Düsseldorf/Köln – Bundesweit steigen die Corona-Infektionszahlen wieder. In NRW hatten die Gesundheitsämter am Montag binnen eines Tages 1799 Neuinfektionen und drei Covid-19-Todesfälle gemeldet. In Wuppertal lag die Inzidenz bei 258, so hoch wie sonst nirgends in Deutschland. Auch Leverkusen (216) und Krefeld (186,9) meldeten hohe Werte. Auf der Suche nach dem richtigen Umgang mit dem Virus mehren sich die Stimmen, die für statt der aktuell geltenden 3G-Regeln (Geimpft, Genesen, Getestet) für ein strengeres Vorgehen plädieren. Stellvertretend fordert Uwe Schneidewind (Grüne), Oberbürgermeister der stark betroffenen Stadt Wuppertal, die 2G-Regel für NRW. Das bedeutet: Nur noch geimpfte oder genesene Menschen dürfen zum Beispiel die Innengastronomie besuchen. Ein Test würde nicht mehr reichen.
Auf Nachfrage äußerte sich die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker nicht zu dem Vorstoß des Kollegen. Ihr Sprecher verwies aber auf die Aussage, dass Reker „eine sehr große Sympathie“ für die 2G-Regel habe und sich gut vorstellen könne, „dass viele Freizeitbereiche wie Konzerte, Sport und Veranstaltungen nur noch 2G zulassen.“ In Hamburg ist ein „2G-Optionsmodell“ in Kraft getreten, Veranstalter und Wirte können selbst wählen, ob sie nur Geimpfte und Genesene (2G) als Besucher akzeptieren oder auch Menschen mit einem negativen Test (3G).
Am Montag beriet in Wuppertal ein Krisenstab über eine zügige Umsetzung der Regelung. Bis zum Abend lag noch kein Ergebnis vor. Wir haben weitere Reaktionen gesammelt.
„Ausnahmen sind möglich für Schüler“
Ein Sprecher von NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CD) sagte dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ mit Hinweis auf die bundesweiten Regelung, seit dem 23. August gelte „im Sinne der 3G-Regel (Geimpft, Genesen, Getestet) eine Pflicht zur Vorlage eines negativen Antigen-Schnelltests oder eines negativen PCR-Tests, wenn die Person nicht geimpft oder genesen ist“ – das gelte etwa für den Zugang zur Innengastronomie, Teilnahme an Veranstaltungen und Festen, Inanspruchnahme körpernaher Dienstleistungen, Sport im Innenbereich, Beherbergung und den Zugang zu Krankenhäusern und Pflegeheimen. „Ausnahmen sind möglich für Schüler, die regelmäßig getestet werden und für Regionen mit niedrigen Inzidenzen.“
In NRW gelte die bundesweit strengste 3G-Pflicht (POC-Test notwendig in nahezu allen Freizeitbereichen; PCR-Test notwendig in Clubs, Diskotheken, Partys mit Tanz etc.). Es gebe allerdings keine Vorbehalte gegen gezielten Einsatz von 2G-Regelungen: Es bleibe „Veranstaltern, Fußballvereinen oder Gastronomen unbenommen, in ihrer Verantwortung eine 2G-Regel einzuführen.“ Ein Vorstoß wie ihn die Stadt Wuppertal anstrebt, müsse abgestimmt werden, erklärte der Sprecher: „Kreise und kreisfreie Städte können schon heute – in Rücksprache mit dem Ministerium – strengere Regeln als die der Corona-Schutz-Verordnung erlassen.“
Bislang liege dem Minister aber noch keine konkrete Anfrage vor. Wichtig sei dies: „Beim Vorschlag von Kommunen flächendeckend 2G anzuwenden, würde das Ministerium vor dem Hintergrund des jeweils konkreten Infektionsgeschehens in der Kommune prüfen, ob 2G eine geeignete und verhältnismäßige Gegenmaßnahme ist.“
Ein Problem sei, dass 2G nicht auf Kinder und Jugendliche (die sich gar nicht oder erst seit Kurzem impfen lassen können) angewendet werden kann – aber ausgerechnet in dieser Gruppe die höchsten Inzidenzen vorliegen. „Deswegen würde eine Prüfung von 2G“, so das Ministerium, „sich immer mit der Frage beschäftigen, ob sich durch eine 2G-Regelung bei Erwachsenen das Ziel, die Infektionen zurückzudrängen, besser erreichen lässt als durch Testungen.“
Kölner Uniklinik
