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Ott zur LandtagswahlDas würde die SPD in der Schulpolitik anders machen

Lesezeit 5 Minuten
OttKlasse

Pandemie, Lehrermangel, Digitalisierung - die Herausforderungen für Schule und Bildung im Land sind vielfältig. (Symbolbild)

  1. Im NRW-Check der Tageszeitungen hat die schwarz-gelbe Landesregierung beim Thema Schulpolitik katastrophal abgeschnitten.
  2. 74 Prozent der Befragten waren unzufrieden mit Ministerin Yvonne Gebauer (FDP), besonders beim Corona-Management.
  3. Was würde die SPD anders machen, käme sie nach der Wahl an die Macht?

Herr Ott, wir reden darüber, was die SPD in NRW sich bildungspolitisch vornehmen würde, wenn sie nach den Landtagswahlen im Mai (mit)regieren dürfte. Was sind Ihrer Ansicht nach die drei dringlichsten Baustellen? Ott: Das Erste ist die Finanzierung, das Zweite die Personaloffensive und das Dritte eine Bildungskommission. Nach der verlorenen Landtagswahl 2017 haben wir ein weißes Papier auf den Tisch gelegt und gesagt: So, nochmal nachdenken, wie stellen wir uns die Schule der Zukunft vor?

Und?

Wir kommen bis heute zu dem Ergebnis, dass die Bildungsfinanzierung ein Grund für die großen Schwierigkeiten ist. Die Verantwortung wird ständig hin und her geschoben zwischen Bund, Ländern und Gemeinden. Es ist völlig unklar, wer für was zuständig ist. Es muss mit den kommunalen Spitzenverbänden und der Bundesregierung eine neue Verabredung getroffen werden, wer was finanziert, wir nennen das „new deal“.

Alles zum Thema Jochen Ott

Ott

Der Kölner Politiker Jochen Ott im Interview. Ott ist Schulpolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion NRW.

Es muss nicht nur geklärt werden, wer was zahlt – sondern woher all das Geld kommen soll. Es geht um riesige Summen, die in Infrastruktur und Personal investiert werden müssen.

Ja, es wird auch mehr Geld geben müssen. Andererseits verlieren wir aktuell viel Geld, weil wir uns im Zuständigkeits-Wirrwarr verheddern. Wir sehen es am Beispiel der aktuellen NRW-Schulministerin (Yvonne Gebauer von der FDP, Anm. d. Red.): Thema Luftfilter – da sagt sie, bin ich nicht zuständig, müssen Sie mit Bauministerin Scharrenbach klären. Tests – müssen Sie mit Innenminister Reul besprechen. Quarantäne – reden Sie mit Gesundheitsminister Laumann. Solange im Schulbereich nicht einer Verantwortung übernimmt, wird jedes zusätzliche Geld nicht dort ankommen, wo es hin soll.

„Schulpolitik muss Hauptfach werden“

Würde die SPD das Schul- und Bildungsministerium beanspruchen, wenn sie Regierungspartei würde? Und würden Sie Schulminister werden?

Das ist eine Frage, über die ich nicht zu entscheiden habe. Aber die SPD hat sich in der Bildungspolitik auf jeden Fall gut aufgestellt und unser Spitzenkandidat Thomas Kutschaty hat ja deutlich gemacht, dass für ihn Schulpolitik wieder Hauptfach werden muss.

Die SPD führt seit 2005 das Schulministerium nicht mehr.

17 Jahre haben sich die anderen Parteien versucht, und die Wähler haben am Ende der Wahlperiode immer gesagt, so geht es nicht. Die letzten drei Ministerinnen sind an der komplexen Steuerungsaufgabe gescheitert. Insofern ist es eine große Herausforderung, das Schulsystem jetzt zukunftsfähig zu machen. Aber es gibt im Moment ein Bewusstsein bei vielen, dass es so nicht weitergeht. Ich glaube, wir sind in einer historischen Phase, in der man etwas bewegen kann.

Ihr zweiter Punkt nach Finanzierung und Klärung der Zuständigkeiten ist das Personal.

