RechtsfrageKann ein Verfahren nach einem Freispruch wieder aufgenommen werden?
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Köln – Kurz vor dem Ende seiner Amtsperiode hat der Bundestag einen Gesetzentwurf zur Änderung der Strafprozessordnung beschlossen. In bestimmten Fällen soll es möglich sein, ein Strafverfahren wiederaufzunehmen, auch wenn der Angeklagte zuvor rechtskräftig freigesprochen worden war. Das gilt bei schwersten Straftaten wie Mord, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wenn neue Beweismittel vorliegen, die mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Verurteilung führen.
Das klingt zunächst einmal nur gerecht, ist unter Experten aber höchst umstritten. Bisher durfte ein durch rechtskräftiges Urteil abgeschlossenes Verfahren zuungunsten des Angeklagten nur dann wieder aufgenommen werden, wenn der Freigesprochene später ein glaubwürdiges Geständnis ablegte, eine in der Hauptverhandlung vorgebrachte Urkunde nicht echt war, ein Zeuge oder Sachverständiger vor Gericht vorsätzlich oder unter Eid falsch ausgesagt hatte oder ein mitwirkender Richter bei dem Urteil seine Amtspflicht verletzt hatte.
Laura Hollmann ist als Staatsanwältin bei der Staatsanwaltschaft Düsseldorf tätig und dort für erwachsene Intensivtäter und Umfangsverfahren zuständig. Sie ist sie stellvertretende Pressesprecherin der Behörde.
Gesetz untersagt Täter wegen derselben Tat mehrmals zu bestrafen
Zugunsten des Angeklagten ist eine Wiederaufnahme zudem bereits jetzt möglich, wenn neue Tatsachen oder Beweise beigebracht werden, die einen Freispruch oder eine geringere Bestrafung begründen können. Ein Grund für eine Wiederaufnahme zu Lasten des Angeklagten war das Vorliegen neuer belastender Beweismittel wie Videoaufzeichnungen, die die Tat dokumentieren, oder neuer Methoden wie zum Beispiel der DNA-Analyse bisher nicht.
Grund hierfür ist das in Artikel 103 des Grundgesetzes verankerte Verbot der Mehrfachverfolgung, unter Juristen bekannt als Grundsatz „ne bis in idem“, Lateinisch für: „nicht zweimal in derselben (Sache)“. Demnach darf also niemand wegen derselben Tat mehrmals bestraft werden. Die Rechtsprechung hat klargestellt, dass das Verbot vor dem Hintergrund des Bedürfnisses nach Rechtssicherheit nicht nur für eine doppelte Bestrafung gilt, sondern auch für eine abermalige Verfolgung.
Wiederaufnahme eines Strafverfahrens bei schwersten Straftaten möglich
Ist die Gesetzesänderung also verfassungswidrig? Dagegen wird angeführt, dass eine Wiederaufnahme zu Lasten des Angeklagten zulässig sein müsse, wenn es sonst zu unerträglichen Gerechtigkeitsverstößen komme. Zudem handele es sich hier um einen engen, klar abgrenzbaren Anwendungsbereich: Die Wiederaufnahme soll nur bei schwersten Straftaten möglich sein.
Der Befürchtung, dass nun eine Diskussion über die Erweiterung auf andere schwere Straftaten, wie zum Bespiel Vergewaltigung, zu erwarten sei, wird entgegengehalten, dass es sich bei Mord und den aufgeführten Delikten aus dem Völkerstrafgesetzbuch um Verbrechen handelt, die mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden und nicht verjähren.
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Hürden für Wiederaufnahme sind hoch
Die Hürden für eine Wiederaufnahme sind ebenfalls hoch: Es reicht nicht jedes denkbare neue Beweismittel; vielmehr muss dieses eine besonders hohe Beweiskraft haben, denn laut Gesetzesentwurf sollen dringende Gründe für eine Verurteilung vorliegen müssen – diese sind sonst zum Beispiel für den Erlass eines Untersuchungshaftbefehls erforderlich. Zudem soll die Möglichkeit der erneuten Verfolgung nur bei einem Freispruch bestehen, nicht bei als zu milde empfundenen Urteilen.
Letztlich bleibt abzuwarten, ob das Gesetz in dieser Form verabschiedet werden wird – und wie das Bundesverfassungsgericht entscheiden wird, wenn der erste Fall dort landen sollte.