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Paragraph 219aWarum ist Werbung für Abtreibungen strafbar?

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Ärzte dürfen auf ihrer Homepage nur erwähnen, dass sie Schwangerschaftsabbrüche vornhemen, aber nicht welche Methoden sie verwenden. 

  1. In unserer neuen Serie „Recht und Ordnung“ wollen wir uns mit juristischen Themen aller Art befassen - und vor allem Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, mehr Durchblick im Paragrafen-Dschungel verschaffen.
  2. Dafür haben wir eine Staatsanwältin, einen Rechtsanwalt und eine Jura-Professorin gewinnen können. Ihre Kolumnen können und wollen keine Rechtsberatung sein und im konkreten Fall den Gang zu einem Anwalt ersetzen.
  3. In unserem zweiten Fall geht es um die Frage, warum Gynäkologen nicht offensiv damit werben dürfen, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen.

Haben die Gerichte nicht Wichtigeres zu tun, als Frauenärztinnen und -ärzte zu verurteilen, die auf ihrer Homepage über Abtreibungen informieren?

Die Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft ist in Deutschland strafbar. Es gehört zu den Kernaufgaben deutscher Gerichte, Personen zu bestrafen, die gegen die Vorschrift des Paragrafen 219a im Strafgesetzbuch verstoßen haben. Ob es für sie nichts „Wichtigeres“ zu tun gäbe, lässt sich deshalb auf zweierlei Arten beantworten.

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Frauke Rostalski  Direktorin des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität zu Köln

Die Antwort kann „Nein“ lauten, weil es wichtig ist, dass Strafgerichte ihre Arbeit machen. Welche das sind, verrät ihnen das Gesetz. Und solange es dort eine Strafvorschrift gibt, die die Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft sanktioniert, müssen die Gerichte ihrem Auftrag auch nachkommen. Die gestellte Frage ließe sich aber auch anders beantworten: Für Gerichte kann es eine ganze Menge „Wichtigeres“ geben – zum Beispiel die Bestrafung von Gewaltverbrechen. Solange die Gerichte aber auch das tun, darf das eine nicht gegen das andere ausgespielt werden: In einem Rechtsstaat ist es wichtig, dass sämtliche Straftaten geahndet werden – nicht bloß die schwerwiegenden. Wenn wir es nicht wichtig finden, dass bestimmte Delikte bestraft werden, sollten wir darüber nachdenken, ob es sich dabei dann tatsächlich um Verhaltensweisen handelt, die generell Strafe verdienen.

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Gefahr reißerischer Werbung

Mir scheint, wir sind damit beim Kern der Frage angekommen. In den vergangenen Monaten wurde anlässlich des Falls einer Gießener Frauenärztin, die auf ihrer Homepage darüber informiert hatte, in ihrer Praxis Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, viel über den Sinn des Paragrafen 219a gestritten. Die Diskussionen haben letztlich dazu geführt, dass die Vorschrift geändert wurde und insbesondere Ärzte nunmehr solche Informationen geben dürfen. Welche Methoden sie bei Schwangerschaftsabbrüchen verwenden, dürfen sie freilich nach wie vor nicht sagen.

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Bereits das lässt an der Qualität der Neuregelung zweifeln: Wer sich über die Modalitäten eines Schwangerschaftsabbruchs informieren will, dem ist durch die bloße Auskunft, dass ein bestimmter Arzt solche Eingriffe vornimmt, nicht viel geholfen.

Warum tut sich der Gesetzgeber aber so schwer, eine zufriedenstellende Lösung in Sachen Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft zu finden? Die Antwort liegt in der schwierigen Abwägung, die in dieser Lebenssituation betroffenen Interessen in ein angemessenes Verhältnis zu bringen. So greift zu kurz, wer den Paragrafen 219a als nicht gerechtfertigten Eingriff in die Selbstbestimmungsfreiheit der Frau wertet, die sich aufgrund der Strafnorm nicht uneingeschränkt über einen Schwangerschaftsabbruch informieren kann. So stehen dem Informationsinteresse der Frau die Rechtsgüter des ungeborenen Lebens gegenüber, die nicht einfach zur Seite gewischt werden können. Es ergibt daher einen guten Sinn, dass zumindest ein grob anstößiges Werben für Abbrüche nach wie vor bestraft wird. Unsachliche Werbung kann die Ernsthaftigkeit der Entscheidung relativieren, die die Schwangere zu treffen hat.

Begrenzung der Strafbarkeit ist ratsam

Ein Beispiel: große Plakate in der Fußgängerzone, auf denen für den „Schwangerschaftsabbruch in der Mittagspause“ geworben und damit suggeriert wird, der Eingriff lasse sich ohne seelische und körperliche Folgen vollziehen und sei in seiner Bedeutung gleichzusetzen mit Freizeitbeschäftigungen wie dem Ausruhen in der Sonne vor dem Bürogebäude. Bei diesen und ähnlichen Werbemaßnahmen steht dann die Gefahr im Raum, dass es zu unüberlegten Schwangerschaftsabbrüchen kommt – und das verletzt am Ende nicht bloß die Interessen des ungeborenen Lebens, sondern auch die der Mutter, die eben nicht ganz frei, sondern womöglich übereilt oder unter Druck diese so wichtige Entscheidung getroffen hat.Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft zu sanktionieren, ist daher grundsätzlich alles andere als unwichtig. Allerdings geht der Umfang der Sanktionierung auch in der aktuellen Fassung noch zu weit. Ich halte daher die Begrenzung der Strafbarkeit auf Fälle der grob anstößigen Werbung für ratsam. Zugleich bleibt zu hoffen, dass die Diskussion um das Werbeverbot nicht zur Stellvertreterin für andere Themen wird, wie etwa die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Dies würde weder dem einen noch dem anderen Anliegen gerecht

Zur Person

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Strafrechtsprofessorin Frauke Rostalski

Foto: Csaba Peter Rakoczy

Frauke Rostalski, geboren 1985, ist geschäftsführende Direktorin des Instituts für Strafrecht und Strafprozessrecht der Universität zu Köln. Im Januar 2018 wurde sie dort auf den Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Rechtsphilosophie und Rechtsvergleichung berufen.

Rostalski studierte Rechtswissenschaften an der Philipps-Universität Marburg und promovierte dort von 2009 bis 2011. Im Anschluss an ihre zweite juristische Staatsprüfung 2013 verbrachte sie Forschungsaufenthalte an der Nanjing Universität (China) und der Seoul Universität (Korea). 2017 promovierte sie auch im Fach Philosophie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. (jf)