Der Finanzminister plant eine Deckelung der Ukraine-Hilfen. Der Verteidigungsminister ist empört, nun versuchen Steinmeier und Kanzleramt zu beruhigen.
Bundespräsident bezieht StellungSteinmeier lehnt Deckelung der Ukraine-Hilfe ab – Pistorius empört über Lindner
Die Ampel-Koalition muss sparen, und nach einem Medienbericht vom Wochenende geht dies nun wohl auch zulasten der Ukraine. Wie die „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ berichtet, schrieb das Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) am 5. August einen Brief an Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne).
Demnach dürfen „neue Maßnahmen“ bei der Unterstützung Kiews nur eingegangen werden, wenn in den Haushaltsplänen für dieses und die kommenden Jahre „eine Finanzierung gesichert ist“. Zudem heißt es: „Bitte stellen Sie sicher, dass die Obergrenzen eingehalten werden.“ Grundsätzlich setzt die Bundesregierung darauf, dass die Ukraine künftig stärker mithilfe von Zinsen aus eingefrorenem russischen Staatsvermögen unterstützt werden kann.
Kanzleramt: Werden weiter Ukraine unterstützen
Nachdem seit dem Wochenende die Wellen der Empörung hochgeschlagen waren, versucht das Kanzleramt am Montag zu beruhigen. „Deutschland ist weiter absolut engagiert, und es gilt weiter das Wort des Kanzlers, dass die Unterstützung der Ukraine so lange fortgesetzt wird, wie das nötig ist“, betonte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner.
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So sollten in diesem Jahr noch vier Iris-T-Luftverteidigungssysteme geliefert werden, dazu zehn Gepard-Flugabwehrpanzer, 16 Panzerhaubitzen, 10 Leopard-Kampfpanzer, Kampfdrohnen und mehrere Tausend Schuss Artillerie und Panzermunition.
Steinmeier: Militärhilfe für Ukraine darf nicht gekürzt werden
Noch klarer äußerte sich Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Deutschland leiste in Europa die größte militärische Hilfe für das von Russland angegriffene Land, sagte Steinmeier im ungarischen Sopron. Die Gründe dafür habe die Bundesregierung immer wieder in der Öffentlichkeit genannt. „Und deshalb erwarte ich auch, dass Deutschland ein großer, europäisch größter Unterstützer der Ukraine bleibt.“
Bei den Ampel-Partnern SPD und Grünen hatte es kritische Stimmen zur Meldung der Deckelung gegeben. Michael Roth, SPD-Außenexperte und einer der vehementesten Befürworter der Ukraine-Unterstützung in seiner Partei, sprach von einem „fatalen Signal“. Roth sagte im Deutschlandfunk, er hoffe, dass Kanzler Olaf Scholz, der am Montag (19. August) aus dem Urlaub zurückkehrte, ein klares Bekenntnis zur Ukraine ablege. Ob ihm das Statement des Regierungssprechers reicht, bleibt abzuwarten.
Michael Roth: „Brechreiz“ beim Gedanken Zusammenarbeit mit Bündnis Sahra Wagenknecht
Auf einen internationalen Fonds, dessen Finanzierung wackelig sei, könnte man sich nicht allein verlassen, so Roth weiter. Die Zinserträge aus eingefrorenem russischen Vermögen seien wichtig, aber zu unsicher. Roth verwies auch darauf, dass die ukrainische Armee erstmals seit Monaten wieder in der Offensive sei und eine Unterstützung daher sinnvoll.
Zur Frage nach dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW), das sich am Wochenende für die komplette Streichung von Geldern für Rüstungsgüter an die Ukraine aus dem Bundeshaushalt 2025 ausgesprochen hatte, fand Roth drastische Worte. Er bekomme „Brechreiz“ bei dem Gedanken einer potenziellen Zusammenarbeit der SPD mit dem Putin-freundlichen BSW. Parteichefin Saskia Esken hatte dies auf Länderebene zuvor nicht kategorisch ausgeschlossen.
Roderich Kiesewetter: „Ukraine wird im Stich gelassen“
Auch aus der Opposition wurde Kritik laut. Außen- und Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter argumentierte, dass die Zinsen aus dem russischen Vermögen ohnehin der Ukraine zustünden. Das „bedeutet de facto, dass die Ukraine im Stich gelassen wird“, sagte er dem „Tagesspiegel“ (Montag). Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) warf er vor, auf die September-Wahlen in Ostdeutschland zu schielen, wo die Ukraine-Hilfen vielfach auf Ablehnung stoßen.
Kiesewetter vermutete hinter der Meldung ein Einknicken der SPD vor der Parteilinken, die Waffenlieferungen immer kritisch gesehen hatte, Verhandlungen mit Putin befürwortet und wie Fraktionschef Rolf Mützenich sogar ein „Einfrieren“ des Krieges forderte.
Konflikt zwischen Pistorius und Lindner droht
Insbesondere das SPD-geführte Verteidigungsministerium dürfte von dem Plan Lindners alles andere als begeistert sein. Wie die „Bild“-Zeitung berichtet, kritisierte das Ministerium von Boris Pistorius in einem internen Schreiben vom Samstag (17. August) Lindners Vorstoß. Dies sei eine „Änderung der Spielregeln nach Spielbeginn“, die „die kontinuierliche Versorgung aller an die Ukraine abgegebenen Waffensysteme gefährdet“, heißt es darin.
Lindner hatte laut „Bild“ behauptet, es gebe „keine konkrete Bedarfsmeldung“ von Pistorius, daher sei es auch nicht notwendig, die Bereitstellung zusätzlicher kurzfristiger Mittel zu prüfen. Dies wird im Verteidigungsministerium aber vehement bestritten. Bereits Mitte Mai seien 3,87 Milliarden Euro zugunsten der Ukraine angemeldet worden.
Pistorius-Ministerium: Deutsche Waffensysteme könnten nicht weiter betrieben werden
Diese Mittel könnten nun wohl nicht fließen. Dabei würde das Geld dringend benötigt, um Ersatzteile und Munition für die von Deutschland gelieferten Waffensysteme zu beschaffen.
Auch die Grünen übten Kritik an Lindner: Es sei „absurd, wenn wir jetzt keine Ersatzteile mehr liefern oder unsere Bundeswehr nicht das nachbeschaffen kann, was sie abgegeben hat. Der Finanzminister darf das nicht weiter blockieren“, zitiert die „Bild“ den Abgeordneten Sebastian Schäfer.
Im laufenden Jahr stellt Deutschland für die militärische Unterstützung der Ukraine knapp 7,5 Milliarden Euro bereit, für 2025 sieht die Regierung 4 Milliarden Euro vor. Das Problem ist, dass laut Medienberichten das Geld bereits weitgehend verplant ist. (mit dpa)