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Schrille deutsche Debatte über Kursk„Abgedrehte Vorwürfe“, „Vögel“ und das „Bündnis Strahlender Wladimir“

Lesezeit 6 Minuten
Die BSW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht (l.) und Amira Mohamed Ali (r.), im Hintergrund ist EU-Spitzenkandidat Fabio DE Masi zu sehen. (Archivbild)

Die BSW-Vorsitzenden Sahra Wagenknecht (l.) und Amira Mohamed Ali (r.), im Hintergrund ist EU-Spitzenkandidat Fabio DE Masi zu sehen. (Archivbild)

Die Offensive in Kursk sorgt hierzulande für hitzige Debatten. Ein Kölner Professor bringt dabei eine neue Bezeichnung für das BSW zum Trenden.

Die ukrainische Offensive in der russischen Grenzregion Kursk sorgt nicht nur in Russland für einigen Wirbel – auch in Deutschland ist um den gewagten Vorstoß der ukrainischen Armee eine mitunter hitzige Debatte entbrannt. Während Politiker von CDU und FDP ihre Unterstützung für das Vorgehen Kiews signalisiert haben, gibt es kritische Worte aus den Reihen des Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der Alternative für Deutschland (AfD).

Beide Parteien gelten durch ihre bisherigen Wortmeldungen zu Russlands Krieg gegen die Ukraine als kremlnah. Nach den ersten Statements des BSW wurde auch diesmal scharfe Kritik an der von Sahra Wagenknecht gegründeten Partei laut, bei der auch der Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger eine gewichtige Rolle spielte.

Sahra Wagenknecht: „Die nächste rote Linie, die überschritten wird“

Zuvor hatte Wagenknecht auf die ukrainische Offensive reagiert. „Das ist eine hochgefährliche Entwicklung“, hatte die Parteichefin bei X erklärt. „Billigt die Bundesregierung jetzt auch, dass die Ukraine mit deutschen Waffen nach Russland vordringt?“, fragte Wagenknecht – und fügte an: „Das wäre die nächste rote Linie, die überschritten wird.“

Auch aus den Reihen der AfD kamen jüngst schrille Töne in Sachen Ukraine. Nachdem der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer sich in der vergangenen Woche für eine Kürzung der Waffenlieferungen an die Ukraine ausgesprochen hatte, gab es dafür Zuspruch von AfD-Politiker Maximilian Krah. „Jetzt vertritt auch Kretschmer die Position der AfD zur Ukraine“, frohlockte Krah – fügte jedoch an: „Nur leider komplett folgenlos, er will einfach in Sachsen Wähler hinter die Ficht führen.“

Mehr Leopard-2-Panzer für die Ukraine wegen Offensive in Kursk?

Marcus Faber (FDP), Vorsitzender des Verteidigungsausschusses, signalisierte derweil Unterstützung für Kiews Offensive in Kursk. „Der ukrainische Vorstoß gegen die Invasionstruppen bei Kursk verläuft besser als gedacht. Er zwingt den Aggressor, massiv Truppen von der Front im Osten abzuziehen. Das schafft dort Entspannung“, schrieb Faber bei X.

Außerdem zeige der Angriff der russischen Bevölkerung, „dass ihr Diktator nichts im Griff hat“ und die „militärische Führung überfordert“ ist, fügte Faber an. Der Vorstoß in Kursk sei ein guter Grund, um über die Lieferung weiterer Kampfpanzer des Typs Leopard 2 nachzudenken, so der FDP-Politiker.

Roderich Kiesewetter: Kiews Offensive das „Normalste der Welt“

Auch CDU-Politiker Roderich Kiesewetter äußerte sich positiv über den ukrainischen Angriff – und kritisierte das Geraune über rote Linien aus dem BSW. „In Deutschland wird sofort wieder die hysterische geführte Eskalationsdebatte entfacht“, schrieb Kiesewetter bei X.

Dabei sei es militärstrategisch das „Normalste der Welt“, gegen „Bereitstellungsräume“ vorzugehen, aus denen Russland seine Kampfflugzeuge und Gleitbomben starte. Russland könne den Krieg „jederzeit beenden, indem es einfach seine Truppen vollständig aus der Ukraine abzieht“, fügte Kiesewetter an.

BSW reagiert auf Vorwurf der Russlandnähe

Beim BSW reagierte man derweil mit deutlichen Worten auf die Vorwürfe der Russlandnähe – legte dabei aber erneut den Fokus auf Aspekte, die auch aus Russland prompt kommentiert wurden. So hatte neben Wagenknecht auch BSW-Politiker Klaus Ernst sich über „deutsche Waffen“ auf russischem Boden ausgelassen und Anschuldigungen gegenüber Kiew erhoben: „Wer den Krieg nach Russland trägt, will ihn weiter eskalieren“, behauptete Ernst.

Die Debatte über „deutsche Panzer“ blieb derweil auch in Moskau nicht unbemerkt – Ex-Präsident Dmitri Medwedew schlug prompt in die gleiche Kerbe wie das BSW und verschaffte der Diskussion um „deutsche Panzer“ neue Nahrung.

