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RechtsstreitDürfen Anwohner mit eigenen Schildern zum langsameren Fahren auffordern?

Lesezeit 3 Minuten
Ein „Freiwillig-Tempo-30“-Schild steht an einer Straße in der Gemeinde Gaienhofen im Kreis Konstanz.

Ist ein selbstgebasteltes Verkehrsschild rechtmäßig oder Amtsanmaßung?

An vielen Orten versuchen Anwohner Raser mit selbstgebastelten Schildern auszubremsen. Das ist eigentlich nicht erlaubt. Doch ein Grundsatzurteil steht noch aus.

Was Autofahrern ein Dorn im Auge ist, ist manchen Anwohnern umso wichtiger: Schilder oder sichtbare Blitzer, die zum langsamen Fahren animieren. Die einen wollen schnell von A nach B, die anderen ihre Ruhe vor dem Verkehrslärm und mehr Sicherheit für ihre Kinder. Um Letzteres zu erreichen, lassen sich Anwohner vielerorts kreative Lösungen einfallen.

Christian Solmecke

Christian Solmecke

hat sich als Rechtsanwalt und Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.LEGAL auf die Beratung der Internet- und IT-Branche spezialisiert. Neben seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt ist Solmecke vielfac...

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Am Bodensee zum Beispiel stellten sie kurzerhand selbst kreierte „Freiwillig Tempo 30“-Schilder auf ihren eigenen Grundstücken entlang der Straße auf, um die Autofahrer zur Einsicht zu bewegen. Das Landratsamt Konstanz hielt das für unzulässig und drohte deshalb einen „Verwaltungsakt mit Zwangsgeld“ an, sollten die Schilder stehenbleiben. Drei Anwohner gingen dagegen vor und wollten gerichtlich feststellen lassen, dass die Schilder legal sind.

Täuschend echte Attrappen sind ein Fall von Amtsanmaßung

Schon vorher hatte es diverse Fälle gegeben, in denen Bürgerinnen und Bürger durch selbstgebastelte Schilder oder Blitzer-Attrappen versuchten, Raser auszubremsen. Die Behörden gingen hier oftmals sogar noch einen Schritt weiter als das Landratsamt Bodensee: Es kam zu Anklagen wegen Amtsanmaßung nach Paragraf 132 des Strafgesetzbuchs (StGB). Danach macht sich strafbar, wer eine Handlung vornimmt, die nur Amtsträger vornehmen dürfen.

Alles zum Thema Amts- und Landgericht Köln

Damit der Straftatbestand erfüllt ist, muss das selbstgebaute Radargerät oder das Tempolimit-Schild der entsprechenden amtlichen Version allerdings zum Verwechseln ähnlich sehen. Genau hier scheiden sich die (Gerichts-)Geister, die bislang unterschiedlich entschieden haben: Stellt man nur auf den flüchtigen Blick des Autofahrers ab? Oder fordert man für eine Verurteilung, dass das Schild beziehungsweise der Blitzer wirklich echt aussehen?

Deutsche Umwelthilfe will ein Grundsatzurteil erstreiten

Im Fall einer Blitzer-Attrappe sagte jedenfalls das Amtsgericht Köln im Jahr 2018: Das Anliegen und das Vorgehen der Anwohner seien zwar nachvollziehbar, aber dennoch strafbar. Letztlich jedoch stellte das Gericht das Verfahren wegen Geringfügigkeit der Schuld ein. Keine Verwechslungsgefahr. Im Fall der aufgestellten Schilder am Bodensee hingegen ging es gar nicht um eine Strafbarkeit, und das ist richtig so. Denn hier bestand eine solche Verwechslungsgefahr mit einer amtlichen Beschilderung wegen des „Designs“ der aufgestellten Hinweise nicht: Neben dem Wort „freiwillig“ und dem bekannten Tempo-30-Zeichen waren dort nämlich auch die Silhouetten laufender Kinder zu sehen.

Offen bleibt leider die Frage, ob solche Schilder deswegen nun erlaubt oder verboten sind: Das Freiburger Verwaltungsgericht hat die Feststellungsklagen der drei Anwohner am Dienstag dieser Woche als unzulässig abgewiesen. Die konkreten Urteilsgründe hierzu sind noch nicht bekannt. Die Deutsche Umwelthilfe, die die Kläger unterstützt, will aber möglicherweise versuchen, in der nächsten Instanz ein Grundsatzurteil zu erstreiten.

Die Thematik bewegt sich in einem Raum zwischen guten, durchaus verständlichen Absichten und unzulässiger Selbstjustiz.
Christian Solmecke

Eine Antwort auf die grundsätzliche Frage, ob Anwohner überhaupt eine aktive Rolle in der Verkehrskontrolle spielen sollten, ist ebenfalls sehr komplex. Immerhin bewegt sich die Thematik in einem Raum zwischen guten, durchaus verständlichen Absichten und unzulässiger Selbstjustiz. Während das Engagement der Anwohner einerseits dazu beitragen kann, die Verkehrssicherheit in Wohngebieten zu erhöhen und das Bewusstsein für Geschwindigkeitsbegrenzungen zu schärfen, birgt es auf der anderen Seite das Risiko von Willkür und Unverhältnismäßigkeit.

Eine konstruktive Lösung könnte darin bestehen, verstärkt auf die Zusammenarbeit zwischen Bürgerschaft und zuständigen Behörden zu setzen, um die Verkehrssicherheit letztlich auf eine faire und einheitliche Weise gewährleisten zu können. Die angekündigte Reform des Straßenverkehrsgesetzes könnte hierfür eine gute Gelegenheit bieten.

Dieser Text ist eine Folge unserer Rechtskolumne „Recht & Ordnung“. In dieser Serie schreiben Staatsanwältin Laura Neumann (Düsseldorf) sowie die Rechtsanwälte Pia Lorenz („Beck aktuell“), Martin W. Huff (ehem. Geschäftsführer der Rechtsanwaltskammer Köln), Christian Solmecke (Partner der Kölner Medienrechtskanzlei WBS.Legal) und Thomas Bradler (Verbraucherzentrale NRW, Leiter Markt und Recht). In ihren Kolumnen geben sie Auskunft zu oft kniffligen Fragen des Rechts, können aber keine Rechtsberatung bieten oder in konkreten Fällen den Gang zu einem Anwalt ersetzen. Haben Sie eine Frage an unsere Experten? Dann schreiben Sie uns eine Mail an: recht-und-ordnung@kstamedien.de