Weg mit dem „Bürgergeld“, her mit der „Neuen Grundsicherung“: Die Union hat ihre Vorschläge für eine Reform der Sozialleistung vorgestellt. Die Details.
SozialpolitikCDU will das Bürgergeld reformieren – und so realistisch sind ihre Vorschläge
Carsten Linnemann will nicht nur „meckern“, wie er es nennt. Die CDU wolle klar sagen, was sie besser machen könne. So kündigt es der CDU-Generalsekretär am Montag bei der Vorstellung des neuen Konzepts für eine Bürgergeld-Reform an, die der Parteivorstand einstimmig angenommen hat.
Monatelang hatte ein CDU-Team an diesem Papier gefeilt und für die verfassungsrechtliche Beratung den früheren Präsidenten des Bundessozialgerichts, Rainer Schlegel, gewonnen. Schon mit einem neuen Titel will die Partei ein Signal senden: Aus „Bürgergeld“ soll „Neue Grundsicherung“ werden.
So sehen die Reformvorschläge aus:
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Welche Sanktionen sieht der Plan vor?
Schärfere. Wenn ein Grundsicherungsempfänger „zumutbare Arbeit“ ohne sachlichen Grund ablehnt, soll der Regelsatz komplett gekürzt werden. Die Kosten der Unterkunft sollen weiter übernommen werden. Die CDU zielt dabei auf „Totalverweigerer“ ab. Dabei geht die CDU weiter als die Bundesregierung, die den Regelsatz für diese Gruppe für bis zu zwei Monate streichen will.
Wie viele das betrifft, kann nicht beziffert werden. Die Chefin der Bundesagentur für Arbeit (BA), Andrea Nahles, sprach jüngst von „einigen Tausend“. NRW-Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) räumte am Montag ebenfalls ein, dass es sich um eine „sehr, sehr kleine“ Zahl handele. Die CDU möchte sicherstellen, dass Kinder und Partner nicht unter den Sanktionen leiden. Das wird aber zwangsweise der Fall sein, wenn etwa ein Elternteil keine Unterstützung mehr erhält.
Regelsatz auf 0 – ist das verfassungsrechtlich möglich?
Nur unter bestimmten Bedingungen. Laut Bundesverfassungsgerichts muss ein menschenwürdiges Existenzminimum gesichert werden. Es ist daher schwierig zu argumentieren, den Regelsatz grundsätzlich auf 0 zu setzen. Wenn ein zumutbares Angebot abgelehnt wird, kann die vollständige Kürzung zwar gerechtfertigt sein. Das muss allerdings im Einzelfall geprüft werden.
Die CDU sieht ihren Vorschlag dennoch im Einklang mit der Karlsruher Rechtsprechung: Dadurch, dass die Menschen zumutbare Arbeit ablehnten, seien sie aus Sicht des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr bedürftig und hätten deswegen keinen Anspruch auf Leistungen, so die Erklärung von Linnemann. Ein Knackpunkt ist hierbei die „zumutbare Arbeit“, die unterschiedlich definiert werden dürfte.
Welche Änderungen schlägt die CDU beim Regelsatz vor?
Die CDU beabsichtigt daran festzuhalten, den Regelsatz jährlich anzupassen. Die Partei will jedoch „Extreme“ vermeiden. Dabei denkt Carsten Linnemann etwa an eine konservativ geschätzte unterjährige Inflationsanpassung. Die FDP kritisierte Forderungen wie diese als „oberflächlich und wenig konkret“.
Der Bürgergeld-Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Jens Teutrine, sagte: „Ziel muss sein, Menschen besser und nachhaltig in Arbeit zu vermittelt, anstatt lediglich markante Parteiparolen zu fabrizieren.“
Wie steht die CDU zur Frage der Vermögen?
