Donald Trump inszeniert seinen Wahlkampfhöhepunkt demonstrativ im legendären Madison Square Garden in New York City.
Beleidigungen und bizarre BigotterieDonald Trump in New York – Heimkehr des verdorbenen Sohnes
Am Ende der sechsstündigen Kundgebung und eines Tages, der für manche Zuschauer schon vor 20 Stunden in einer nächtlichen Schlange auf der 32nd Street in Manhattan begonnen hat, tritt tatsächlich ein Tenor auf die Bühne und stimmt „New York, New York“ an. Derweil fuchtelt Donald Trump wie ein Badewannen-Dirigent mit den Händen in der Luft herum und lächelt milde. Vielleicht ist das für ihn der wichtigste Moment des Abends. „Der König von New York ist zurück, um die Stadt zurückzufordern, die er aufgebaut hat“, hat sein Sohn Donald Junior zuvor in der für die Familie typischen Bescheidenheit gesagt.
Tatsächlich ist die Inszenierung von Trumps Wahlkampfhöhepunkt im Madison Square Garden an Symbolik kaum zu überbieten. Fast 20.000 Menschen passen in die legendäre Arena, wo Marilyn Monroe einst ein Geburtstagsständchen für den damaligen Präsidenten John F. Kennedy sang, alle Popgrößen von Elvis Presley über die Rolling Stones bis zu Bob Dylan aufgetreten sind und die Basketballer der New York Knicks spielen. Die riesige Halle steht mitten in New York – der Stadt, wo Trump als Baumogul und Reality-TV-Star Karriere machte, politisch von der demokratischen Mehrheit aber nie geliebt wurde und zuletzt viele Stunden vor Gericht zubringen musste.
Trump in New York: Beleidigungen und bizarre Bigotterie
Die triumphale Politshow an diesem Ort wirkt wie ein ausgestreckter Mittelfinger angesichts seiner Verurteilungen wegen Betrugs und sexuellen Missbrauchs. Zugleich markiert sie einen selbstbewussten Anspruch: Der 78-Jährige behauptet ernsthaft, dass er in der Millionenmetropole, die seit 40 Jahren keinen republikanischen Präsidenten mehr unterstützt hat, bei der Wahl in einer Woche siegen kann.
Doch bevor die Trump-Fans, die teils aus dem republikanischen Stadtteil Staten Island kommen, teils aber auch mit Bussen aus Pennsylvania und anderen Bundesstaaten herangekarrt wurden, ihr Idol zu Gesicht bekommen, müssen sie erst einmal durch ein vierstündiges Vorprogramm mit mehr als 20 Rednern. Vom blassen Repräsentantenhaus-Sprecher Mike Johnson bis zum exaltierten Raketenpionier und Verschwörungsprediger Elon Musk hat sich alles eingefunden, was in dem kruden Kosmos des Ex-Präsidenten herumfleucht.
Puerto Rico als „schwimmende Müll-Insel“ diffamiert
Ein „Kabarettist“ diffamiert gleich zu Beginn den zu den USA gehörenden, armen Karibik-Archipel Puerto Rico als „schwimmende Müll-Insel“. Trumps Jugendfreund David Rem nennt die demokratische Gegenkandidatin Kamala Harris einen „Teufel“ und „Antichrist“, und der Geschäftsmann Grant Cardone barmt, die „Zuhälter“ der Politikerin würden das Land zerstören. Dass ein Fernsehpsychologe nach diesen rassistischen und sexistischen Ausfällen mit ernster Miene vor den Gefahren des Mobbings bei Kindern warnt und dafür Applaus bekommt, gehört zur bizarren Bigotterie der nach Rechtsaußen abgekippten Republikaner.
Der langatmige Aufmarsch der Lobredner bietet aber auch eine gute Möglichkeit, deren Popularität an der Basis zu überprüfen. Erstaunlicherweise wird Rudy Giuliani trotz seines dramatischen persönlichen Absturzes und seiner finanziellen Pleite zumindest in New York immer noch wie ein Held gefeiert. Auch die Ex-Demokraten Tulsi Gabbard und Robert F. Kennedy bekommen viel Applaus. Hingegen hat Vizepräsidentschaftskandidat J.D. Vance einen undankbaren Redeplatz mit mächtigem Abstand zu Trump zugewiesen bekommen – und kann die Menge auch nicht richtig begeistern.