Putin-Vertrauter: Dmitri Medwedew mischt in der deutschen Debatte mit

„Die deutsche ‚Bild‘-Zeitung hat einen revanchistischen Artikel veröffentlicht, in dem sie stolz die Rückkehr deutscher Panzer auf russischem Boden verkündet. Als Reaktion darauf werden wir alles tun, um die neuesten russischen Panzer auf den Platz der Republik zu bringen“, drohte Moskaus Propaganda-Lautsprecher, der seit Kriegsbeginn immer wieder mit schrillen Drohungen auffällt.

Tatsächlich soll die Ukraine bei ihrer Offensive in Kursk auch Schützenpanzer des Typs Marder nutzen. Von „deutschen Panzern“ könne jedoch keine Rede sein, erklärte Faber. „Mit der Übergabe an die Ukraine sind es ukrainische Waffen“, so der FDP-Politiker.

Kölner Professor bezeichnet BSW als „Bündnis Strahlender Wladimir“

Beim BSW reagierte man unterdessen gereizt auf die neuerliche Kritik an der Russlandnähe der Partei, die erneut auch vom Kölner Politikwissenschaftler Thomas Jäger vorgebracht wurde. „Klaus Ernst vom Bündnis Strahlender Wladimir erwartet euch schon sehnsüchtig“, schrieb der Professor für internationale Politik der Universität Köln bei X, mit Bezug auf Medwedews Drohung, mit russischen Panzern in Berlin aufzufahren.

„So stellt sich Wagenknecht die Zukunft Deutschlands vor. Endlich wieder in der DDR von Russlands Gnaden leben“, fügte Jäger an. Kurz darauf trendete die Bezeichnung „Bündnis Strahlender Wladimir“ für das BSW kurzzeitig in dem sozialen Netzwerk.

Fabio De Masi bezeichnet BSW-Kritiker als „Vögel“

„Die Vögel, die uns permanent als verlängerten Arm des Kreml bezeichnen, scheinen nicht zu verstehen, dass uns solche abgedrehten Vorwürfe helfen“, lautete schließlich die von Fabio De Masi vorgetragene Replik auf die Kritik am BSW.

Ein großer Teil der Wählerschaft im Osten fühle sich bei diesen Vorwürfen „mitgemeint“, so De Masi, der zudem behauptete, die Vorgeschichte von Russlands völkerrechtswidrigem Angriffskrieg sei „komplizierter als Putin will morgen vor dem Brandenburger Tor stehen.“ Warum der Vorwurf der Russlandnähe beim BSW nicht zutreffen sollte, erklärte De Masi nicht.

BSW-Kandidatin erklärt Ukraine-Unterstützer zu „Mörderinnen und Mördern“

Nahezu zeitgleich kursierte ein Video der Thüringer BSW-Kandidatin Jennifer Schuchardt, die sich darüber ausließ, dass mit von Deutschland gelieferten Waffen nun auch russische Regionen beschossen würden. „Und wer stirbt dann? Menschen, die genauso unschuldig sind wie wir“, fügte Schuchardt an und fragte schließlich: „Also wer wollen wir sein? Wollen wir Mörderinnen und Mörder sein, oder uns doch für den Frieden einsetzen?“

Dass die Verantwortung für den gesamten Krieg ausschließlich beim Aggressor in Moskau liegt, erwähnte Schuchardt in ihrem Video nicht. De Masi ließ unterdessen in einem weiteren Beitrag bei X kein gutes Haar an den BSW-Kritikern – diese seien „genauso abgedreht“ wie Medwedew mit seinen Drohungen.

BSW in der Kritik: „Wer die Lügen Putins weiterverbreitet, ist dessen ‚verlängerter Arm‘“

Prompt gab es erneut Gegenwind für den BSW-Politiker. Die Hintergründe des Angriffskrieges gegen die Ukraine seien tatsächlich komplex, erklärte der Historiker und Russland-Experte Matthäus Wehowski bei X, da sie tief in der „imperialen Geschichte Russlands“ verankert seien, so der Historiker.

Experten, die auf diesen Hintergrund hinwiesen, würden von BSW-Vertretern jedoch stets als „Kriegstreiber“ diffamiert. Am Ende gelte jedoch: „Wer die Propaganda und Lügen Putins weiterverbreitet, ist dessen ‚verlängerter Arm‘“, erklärte Wehowski.

Am Montag legte dann auch Faber noch einmal nach. „Ich warte darauf, dass Sahra Wagenknecht und Rolf Mützenich den Diktator dazu aufrufen, den Widerstand in Kursk einzustellen und die Aktionen der Ukraine zu akzeptieren. Wo sind die kurzsichtigen Friedensbewegten, wenn man sie mal braucht?“, stichelte der FDP-Politiker gegen BSW und SPD-Politiker Rolf Mützenich, der sich kürzlich für ein „Einfrieren“ des Kriegs ausgesprochen hatte – und dafür ebenfalls viel Kritik bekommen hatte.