Nach Einschätzung von Prof. Clara Lehmann, Infektiologin an der Kölner Uniklinik, sind „Veranstaltungen natürlich sicherer, wenn nur geschützte Menschen vor Ort sind, das ist unstrittig“ – auch, wenn sich der Unterschied „statistisch nicht beziffern“ lasse. „Natürlich wäre die 2G-Regel ein Druckmittel“, sagt Lehmann: „Aber eben eines, das wir dringend brauchen.“ Schnelltests seien „wirklich sinnvoll und sie sind besser als wir noch vor Monaten dachten“, so Lehmann weiter, „inzwischen sind wir aber in einer neuen Phase der Pandemie. Und mit Schnelltests werden wir das Virus nicht entscheidend bekämpfen.“ Die Initiative aus Wuppertal und anderen Kommunen „begrüße ich sehr“, sagt Lehmann: „Wenn vom Land nichts kommt, muss die Kommune eben eingreifen.“
Die 2G-Regel sei nicht weit von einer Impfpflicht entfernt, sagt die Medizinerin – „aber ehrlich gesagt sollten wir auch über eine Impfpflicht nachdenken.“ Dies sei eine „schwierige Diskussion, die wir zwingend führen müssen.“ Wer sich nicht impfen lasse, habe noch nicht begriffen, „dass wir in einer Pandemie leben“. Sie erwarte, dass die vierte Welle Deutschland hart treffe: „Wir hängen in der Pandemie-Bekämpfung weit hinterher.“ Lehmann kritisiert zudem, „wie selten Impfnachweise kontrolliert werden. Das finde ich unglaublich. Auch daran scheitern wir.“
Es gelte, die Impfquote so schnell wie möglich zu erhöhen – und zwar deutlich“. Das zeige sich auch auf den Intensivstationen der Uniklinik. „Da liegen junge, ungeimpfte Menschen, die sich infiziert haben. Und es werden wieder mehr“, sagt Lehmann.
Kölner Kneipen
Hendrik Olfen von „Hennes Weinbar“ in der Pfeilstraße fände ein 2G-Optionsmodell wie es die Stadt Hamburg eingeführet hat, „grundsätzlich attraktiv, schließlich wäre es eine Möglichkeit, auf Abstände und Plexiglasscheiben zu verzichten und entweder einen relativ normalen Betrieb zu haben“. Andererseits müssten Ausnahmen für sein Restaurant mit gehobener Küche klar geregelt sein. „Wenn zum Beispiel Schwangere oder Erkrankte sich nicht impfen lassen dürfen, kann es nicht sein, dass sie deswegen nicht bei uns Essen dürfen.“ Er halte es für „nicht zielführend“, Menschen vorzuschreiben, sich impfen zu lassen, so Olfen. Andererseits habe er nichts gegen eine „Impfpflicht durch die Hintertür“, die es aus seiner Sicht ab Oktober mit den kostenpflichtigen PCR-Tests gebe: „Dann müssen sich die Leute eben entscheiden, was ihnen wichtig ist.“
Olaf-Maria Wolf vom „Oma Kleinmann“ sieht es ähnlich: „Ich bin dafür, dass sich jeder impfen lässt. Wer sich nicht impfen lässt, braucht auch nicht unbedingt zu uns zum Essen zu kommen“, sagt der Wirt. Wenn es die 2G-Option wie in Hamburg auch in Köln gäbe und er dadurch auf Abstände und Plexiglasscheiben verzichten dürfte, „würde ich das sofort machen“. Am 11.11 werde im Oma Kleinmann „auf jeden Fall die 2G-Regel gelten“. „Das ist sicherer und anders gar nicht durchsetzbar“.
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Schon jetzt gibt es in Köln einige Gastronomen, die die 2G-Regel als Hausrecht umsetzen. In der Altstadt-Kneipe „Kulisse“ lässt Wirt Thomas Anders nur noch Genesene und Geimpfte rein, weil das „die sichere Variante ist“ und weil sich so „auch die Gäste sicherer fühlen“. Die Resonanz sei zum großen Teil positiv, auch, weil die meisten Gäste ohnehin geimpft seien. In seinem Restaurant „Walfisch“ in der Salzgasse arbeitet Anders dagegen weiter nach der 3G-Regel, da dort weniger Gäste seien und sich 3G leichter kontrollieren lasse.
Eine 2G-Regel für die Gastronomie halte er für „den einzig möglichen Weg, da sonst 20 Prozent Nicht-Geimpfte dafür sorgen, dass auf unabsehbare Zeit kein normaler Betrieb möglich sein wird“, sagt Daniel Rabe, Betreiber der Bagatelle und der Brasserie aller Kolör. Für nötig hält er „ein klares Signal, dass sich viele weitere Menschen impfen lassen“.