„Ich sehe hier keine stinkenden Nazis“
Ganz anders ist das bei dem Wrestler Hulk Hogan, der schon auf dem Parteitag in Milwaukee für frenetischen Jubel gesorgt hatte. Er tritt mit einer orange-gelben Feder-Boa und einer riesigen US-Flagge auf die Bühne, reißt sich erneut das Hemdchen vom Leib und zieht eine für Europäer leicht befremdlich erscheinende Macho-Show ab. Hogan ist es denn auch, der das heikelste Thema bei den Hörnern packt. Trumps ehemaliger Stabschef John Kelly hat in der vergangenen Woche enthüllt, dass der Ex-Präsident große Bewunderung für Hitlers Generale empfindet und ihn einen „Faschisten“ genannt. Vor diesem Hintergrund schien die Kundgebung im Madison Square Garden politisch höchst pikant: Ausgerechnet hier gab es nämlich 1939 eine große Nazi-Versammlung mit Hitlergruß und antisemitischen Parolen. „Ich sehe hier keine stinkenden Nazis“, ruft Hogan nun unter gewaltigem Beifall in die Menge: „Ich sehe nur hart arbeitende Amerikaner.“ Damit ist das Thema beiseite gewischt.
Tatsächlich trägt das Publikum keine Uniformen und scheint einen Querschnitt durch die Gesellschaft zu verkörpern. Viele Besucher, aber keineswegs alle, tragen rote MAGA-Käppis. Andere sind ganz normal gekleidet. Es gibt junge Frauen und ältere Männer, (überwiegend) Weiße, aber auch Latinos und Schwarze. Beim Hereingehen wird ein bisschen gedrängelt. Ansonsten wirkt alles zivilisiert. Die Sitznachbarin, der nicht entgangen ist, dass ihr Nebenmann kein Amerikaner ist und nicht ein einziges Mal geklatscht hat, verabschiedet sich gleichwohl am Ende freundlich und wünscht einen schönen Abend.
Umso verstörender wirkt die rauschhafte kollektive Reaktion, als Trump endlich ans Mikrofon tritt und bald anfängt, gegen irreguläre Migranten zu hetzen. Relativ kurz hat er anfangs das Inflationsthema („Geht es Euch besser als vor vier Jahren?“) abgehandelt, das früher im Wahlkampf eine wichtige Rolle spielte. „Der Schutz unserer Grenzen ist wichtiger als die Wirtschaft“, sagt Trump nun, malt ein apokalyptisches Gemälde von einer „Masseninvasion“ krimineller Ausländer, die inzwischen selbst den Times Square in Manhattan übernommen hätten, und wirft Vizepräsidentin Harris vor, bewusst „Migranten aus den Gefängnissen rund um die Welt“ in Land zu holen. Als Trump die Todesstrafe für jeden Einwanderer fordert, der einen US-Bürger tötet, den Wahltag zum „Befreiungstag“ definiert und „eine der größten Deportationen in der amerikanischen Geschichte“ ankündigt, bricht frenetischer Jubel aus. „Yes, yes, yes!“ brüllt jemand im Publikum.
Wirklich überraschend ist ein anderer Auftritt
Inhaltlich bietet Trump wenig Neues. Er trägt – streckenweise mäandernd – seine Standardrede eher lieblos monoton vor. Die Zölle, mit denen er ausländische Importe belasten will, steigen von Woche zu Woche. Heute sind es „100 bis 200 Prozent“. Auch die angekündigten Steuerbefreiungen werden immer zahlreicher. Erst wollte der Kandidat alle Trinkgelder vom Zugriff des Fiskus befreien. Dann kamen die Renten hinzu. Nun sollen auch Menschen, die ihre Angehörigen pflegen, gefördert werden.
Wie üblich beschimpft Trump seine Gegenkandidatin Harris als „linksradikale Marxistin“ und „Verrückte“. Die Titulierung als „Faschistin“ spart er dieses Mal aus. Dafür beschwert er sich, dass man ihn einen „Diktator“ nenne: „Das stimmt nicht.“
Wirklich überraschend ist hingegen der Auftritt von Trumps Ehefrau Melania bei der Kundgebung. Die ehemalige First Lady zeigt sich nur extrem selten mit ihrem Mann in der Öffentlichkeit und beteiligt sich eigentlich nicht am Wahlkampf. Nun hält sie eine kurze Rede und steht später ein paar Minuten gemeinsam mit ihm auf der Bühne. Über die Gründe kann man nur rätseln: Melania Trump hat gerade ein Buch geschrieben, das etwas PR sicher gut gebrauchen kann. Ihr Ehemann jedenfalls baut in seiner Rede einen eigenen kleinen Werbeblock dafür ein: „Es ist ein großartiges Buch. Ein Nummer-eins-Bestseller“, sagt Trump. Seiner „wunderschönen Ehefrau“ gratuliert er dazu ausdrücklich. (rnd)