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Nachhaltiger TourismusWer mit gutem Gewissen reisen will, benötigt Zeit zum Planen

Lesezeit 4 Minuten
Flughafen Köln Symbolbild 2

Berlin – Die Deutschen sind umweltbewusst. Theoretisch. Laut einer Studie des Bundesumweltministeriums finden 97 Prozent, dass jede und jeder Einzelne Verantwortung für den Schutz der Umwelt trägt. Was nicht recht dazu passen will, ist das Reiseverhalten hierzulande. Rund 70 Millionen Reisen von mindestens fünf Tagen unternahmen die Deutschen im Jahr 2017. Der Trend geht dabei in die Ferne. Laut Reiseanalyse 2018 der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen führten im vergangenen Jahr 72 Prozent aller Urlaubsreisen ins Ausland – so viele wie nie zuvor.

Für die Umwelt bedeutet das eine enorme Belastung. Rund fünf Prozent aller klimaschädlichen Emissionen weltweit entstehen durch den Tourismus. Dazu kommt der Verbrauch von Wasser und anderen Ressourcen und die Eingriffe in Naturflächen des Urlaubslandes.

Was schadet am meisten?

Laut Umweltbundesamt stammen 75 Prozent aller CO2 -Emissionen, die der Tourismus verursacht, aus dem Verkehr, vor allem aus der An- und Abreise. Flugreisen sind besonders schädlich. Das Umweltbundesamt rechnet vor, dass ein Flug von Deutschland auf die Kanarischen Inseln und zurück (pro Strecke rund 3.500 Kilometer) pro Person eine Klimawirkung von knapp 1,8 Tonnen CO2 verursacht. Mit dem Auto könnte man dafür rund 12.000 Kilometer weit fahren.

Wann immer es geht, sollte man die Reise per Bus oder Bahn unternehmen, besonders, wenn der Zielort weniger als 700 Kilometer entfernt ist. Grundsätzlich sollten Urlauber darauf achten, dass die Entfernung zum Urlaubsort in einem angemessenen Verhältnis zur Reisedauer steht. Für ein Wochenende nach Madrid oder für ein paar Tage zum Shoppen nach New York zu fliegen, ist wenig nachhaltig.

Das Umweltmanagement vor Ort hingegen ist für den Reisenden schwerer zu beurteilen, genau wie die Frage, ob sich ein Reiseanbieter oder ein Hotel an Sozialstandards hält, seine Angestellten also angemessen bezahlt und arbeitsrechtlich absichert.

Wie kann man nachhaltig verreisen?

„Völlig umweltneutral zu verreisen, ist kaum möglich“, sagt Christoph Teusch vom Bundesverband Die Verbraucher Initiative. Mit ein bisschen Vorbereitung könne man den nächsten Urlaub aber zumindest nachhaltiger gestalten.

Eine Orientierung bieten verschiedene internationale Nachhaltigkeitslabel, die an Reiseveranstalter, Hotels, Reisebüros oder auch Reiseziele vergeben werden. „Bei mehr als hundert verschiedenen Labeln ist es für Verbraucher aber extrem schwer, sich zurechtzufinden, zumal die Siegel nach sehr unterschiedlichen Kriterien verliehen werden“, sagt Teusch. „Der einfache schnelle Hinweis, an dem man sich orientieren kann, wenn man eine Reise buchen will, den gibt es einfach noch nicht.“

Vergleichsweise hochwertige Nachhaltigkeitssiegel werden vom Globalen Rat für Nachhaltigen Tourismus (Global Sustainable Tourism Council - GSTC) international anerkannt. Grundlage dafür ist ein Zertifizierungsstandard, der neben der ökologischen und ökonomischen auch die soziale Dimension vollständig berücksichtigt. Außerdem setzt die GSTC-Zertifizierung ein transparentes Prüfverfahren durch unabhängige Gutachter voraus.

Kostet nachhaltiges Reisen mehr?

„Zunächst kostet es vor allem mehr Zeit“, sagt Christoph Teusch. Denn statt einfach auf das günstigste Online-Angebot zu klicken, ist ein bisschen Recherche gefragt. Im Wirtschaftsverband Forum Anders Reisen haben sich mehr als 100 Reiseveranstalter zusammengeschlossen, die sich für nachhaltigen Tourismus engagieren.

Die Verbandsmitglieder sind verpflichtet, bestimmte Kriterien der Nachhaltigkeit zu befolgen. Auf der Webseite des Verbandes sind die Angebote nach Reiseformen, Urlaubszielen oder der Art der Unterkunft gegliedert. Dort kann man die Reisen vergleichen und, wenn man möchte, auch gleich buchen.

Was bringt Emissionsausgleich?

Wer eine Flugreise gebucht hat, kann als Ausgleich für den verursachten CO2 -Ausstoß einen bestimmten Betrag zahlen, der sich an den bei der Reise verursachten Emissionen orientiert. Dieser Betrag wird dann in Klimaschutzprojekte investiert. Die gemeinnützige Organisation Atmosfair etwa verwendet den Klimaschutzbeitrag dafür, erneuerbare Energien in Ländern auszubauen, in denen diese noch kaum verbreitet sind. Damit, so die Idee, wird CO2 eingespart, das sonst in diesen Ländern durch fossile Energien entstanden wäre.

Ähnlich funktioniert das Prinzip von Myclimate. Welcher Betrag für welche Flugdistanz fällig ist, kann man sich auf der Webseite der Schweizer Stiftung ausrechnen lassen. Für den Hin- und Rückflug von Berlin nach New York (Economy-Klasse) zahlt man zum Beispiel 52 Euro. Mit dem Geld unterstützt die Organisation Projekte zur Vermeidung von CO2 in Entwicklungs- und Schwellenländern. Es ist auch möglich, gezielt Projekte auszusuchen, die man unterstützen möchte.

Kritiker bezeichnen das Konzept als Ablasshandel, mit dem man sich ein gutes Gewissen erkauft, statt den eigenen Lebenswandel zu verändern. „Natürlich ist es besser, Flugreisen so oft es geht zu vermeiden“, sagt auch Christoph Teusch. Zumal man mit dem Emissionsausgleich den Schaden, den Flugreisen der Umwelt zufügen, nicht ausradieren kann. „Aber so ein Ausgleich ist auf jeden Fall besser als nichts.“