Köln – Knut Freitag ist meist allein unter Frauen. Der 26-Jährige arbeitet als Erzieher in einer Kölner Kita. „Ein großartiger Beruf, in dem es nie langweilig wird“, berichtet der Pädagoge aus der Eichhörnchengruppe. Zu dem Job ist er nur durch einen Zufall gekommen. Ich hatte in der Schule versäumt, mich selbst um ein Praktikum zu kümmern. Dann wurde mir ein Platz in der Kita zugewiesen. Das war ein Glücksfall, denn ohne diese Erfahrung wäre ich wohl kaum auf die Idee gekommen, Erzieher zu werden.“
An den Kitas in NRW gibt es 124.000 pädagogische Fachkräften – unter ihnen sind gerade einmal 7.200 Männer. Zwischen 2018 und 2020 ist der Anteil der Erzieher in NRW um gerade einmal 0,9 Prozent von 4,9 Prozent auf jetzt 5,8 Prozent gestiegen. Damit liegt das bevölkerungsreichste Bundesland weiter unterhalb des Bundesdurchschnitts, der bei gut 7,1 Prozent liegt. Rund 9.000 Schulabsolventen haben im vergangenen Jahr eine Ausbildung zur Erzieherin oder zum Erzieher begonnen: 80 Prozent davon waren Frauen, nur 20 Prozent Männer.
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Die SPD-Fraktion im Düsseldorfer Landtag fordert jetzt eine Personaloffensive, bei der auch gezielt Männer angesprochen werden sollen. Ziel müsse es sein, wenigstens über den Bundesdurchschnitt zu kommen. „Kinder brauchen Vorbilder. Bisher sind pädagogische Berufe in frühkindlichen Bildung vor allem weiblich dominiert. Um sich selber finden zu können, benötigen Kinder aber Vorbilder aller Geschlechter“, sagt Dennis Maelzer, familienpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. Elternvertreter sehen das ähnlich. „Es ist für das Rollenverständnis der Kinder wichtig zu erleben, dass auch Männer Sorgearbeit leisten“, sagt Darius Dunker, Beirat im Landeselternrat.
Rückfall in traditionelle Muster
Leider würden an den Kitas immer wieder traditionelle Geschlechter-Muster an den Tag treten. „Da sollen dann zum Beispiel die Männer mit den Kinder Fußballspielen oder die Zelte aufbauen. Dabei haben gerade die Männer, die sich für den Kitaberuf entscheiden, oft ein sehr modernes Rollenverständnis und wollen vielleicht gar nicht Fußball spielen.“
Marlene Seckler ist bei der Gewerkschaft Verdi für Sozial- und Erziehungsdienste zuständig. Sie sieht in der mangelnden Wertschätzung eine Hauptursache für die Unterrepräsentanz der Männer. „Wenn sich Männer für den Erzieherberuf entscheiden, gilt dies häufig noch als unmännlich. Auch unterstellt man Männern eher als Frauen das Potential von Missbrauch“, so Seckler.
Auch in der Pandemie zeige sich, dass der Kita-Beruf nicht die ausreichende Anerkennung erfahre, sagt die Gewerkschaftssekretärin: „Die Mitarbeiter sind einer hohen Infektionsgefahr ausgesetzt, aber es gibt keine Testpflicht für die Kinder, im Gegensatz zu den Schulen. Die Kitas bleiben trotz der verordneten Notbetreuung voll – und die Beschäftigteten haben das Nachsehen.“
Neuer Ausbildungsgang ist attraktiver
Bislang dauert die klassische Ausbildung im Erzieherberuf fünf Jahre und wird nur im Anerkennungsjahr vergütet. Die Azubis sind also lange von Ihren Eltern abhängig, was den Drang nach Unabhängigkeit erheblich ausbremst. Die SPD fordert daher, die neu eingeführte praxisintegrierte Ausbildung (PiA) auszubauen. Diese dauert nur drei Jahre und wird von Beginn an mit rund 1100 Euro bezahlt. „Wertschätzung beginnt schon bei der Vergütung der Ausbildung“, sagte Dennis Maelzer. Durch den hohen praktischen Anteil in der PiA-Ausbildung könne auch früher entdeckt werden, ob dieser Beruf wirklich zu einem passt.
Das NRW-Familienministerium, das von dem FDP-Politiker Joachim Stamp geleitet wird, weist drauf hin, dass das Land nicht selbst Arbeitgeber der Kita-Beschäftigten sei. Daher könne man nur im Rahmen von Kampagnen Männer gezielt ansprechen. Der Bedarf an pädagogischen Fachkräften im Betreuungs- und Erziehungsbereich wird in den nächsten Jahren stetig wachsen, sagte ein Sprecher: „Das unterstreicht die Bedeutung, künftig auch mehr Männer für den Erzieherberuf zu gewinnen."