von FDP-Fraktionschef Christian Dürr ihre wirtschaftliche Basis stärken. Der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Der Kalte Krieg ist damals auch gewonnen worden, weil der Westen wirtschaftlich wesentlich stärker war. Wir müssen daher alles tun, um wieder wettbewerbsfähig zu werden.“ Deutschlands wirtschaftliche Stärke sei auch seine geopolitische Stärke. „Wenn es uns gelingt, mehr Wachstum zu generieren, werden wir in der Lage sein, dauerhaft mehr Geld in Verteidigung zu investieren. Das muss das Ziel sein.“
Die Wehrbeauftragte des Bundestags, Eva Högl (SPD), forderte einen Bürgerrat, um die Einführung eines allgemeinen Dienstes in Bundeswehr und Zivilorganisationen zu erörtern. „Das Thema gehört in den Bundestag und in die Mitte unserer Gesellschaft. Ein Bürgerrat verbindet beides vortrefflich“, schrieb sie in einem Gastbeitrag für das Nachrichtenportal „Table Media“. Die Wehrpflicht war 2011 vom damaligen Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) ausgesetzt worden. Derzeit werden im Verteidigungsministerium neue Modelle geprüft. (dpa)