In vielen Leserbriefen berichten uns Betroffene der Hochwasserkatastrophe vom Umgang ihrer Versicherung mit der Schadensregulierung. Manche erzählen von schneller unbürokratischer Hilfe und einfühlsamen Sachverständigen vor Ort. Doch es gibt auch solche, die sich beklagen, dass ihre Versicherung nicht zahlen will. Obwohl sie jahrelang hohe Aufpreise für den Elementarschutz ihrer Hausrats- oder Gebäudeversicherung gezahlt haben.
Die Kölner Rechtsanwältin Silvia Klaus vertritt Betroffene und erklärt im Interview, wie diese Versicherer argumentieren. Wie Betroffene dagegen vorgehen, welche Chancen sie haben – und was diejenigen tun können, denen gerade die Kraft fehlt, sich zu wehren: Das rät die Juristin.
Sie vertreten Betroffene der Flutkatastrophe. Was sind das für Fälle?
Silvia Klaus: Es geht überwiegend um Schäden an Häusern oder Wohnungen, aber auch um Teilschäden. Die Mandanten haben häufig keine Elementarversicherung abgeschlossen. Es ist leider so, dass etwa die Hälfte der Hausbesitzer in Deutschland keinen Elementarschutz hat. Die Betroffenen hatten erhebliche Probleme und wussten nicht, was sie tun sollen. Aber auch bei denjenigen mit Elementarschutz versuchen einige Versicherer leider mit allen Mitteln, möglichst nicht zu zahlen.
Mit welcher Begründung lehnen die Versicherer jetzt ab, für die Flutschäden aufzukommen?Was wir immer wieder hören: Die Versicherer argumentieren damit, dass es sich vorliegend um Hochwasser handelte und nicht um Starkregen. Versichert wären allerdings nur durch Starkregen verursachte Schäden. Das ist derzeit das Argument, welches wir häufiger gehört haben. Hochwasser ist danach „eine Ausuferung oberirdischer stehender und fließender Gewässer“. Starkregen liegt vor, „wenn Grund und Boden durch Regen überflutet wird und die Kanalisation das Wasser nicht mehr fassen kann.“ In meinen Augen handelt es sich dabei um Wortklauberei: Hochwasser entsteht in der Regel durch Starkregen. Das eine ist eine Folgeerscheinung des anderen.
Viele haben ihre Unterlagen nicht mehr und können das nicht prüfen.Das sollte grundsätzlich kein Problem sein, da Versicherte sich an ihre Versicherung wenden und Duplikate anfordern können. Die Versicherungen sind verpflichtet, die Vertragsunterlagen aufzubewahren. Die Unterlagen können zugeschickt und sodann nochmal überprüft werden.
Was ist Ihr Eindruck: Sind das gerade nur ein paar schwarze Schafe unter den Versicherern?Das könnte man so sagen.
Sind solche Ausschlussklauseln denn zulässig?Es ist so, dass die Versicherungen grundsätzlich selbst entscheiden können, was versichert wird und was nicht. Es liegt dann an dem Versicherungsnehmer, ob er das akzeptiert oder nicht. Wenn überraschende Klauseln versteckt sind, also Dinge, mit denen man überhaupt nicht rechnen konnte und musste – dann sind diese nicht zulässig. Ob es sich hier um eine überraschende Klausel handelt, muss dann eben geprüft werden.
Was raten Sie den Betroffenen?Wir raten den Betroffenen, sich zunächst nicht einfach „abspeisen“ zu lassen. Die Betroffenen sollten in jedem Fall fachmännischen Rat einholen und die Angelegenheit prüfen lassen. Hier liegt gerade eine außergewöhnliche Situation vor, insofern muss das noch weiter untersucht und beurteilt werden.
Hinweis: Infolge der Hochwasserkatastrophe verzichtet die Verbraucherzentrale NRW auf die Entgelte für die Versicherungsrechtsberatung durch einen Anwalt, um Betroffene in ihrer aktuellen Notlage zu unterstützen. Die Beratung für eine erste rechtliche Einschätzung richtet sich an all jene, die Probleme mit ihrer Versicherung bei der Schadensregulierung haben.
Rat kann man sich bei Anwälten oder Kommunen einholen. Wenn man nicht direkt anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen möchte, sollte man nochmal mit der Versicherung sprechen. Viele Kommunen haben ein Bürgermeisterbüro oder Bürgertelefone eingerichtet, an die man sich auch wenden kann. Oder man tauscht sich mit anderen Betroffenen aus, auch da kann man den ein oder anderen Tipp erhalten.
Starkregen oder Hochwasser: Wer entscheidet letztlich, was die Ursache für die Überschwemmung war?Unsere Kanzlei hat bei den entsprechenden Behörden nachgehakt: der Verwaltung Rhein-Sieg-Kreis, dem Amt für Umwelt und Naturschutz und verschiedenen Kommunen. Dort hieß es, die Ursache der Überschwemmung sei derzeit noch nicht abschließend geklärt. Die Versicherungen müssen letztlich eine Entscheidung treffen und dies beurteilen. Dann liegt es an dem Versicherungsnehmer, eventuell dagegen vorzugehen. Wenn keine Einigung herbeigeführt werden kann, muss ein gerichtliches Verfahren eingeleitet werden.
Wie stehen die Chancen für die Betroffenen, die gegen eine Ablehnung vorgehen?Prinzipiell gut. Wir konnten schon erste Erfolge verbuchen, auch konnten Vergleiche geschlossen werden.
Viele haben sicherlich gerade keine Kraft und Mittel für eine rechtliche Auseinandersetzung.Das kann ich natürlich verstehen. Dennoch sollten ablehnende Entscheidungen aufgrund der langfristigen Folgen überprüft werden. Viele erste Anlaufstellen bieten zum Beispiel kostenlose Beratungen an, die man in Anspruch nehmen kann.
Haben Sie noch einen Rat für diejenigen, die gerade nicht dagegen vorgehen können oder wollen?Es gibt Alternativen, vor allem für die Menschen ohne Versicherungsschutz oder bei denen die Versicherungen nicht zahlen. Es gibt diverse Hilfsfonds: der Staat hat solche eingerichtet oder die Caritas. Aber auch einige Versicherungen. Es lohnt sich, dort zumindest anzufragen.
Was kann man aus den aktuellen Fällen lernen, auch wenn man nicht selbst betroffen ist?Wenn es zu einem Schadensfall kommt, sollte man die Aussagen der Versicherung hinterfragen und prüfen lassen. Auch sollte man sich nicht scheuen, fachmännischen Rat hinzuzuziehen. Es gibt viele Anwälte, die eine kostenlose Erstberatung anbieten und den betroffenen Menschen erste Hilfestellungen geben. Dann ist es grundsätzlich sinnvoll, eine Rechtsschutzversicherung abzuschließen, um bei eventuellen Streitigkeiten Rückendeckung hinsichtlich der Kosten zu haben. Generell gilt zudem, dass man seinen Versicherungsschutz immer sorgfältig auswählen sollte, wie zum Beispiel welche Risiken könnten mich betreffen und sind diese auch versichert?