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„Lassen Sie es nicht geschehen“Rauer Wind für Scholz – Kremlgegner schaltet ganzseitige Anzeige in deutscher Zeitung

Lesezeit 4 Minuten
Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei einem gemeinsamen Pressestatement. (Archivbild)

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) bei einem gemeinsamen Pressestatement. (Archivbild)

Garri Kasparow kritisiert den Kanzler – samt Anzeige und eigener Website. Auch Merz mischt in der Debatte über Hilfe für die Ukraine mit.

Dass die Bundesregierung der Ukraine offenbar keine neuen Hilfszahlungen mehr bereitstellen will und einen Genehmigungsstopp für neue Militärhilfe verhängt hat, stößt international auf scharfe Kritik. „Die Ukraine soll also auf dem Altar der deutschen Schuldenbremse geopfert werden“, kommentierte der britische Historiker Timothy Garton Ash einen Bericht der „Financial Times“ zu den auch in Deutschland viel kritisierten Haushaltsplänen von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) und Finanzminister Christian Lindner (FDP).

Mit besonders viel Nachdruck appellierte insbesondere der Kremlkritiker und frühere sowjetische Schachweltmeister Garri Kasparow zu Wochenbeginn an den Bundeskanzler – und startete dafür eine ganze Kampagne, die für eine noch umfangreichere Unterstützung der Ukraine wirbt. Bei X kritisiert Kasparow den Kanzler zudem scharf. Während Putin „furchtlos eskaliert“, werde die Ukraine von ihren westlichen Partnern weiterhin zurückgehalten.

Kremlgegner Kasparow startet Kampagne – und kritisiert Olaf Scholz

Um ihren Standpunkt öffentlich zu machen, schaltete die von Kasparow gegründete „Renew Democracy Initiative“ außerdem eine ganzseitige Anzeige in der „Bild“-Zeitung. „Deutschland hat die Welt einst an den Abgrund geführt“, steht dort auf einem Foto von Gräbern ukrainischer Soldaten. „Kanzler Scholz, lassen Sie es nicht wieder geschehen. Geben Sie der Ukraine die Militärhilfe, die sie wirklich braucht“, heißt es weiter.

Kasparow und seine Initiative gestalteten für ihr Anliegen auch eigens eine deutschsprachige Webseite. Unter deutsche-verantwortung.de richtet sich der frühere Schachweltmeister an den Bundeskanzler – und ruft außerdem zum Unterzeichnen einer Petition auf. Deutschland könne „seine Schuld gegenüber der Menschheit begleichen, indem es Putins faschistischen Krieg gegen die Ukraine stoppt“, erklärt Kasparow obendrein in einem Video.

Garri Kasparow: Beschwichtigung ist falscher Umgang mit Putin

Der Kremlkritiker kritisiert nicht zum ersten Mal seit Kriegsbeginn den Kurs des Westens und der Bundesregierung. Beschwichtigung sei der falsche Umgang mit Wladimir Putin, betonte Kasparow immer wieder. Nur wenn man gegen die russische Aggression zurückschlage, höre der Kremlchef auf zu eskalieren.

Kasparow fordert daher konkret die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörpern an die Ukraine. Scholz lehnte das bisher stets ab. Das weitreichende deutsche Waffensystem sei „entscheidend, um die russische Aggression an der Wurzel zu bekämpfen“, heißt es auf der Kampagnen-Webseite. „Es ist an der Zeit“, heißt es dort außerdem. Es liege am Kanzler, der „Verantwortung Deutschlands gerecht zu werden“ und so „sich selbst, die Ukraine und ganz Europa“ vor Russland zu schützen.

Ampel-Haushaltsplanung auch innenpolitisch in der Kritik

Die Haushaltsplanungen der Bundesregierung waren zuvor bereits innenpolitisch in die Kritik geraten. Die Ukraine werde so „de facto im Stich gelassen“, kritisierte CDU-Politiker Roderich Kiesewetter. Am Montag meldete sich nach dem Wirbel um die durch einen Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ publik gewordenen Pläne schließlich sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu Wort. „Ich erwarte, dass Deutschland ein großer, europäisch größter Unterstützer der Ukraine bleibt“, mahnte der Bundespräsident.

Früherer Schachweltmeister und jetziger Kremlgegner: Garri Kasparow kritisiert den Bundeskanzler. (Archivbild)

Früherer Schachweltmeister und jetziger Kremlgegner: Garri Kasparow kritisiert den Bundeskanzler. (Archivbild)

Kanzler Scholz reagierte schließlich auf den Wirbel um die geplante Deckelung der deutschen Militärhilfe für die Ukraine – und verwies dabei auf einen von den G7 geplanten Kredit über 50 Milliarden Euro. Das Geld soll dabei aus Kapitalerlösen von eingefrorenem russischem Vermögen in Europa und den USA generiert werden. Wie schnell der Kredit tatsächlich zustande kommt, ist jedoch offen.

Olaf Scholz setzt auf 50-Milliarden-Kredit

Es werde intensiv daran gearbeitet, erklärte das Finanzministerium. Es sei geplant, auf diese Mittel „2025 zugreifen zu können“, hieß es außerdem. Mit diesen 50 Milliarden Euro könne die Ukraine dann „in großem Umfang Waffen beschaffen“, erklärte Scholz derweil bei X. „Darauf kann sie bauen.“

Ruhe scheint damit allerdings nicht einzukehren: Neben Kasparows Kampagne sieht sich Scholz nun auch der Kritik von CDU-Chef Friedrich Merz ausgesetzt. Scholz habe „immer wieder gesagt, die Ukraine bekommt das, was sie braucht“, erinnerte Merz an die Versprechen des Bundeskanzlers gegenüber Kiew, das Land so lange zu unterstützen, „wie es nötig ist“.

Nun könne Scholz diese Zusage an die Ukraine nicht mehr einhalten, zeige die Haushaltsdebatte, kritisierte Merz im Gespräch mit dem TV-Sender „Sat1“ am Montag. Während Scholz „in einer anderen Welt“ lebe, könne man bei der FDP den Eindruck bekommen, man lege es „streckenweise darauf an, herausgeworfen zu werden“, führte der CDU-Chef aus.

Grüne-Basis: „In Moskau knallen sicher schon die Korken“

Gegenwind gab es für Scholz unterdessen auch aus den Reihen eines Koalitionspartners. „Während in Moskau sicher schon die Korken knallen zu den Neuigkeiten aus Berlin“, würden in Kiew und bei Nato-Partnern „die Alarmglocken läuten, da auf Deutschland kein Verlass ist“, kritisierten rund 200 Mitglieder der Grünen in einem offenen Brief und forderten von der Parteispitze, dass Deutschland seine Verpflichtungen gegenüber der Ukraine „umfassend und rasch“ erfüllen müsse.

„Es ist nun dringende Aufgabe des Bundestages und seiner demokratischen Kräfte, nicht zuzulassen, dass Deutschland aus dem Bündnis zur Unterstützung der Ukraine ausschert“, heißt es in dem auch von der früheren EU-Politikerin Rebecca Harms unterzeichneten Papier.