Die jetzige Landesregierung kann zwanzig Mal sagen, sie hätte neue Stellen geschaffen – wenn 8000 Stellen nicht besetzt sind, ist das ein Desaster. Wir müssen die Studienplätze ausbauen und mit den Universitäten über die Zugangsbeschränkungen verhandeln. Und wir haben viele Aufgaben an Schulen, besonders an Grundschulen, die andere Berufsgruppen erledigen könnten. Es könnte zum Beispiel einen Digital-Support für die technischen Geräte geben, mehr Angestellte für Verwaltungsaufgaben, Ernährungsberater, Heilpädagogen – so könnten die Lehrer sich auf ihre Kernaufgaben konzentrieren.

Zur Person

Jochen Ott, geboren am 9. Mai 1974 in Porz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender und schulpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag NRW. Ott hat Geschichte, Sozialwissenschaften und Katholische Religion auf Lehramt studiert und bis 2010 als Lehrer an der Gesamtschule in Brühl gearbeitet.

Von 2001 bis 2019 Vorsitzender der Kölner SPD, von 2008 bis 2018 stellvertretender Vorsitzender der SPD Nordrhein-Westfalen. 2015 unterlag Ott bei der Kölner Oberbürgermeisterwahl der parteilosen Henriette Reker. Er lebt in Nippes, ist verheiratet und hat drei Töchter.

Als Punkt drei nennen Sie „Bildungskommission“.

Ja, die wollen wir einrichten. Mit Wissenschaftlern, Fachleuten, Verbänden, die innerhalb eines dreiviertel Jahres die Frage erörtern: Was sind die Bildungsinhalte, die jetzt in den Schulen eine Rolle spielen müssen? Es wäre meiner Meinung nach viel mehr fächerübergreifendes Arbeiten nötig, wie es in der Wirtschaft und im weiteren Leben normal sein wird.

Das hört sich sehr schön an – aber die Lehrer an den Schulen kämpfen aktuell damit, überhaupt den Alltag geregelt zu bekommen.

Das ist auch meine große Sorge, und so ist es ja auch. Nach den Erfahrungen mit den Schulmails abends um zehn und mit der großen Verärgerung der letzten Monate geht es auch darum, wieder mehr Vertrauen zurückzugewinnen.

Größtes Schulthema in Köln ist gerade die Vergabe der Plätze an den weiterführenden Schulen – eine Riesenenttäuschung für Eltern und Kinder. Schulministerin Gebauer schiebt den schwarzen Peter der Stadt zu, andere kritisieren aber auch die Vergabevorgaben im Schulgesetz.

Die Tränen vieler Kinder der letzten Wochen sind politisch herbeigeführt worden. Obwohl man wusste, wie die Geburtenrate 2012 aussieht, wurde nichts unternommen. Es war klar, dass es 2022 zum Knall kommen wird, aber das hat man einfach ignoriert. Die Kölner Oberbürgermeisterin (Henriette Reker, Anm. d. Red.) interessiert das Thema Schule einfach nicht. Und selbst jetzt wird von den Grünen in Köln gefordert, dass der Klimaschutz Vorrang vor dem Schulbau haben müsse. Meine Position ist da klar: Die Voraussetzung dafür, dass sich künftige Generationen mit jedem wichtigen Thema beschäftigen können, ist doch, dass sie zur Schule gehen und gut ausgebildet werden können. Da muss die Stadt Köln liefern.

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Also eine Sache der Stadt und nicht des Landes?

Ich glaube, wir brauchen auch eine Änderung des Schulgesetzes, die Klarheit schafft, welche Kriterien im Zweifel ziehen, dann, wenn es eng wird. In Gemeinden, in denen es genug Schulplätze gibt, funktioniert das System ja. Aber für den Notfall brauchen wir eine rechtssichere Regelung, da dürfen wir die Schulen und Kommunen nicht weiter allein lassen.

Zum Schluss noch einmal: Würden Sie Schulminister in NRW sein wollen? Eigentlich kann man sich doch nur Prügel abholen in dem Job.

Es gibt sehr viele Leute, die mich mögen, die immer wieder fragen: Warum machst du Schulpolitik? Ich mache das, weil mir das unglaublich wichtig ist. Ich bin selbst zehn Jahre lang Lehrer gewesen. Ich weiß, welche große Verantwortung Lehrer tragen, und sie haben ein Recht darauf, dass auch in einem Schulministerium verantwortlich mit der Bildungspolitik umgegangen wird.