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Corona-ExpertenDarum warnen Lauterbach und Drosten vor neuer Herbstwelle

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Lauterbach Max

Gesundheitsexperte Karl Lauterbach (SPD) sorgt sich um steigende Inzidenzen im Herbst.

Köln – Die deutlich ansteckendere Delta-Variante des Coronavirus dominiert in Deutschland. Seit Donnerstag, 29. September steigt die bundesweite 7-Tage-Inzidenz von 61 am Vortrag auf 63, nachdem sie eine Zeit lang rückläufig war. Das Robert-Koch-Institut (RKI) meldete 12.150 Neuinfektionen, am Tag zuvor waren es 11.780. Experten wie der Virologe Karl Christian Drosten und der Kölner SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach rechnen damit, dass sich ab Oktober die von ihnen prognostizierte Herbst- und Winterwelle zeigen wird - und sorgen sich um die nachlassenden Bemühungen.

Drosten: Die Zahl der Ungeimpften sieht übel aus

Laut Drosten seien zu wenig Menschen in Deutschland geimpft, „die Zahlen sehen übel aus“, sagte der Wissenschaftler von der Berliner Charité am Dienstagabend in einem Auszug aus dem Podcast „Coronavirus-Update“ bei NDR-Info. Angesichts der aktuellen Quote von nur rund 64 Prozent vollständig Geimpfter in der Bevölkerung gehe er davon aus, dass sich, wie im vergangenen Jahr, ab der zweiten Oktoberhälfte ein exponentieller Anstieg zeigen würde. Laut RKI-Impfquoten-Monitoring sind 16 Prozent der über 60 Jährigen – also 3,3 Millionen – noch nicht vollständig geimpft. Sie tragen ein erhöhtes Risiko für einen schweren Covid-19-Verlauf.

Der Kölner Corona-Experte Karl Lauterbach pflichtet Drosten bei: „Immer noch sind 30 Prozent der Unter-60-Jährigen nicht geimpft. Wir unterschätzen diese enorme Zahl. Sie ist zu hoch, um einem Anstieg der Infektionszahlen zu verhindern. Das Virus wird sich weiter ausbreiten in der kalten Jahreszeit, in sich das Leben wieder auf geschlossene Räume verlagert“, sagt Lauterbach dem Kölner Stadt-Anzeiger.

Ähnlich sieht das Hajo Zeeb vom Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie: „Wir haben klar eine andere Situation als letztes Jahr, aber wenn wir eins gelernt haben, dann doch: Die Pandemie verläuft in Wellen, und die Höhepunkte der Wellen liegen eher in den kalten Jahreszeiten.“

Kölner Experte empfiehlt einen Königsweg

Lauterbach warnt mit deutlichen Worten: „Die Menschen denken, wir hätten das Virus im Griff, das Gegenteil ist der Fall: Die Probleme sind nicht gelöst.“ Unterschätzt würde neben der Zahl der Nicht-Geimpften auch die der Durchbruchinfektionen. Lauterbach verweist auf eine aktuelle US-amerikanische Studie, die zeigt, dass infizierte Geimpfte die gleich hohe Viruslast tragen wie Nicht-Geimpfte und damit gleich ansteckend sind.

„Um gut durch den Winter zu kommen“, sprich: steigende Fallzahlen zu verhindern, plädiert Karl Lauterbach für „einen Königsweg, der aus einer Kombination von strikter Einhaltung der 2-G-Regeln, konsequentem Testen und Impf-Anreizen auch mittels einer besseren medizinische Aufklärung besteht.“

Dass Letzteres eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe sei, betont Virologe Drosten. Ungeimpfte müssten dringend überzeugt oder anderweitig dazu gebracht werden, sich impfen zu lassen: „Das Schließen der Impflücken ist keine wissenschaftliche Aufgabe mehr, sondern eine politische.“ Auch das RKI spricht sich dafür aus, das Infektionsgeschehen weiterhin durch Maßnahmen unter Kontrolle zu halten – mit individuellen Maßnahmen statt Schließungen von Einrichtungen oder Einschränkungen ganzer Gesellschaftsbereiche.

Karl Lauterbach hält nichts von einem „Freedom Day"

Dessen ungeachtet, mehren sich in Deutschland die Forderungen nach einem sogenannten „Freedom Day“, ab dem, wie etwa in Dänemark, alle Corona-Schutzmaßnahmen fallen gelassen werden sollen. „Das macht aufgrund der vielen Nicht-Geimpften noch keinen Sinn, da wir dann eine Senkung der Lebenserwartung akzeptieren müssten. In Köln sind die Intensivbetten schon voll, leider ist der Spielraum für Lockerungen gerade gleich Null“, wiederholt er seine Mahnung, die er auch via Twitter verbreitete.

„Wenn wir im Herbst komplett aufmachen, könnte das eine unkontrollierbare Infektionswelle auslösen“, sagt in diesem Zusammenhang auch Alexander Kekulé, Direktor des Instituts für medizinische Mikrobiologie an der Universität Halle. (Mit dpa)