Ob Burger, Bowls oder Bier – viele Lokale setzen auf Selfservice. Entspannt ist das für Gäste nicht, die ihre Freizeit genießen wollen.
Trend oder Fachkräftemangel?Warum es immer häufiger Selbstbedienung in Restaurants gibt
Ob das gut geht? Auf dem Tablett türmen sich ein Teller mit Apfelstrudel, zwei Tassen Tee, ein Eisbecher und eine kleine Flasche Wasser. Gar nicht so einfach, alles auf einmal nach draußen an den Tisch zu bringen, zumal wartende Menschen den Ein- und Ausgang des Cafés verstopfen. „Sie schaffen das schon“, sagt der Mann hinter der Theke aufmunternd. Immerhin hat er den fragenden Blick bemerkt und richtig gedeutet. Weiter reicht die freundliche Kundenbetreuung aber nicht. Nach der Bestellung ist der Gast auf sich gestellt. Ist Selfservice ein neuer Trend?
Servicekräfte in der Gastronomie sind heute oftmals schwer zu bekommen, manchen Wirtsleuten zu teuer oder sie passen nicht ins gastronomische Konzept. Vor allem Betreiberinnen und Betreiber kleiner Lokale mit Stehtischambiente oder Imbisscharakter sowie Biergärten und Betriebe mit größerer Außengastronomie in den Sommermonaten haben dem Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) zufolge in den vergangenen Jahren stark auf Selbstbedienung gesetzt.
Selbstbedienung: ein stressfreier Feierabend sieht anders aus
Das kann für beide Seiten praktisch sein, weil es oft Wartezeiten verkürzt, nervt aber mitunter Menschen, die bewusst Bistro, Burgerladen oder Kneipe aufsuchen, um sich etwa nach einem turbulenten Arbeitstag mal um nichts kümmern zu müssen. Stattdessen sind sie angehalten, sich in eine Warteschlange am Tresen einzureihen, um zu bestellen. Sie bekommen einen Pager in die Hand, der sie irgendwann aufdringlich blinkend und piepend aus der Unterhaltung mit dem Gegenüber am Tisch reißt und erneut zur Theke beordert, von wo aus sie Essen und Getränke an den Platz balancieren müssen. Ein stressfreier Feierabend sieht anders aus.
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Gerade beim Besuch eines klassischen Restaurants sei Selbstbedienung daher kein Thema, sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Bundesverbands. „Die Menschen kommen dorthin, um sich verwöhnen zu lassen. Dort wird man selbstverständlich am Tisch bedient“, betont sie. Doch von wem?
Fachkräftemangel in der Gastronomie: Ursachen sind auch hausgemacht
Vor zehn Jahren schon bemängelte die deutsche Ausgabe des Restaurantführers Gault-Millau im Servicebereich „hölzerne Umgangsformen, auswendig gelernte Floskeln, mangelhafte Produktkenntnis und, schlimmer als alles andere, die Unfähigkeit, herzliche Gastfreundschaft an den Tag zu legen“. Was Gäste stattdessen bräuchten, seien „Persönlichkeiten im Service“ und „Profis mit menschlichem Profil“. Das klingt nach überzogenen Ansprüchen für eine Berufsgruppe, die als notorisch unterbezahlt gilt. Entsprechend groß sind die Nachwuchsprobleme.
Fachkräftemangel: Corona-Pandemie hat zu viel Abwanderung geführt
Vielfach bedienen Aushilfen, die angelernt, aber nicht ausgebildet sind. In Rankings zu den 20 beliebtesten Ausbildungsberufen, etwa vom Deutschen Gewerkschaftsbund, sucht man den Job der Restaurantfachkraft seit Jahren vergeblich. Die Corona-Pandemie hat zudem für viel Abwanderung gesorgt, weil der Beruf plötzlich nicht mehr als krisensicher galt.
Doch Dehoga-Geschäftsführerin Hartges gibt sich zuversichtlich: „Die Herausforderungen sind groß, aber die Entwicklungen machen Hoffnung.“ Eine seit 2022 geltende inhaltliche Erweiterung der Berufsbilder im Gastgewerbe habe dazu geführt, dass der Beruf der Restaurantfachkraft deutlich an Attraktivität gewonnen habe. Offenbar will auch die Gastronomiebranche größtenteils nicht am Servicepersonal sparen: „Die Löhne sind gestiegen, von billiger Arbeitskraft kann nicht die Rede sein. Die Hotels und Gaststätten sind bereit, mehr in Bezahlung, Aus- und Fortbildung zu investieren“, versichert Hartges.
Auch der Bundesverband der Systemgastronomie (BdS) mit seinen rund 830 mittelständisch geprägten Mitgliedsunternehmen betont, dass die Wertschätzung von Servicekräften hoch sei. Man habe in den vergangenen Jahren intensiv daran gearbeitet, das Image der Branche zu verbessern und in großem Umfang in Personal investiert, unterstreicht Hauptgeschäftsführer Markus Suchert. Er ist überzeugt: „Guter Service ist das A und O. Die schicksten Restaurants bringen nichts, wenn dahinter nicht ein Team steht, das jeden Tag bestmöglichen Service bieten will.“
Zu bestmöglichem Service zählt auch, kommunikativ, höflich und aufmerksam zu sein. Das hatte schon Goethe in seinem Gedicht „Dem Kellner“ angemahnt: „Setze mir nicht, du Grobian, / Mir den Krug so derb vor die Nase! / Wer mir Wein bringt, sehe mich freundlich an, / Sonst trübt sich der Eilfer im Glase.“ Wortkarg auf den Tisch geknallte Getränke – das kommt auch heute noch durchaus vor.
Wohl jeder, der jemals in einem Lokal etwas zu essen oder zu trinken bestellt hat, ist schon mal an eine unfreundliche oder zumindest unaufmerksame Servicekraft geraten. Aber will man deshalb gleich den Job lieber selbst machen? Lustig gemeinte Schilder wie „Wir haben hier eine sehr freundliche Selbstbedienung“ erheitern den Gast allenfalls, wenn es auch eine sehr servicefreundliche Logistik gibt. Das bedeutet: klare Warteschlangeneinteilung für Bestellung und Bezahlung, übersichtliche Anordnung von Tabletts und Besteck. Hier taugen seelenlose Fast-Food-Filialen ausnahmsweise mal als Vorbild.
Personalmangel: KI gesteuerte Roboter als Kellner
Künftig könnte womöglich künstliche Intelligenz das Kellnern übernehmen. Zum Teil werden schon Roboter zum Kredenzen von Brot oder zum Abräumen eingesetzt. Doch Hartges sieht darin keinen kompletten Ersatz für guten Service. Die persönliche Ansprache sei unersetzlich: „Gäste wollen nicht versorgt, sondern verwöhnt werden.“