Grundsicherungsempfänger sollen nach Ansicht der CDU wieder verstärkt ihr Angespartes nutzen. Ab dem ersten Tag soll eine Vermögensprüfung durchgeführt werden. Derzeit dürfen Bürgergeldempfänger im ersten Jahr ihr Angespartes bis zu einer Grenze von 40.000 Euro behalten. Weitere Personen im Haushalt dürfen jeweils 15.000 Euro behalten. Diese Grenzen möchte die CDU absenken. Das Schonvermögen solle von der Zahl der Arbeitsjahre abhängig gemacht werden, heißt es weiter. Konkreter wird die CDU nicht.
Weiter sollen nicht die Kosten für sehr teure Wohnungen übernommen werden. Das sei eine Bedrohung gerade für ältere Arbeitnehmer und Selbstständige, die sich wegen der Transformation des Arbeitsmarktes neu orientieren müssten, kritisierte die Chefin des Sozialverbandes VdK, Verena Bentele, gegenüber dem RND. „Ihnen wird damit die soziale Absicherung genommen.“
Wie will die CDU Menschen schneller in Arbeit bringen?
Mit intensiverer Beratung, besseren Arbeitsanreizen und einem Fokus auf Arbeitsaufnahme. Die CDU will die Jobcenter mit mehr Mitteln ausstatten, damit die Empfänger besser betreut werden können. „Das Ziel muss die Vermittlung in Arbeit sein“, heißt es in dem Papier. Das klingt nach der Wiedereinführung des Vermittlungsvorrangs, den die Ampel abgeschafft hat und durch einen Fokus auf Qualifizierung ersetzt hat. Es ist der Kern der Bürgergeld-Reform: Menschen sollen nicht kurzfristig in Helferjobs, sondern mithilfe von Weiterbildung langfristig in den Arbeitsmarkt gebracht werden. Gleichwohl will auch die CDU, dass Menschen „langfristig auf dem ersten Arbeitsmarkt Fuß fassen“. Dies und der Vorrang für die Vermittlung lässt sich aber nur schwer miteinander vereinen. Letztlich verspricht sich die CDU von einem schärferen Sanktionsregime ebenfalls eine größere Bereitschaft zur Arbeit.
Was soll sich beim Hinzuverdienst ändern?
Die CDU will die Hinzuverdienstgrenzen weiter erhöhen - inwieweit, sagt sie nicht. Erwachsene, die zusätzlich zum Bürgergeld arbeiten, dürfen aktuell im jeden Fall 100 Euro behalten. Alle Einkünfte darüber hinaus werden gestaffelt angerechnet. Das sorgt mitunter für die kuriose Situation, dass Menschen mehr Bürgergeld-Unterstützung in Anspruch nehmen, weil sich Mehrarbeit finanziell nicht lohnt.
Wie sollen Migranten schneller zur Arbeit verholfen werden?
Etwa die Hälfte der Bürgergeldempfänger hat eine ausländische Staatsbürgerschaft. Viele sind als Flüchtlinge nach Deutschland gekommen. Die CDU fordert mehr berufsbegleitende Integration- und Sprachkurse. Es solle bei der Arbeitsvermittlung nicht darauf gewartet werden, bis die Kurse abgeschlossen seien, heißt es im Konzept. Dafür muss allerdings auch die Bereitschaft der Arbeitgeber steigen, Menschen ohne gute Deutschkenntnisse einzustellen. Die Bundesagentur für Arbeit klagt immer wieder darüber. Hinzu kommt die fehlende Kinderbetreuung, die die CDU zwar im Papier erwähnt, aber für die sie auch keine Lösung aufzeigt.
Was ist das langfristige Ziel der CDU?
Die Partei argumentiert im Grunde für eine große Sozialstaatsreform. Sie will das Bürgergeld und Leistungen wie das Wohngeld oder Kinderzuschlag in eine „einheitliche Grundsicherungsstruktur“ überführen. Expertinnen und Experten plädieren schon lange dafür, diese beiden System besser aufeinander abzustimmen und unbürokratischer zu gestalten.