Attila Albert plädiert in seinem Buch für mehr Realismus und Pragmatismus bei der eigenen Jobsuche. Im Interview erklärt er, wie das am besten geht.
„Ich will den Job, weil ich Geld brauche“Was darf man im Bewerbungsgespräch zugeben?
„Wer Arbeit sucht, hat das Gefühl, er müsse behaupten, er suche neue Herausforderungen, obwohl er vor allem Geld verdienen muss“, sagt Attila Albert. Der Coach animiert dazu, stattdessen lieber die wahren Gründe für die eigene Jobwahl zu erforschen. Im Interview erklärt er, wie man das am besten angeht.
Herr Albert, in Ihrem Buch plädieren Sie für mehr Realismus und Pragmatismus bei der Jobsuche. Dabei hat man heutzutage eher das Gefühl, vor einem Bewerbungsgespräch müsse man unbedingt mit einem Coach alle Situationen durchgehen oder noch ein wenig Schauspielunterricht nehmen ...
Tatsächlich machen sich Bewerber und möglicher neuer Arbeitgeber oft gegenseitig etwas vor. Wer Arbeit sucht, hat das Gefühl, er müsse das übliche Spiel mitmachen und behaupten, er suche neue Herausforderungen, obwohl er gerade vor allem Geld verdienen muss, um seine Miete zu bezahlen.
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Jobsuche: Trennen von richtigen oder falschen Motiven
Das gleich anzusprechen, ist sicherlich kein guter Rat, oder?
Natürlich nicht. Aber man sollte sich von dem Gedanken lösen, dass es richtig oder falsche Motive gibt und sich stattdessen für eine passende Branche oder Stelle zu entscheiden. Und wer weiß, vielleicht hat mein Gegenüber von der Personalabteilung ja auch seine Zwänge, weil jemand gekündigt hat und dringend ein Posten besetzt werden muss. Am Ende ist es mit der Ehrlichkeit wie beim Dating.
Beim Dating?
Ja, auch da ist es wichtig, zu sagen, was man will, was man sucht, damit die Beziehung am Ende eine Chance hat. Ehrlichkeit ist immer ein Risiko – es erspart aber häufig eine spätere Enttäuschung. Natürlich würde man sich immer schrittweise öffnen, auch viel fragen und zuhören.
Um herauszufinden, welche Vorstellungen und Wünsche man beruflich hat, erläutern Sie in Ihrem Buch acht Jobmotivationen. Gibt es dabei ein Ranking?
Ich beziehe mich auf die Bedürfnispyramide, die der amerikanische Psychologe Abraham Maslow 1943 erstmals vorgestellt und später erweitert hat. Essen, Wohnen, Sicherheit spielen die größte Rolle. Die sozialen Bedürfnisse – rund um Familie, Freunde, Kollegen – folgen danach. Die individuellen Bedürfnisse, wie der Wunsch nach Bestätigung und Erfolg, sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung rangieren dahinter. Daran angelehnt habe ich im Buch acht Jobmotivatoren beschrieben.
Individuelle Situation bestimmt Motive bei Jobwahl
Demnach steht bei den meisten bei der Jobwahl die materielle Sicherheit ganz oben?
Es ist für die meisten die existenzielle Basis, hängt aber natürlich auch von der individuellen Situation ab. Wer kaum weiß, wie er seine Miete bezahlen soll, oder sich nur selten mal ein Extra leisten kann, wird Geld besonders im Fokus haben. Das heißt aber nicht, dass die anderen – wie die Vereinbarkeit mit familiären Verpflichtungen, ein gutes Team oder eine interessante Aufgabe – unwichtig sind. Sie sind nur aktuell nachrangig. Hier ist man deshalb eher bereit, Zugeständnisse zu machen. Wer dagegen bereits einen gewissen materiellen Status erreicht hat, denkt vielleicht vorrangig an Spaß oder Lebenssinn.
Wie findet man das heraus?
Hier hilft ein Blick auf die Fakten: Wie sieht die persönliche Situation aus? Wenn beispielsweise klar ist, dass man sein Kind um eine bestimmte Zeit von der Kita abholen muss, wird man in einem Job, der flexible Verfügbarkeit voraussetzt, nicht glücklich werden. Auch der Lebenslauf kann Aufschluss geben. Wer schon einen längeren Berufsweg hinter sich hat, sollte sich fragen, warum es in dem einen oder anderen Unternehmen nicht funktioniert und welche Konflikte es gegeben hat.
In Zeiten von Fachkräftemangel sollten die Unternehmen doch Interesse haben, Klartext zu reden und nicht mit der Aussicht zu werben, dass man „Teil einer Mission“ wird.
Dieser Pathos kommt teilweise durch die Amerikanisierung – da muss mindestens auch gleich die Welt gerettet werden. Aber wenn man hinter die Fassade schaut, zeigt sich häufig, dass im Unternehmen grundlegende Dinge nicht stimmen, die vielleicht kaschiert werden sollen: Das Einkommen liegt unter Tarif, es gibt keinen festen Arbeitsplatz, sondern einen Flex Desk, dafür aber besondere Events, mit denen man wirbt, oder Getränke, Obst und einen Kickertisch.
Stellenausschreibung sendet schon wichtige Signale
Sie schreiben vom „moralischen Größenwahn in der Chefetage“, meinen Sie damit das wichtigtuerische Image?
Genau. Da werden Dinge versprochen, die objektiv gar nicht von dem Unternehmen umgesetzt werden können. Man muss sich nur mal die Deutsche Bahn anschauen: „Laut und deutlich für Toleranz, Demokratie, Freiheit und Europa“ hat man sich auf die Fahnen geschrieben. Dabei sollte sie mit den naheliegenden Zielen wie saubere und pünktliche Züge sowie einen ausgeglichenen Geschäftsbericht genug ausgelastet sein.
Das Motto klingt immerhin nach einem ehrenwerten Anspruch – nicht nach Profit.
Das ist ja die Ironie dabei: Bei all den hochtrabenden Zielen geht es am Ende natürlich bei den Unternehmen vor allem um Umsatz und Gewinn – das ist ja normal für einen Wirtschaftsbetrieb.
Sie empfehlen, bei der Jobsuche die Stellenanzeigen sorgfältig zu lesen, warum?
Häufig geben die Stellenanzeigen schon wichtige Signale. Man findet viele typische Formulierungen, die darauf hinweisen, ob die ausgeschriebene Position zu der jeweiligen Priorität passt. Auch, welche Kompromisse man eingehen könnte – und welche nicht.
Typische Formulierungen
Zum Beispiel?
Wenn das Geld auf der Liste ganz weit oben steht, passt ein „attraktives Vergütungspaket“ oder ein „wettbewerbsfähiges Gehalt“. Mit Sachleistungen wie Obst und Getränke sollte man sich nicht locken lassen. Ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wichtig, sollten mindestens „flexible Arbeitszeitmodelle“, vielleicht sogar „Unterstützung bei der Kinderbetreuung“ angeboten werden. Auf die Beteuerung: „Fangen Sie erst einmal an, das klären wir schon“, sollte man sich nicht einlassen.
Seine Prioritäten mit den beruflichen Bedingungen abzugleichen, lohnt sich sicherlich auch, wenn man schon längere Zeit in einem Unternehmen arbeitet, oder?
Auf jeden Fall. Passt gar nichts zusammen, sollte man eine Veränderung angehen. Ich rate allerdings immer dazu, erst mal im Unternehmen anzusprechen, ob es vor Ort Spielraum geben könnte. Wenn nicht, sollte man über einen Wechsel nachdenken – und am besten schon mal die eigene Kündigung vorschrieben.
Kündigung vorschreiben kann hilfreich sein
Damit man sich darauf innerlich vorbereiten kann?
Ja. Besonders, wenn man schon seit vielen Jahren bei ein und demselben Arbeitgeber angestellt ist, tut man sich oft schwer, über einen Wechsel nachzudenken. Man fragt sich, was alles schiefgehen kann, wenn man sich eine neue Stelle sucht.
Die Kündigung vorzuschreiben, ist hilfreich, um sich mit den Ängsten auseinanderzusetzen, aber auch mit den Hoffnungen. Und es geht ganz schnell, es sind nur ein paar Zeilen: die Erklärung, dass man fristgemäß kündigt, Datum und Unterschrift. Eine Begründung ist nicht nötig. Das Dokument legt man ab und wenn man es dann wirklich braucht, muss man es nur noch anpassen. Das eröffnet innerlich schon mal eine neue Perspektive.
Auf der Suche nach einem neuen Job muss man sich sicherlich auf neue Kompromisse einstellen.
Den perfekten Job gibt es nicht. Man muss ich immer das Gesamtpaket anschauen, das muss mit seinen Vor- und Nachteilen passen. Schließlich geht es aber darum, einen persönlichen Sinn zu finden, anstatt sich etwas aufdrängen oder einreden zu lassen.