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Jahresverdienst 75.000 EuroKölner lebt von nur vier Stunden Arbeit pro Woche

Lesezeit 7 Minuten
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Philipp Maximilian Scharpenack arbeitet nur vier Stunden pro Woche und hat ein Jahreseinkommen von mehr als 75.000 Euro.

  1. Philipp Maximilian Scharpenack hat mit vier Stunden pro Woche ein Einkommen von mehr als 75.000 Euro.
  2. Im Gespräch hat der Kölner uns erklärt, wie ihm das gelingt – und wie das auch Ihnen gelingen kann.
  3. Seine abenteuerliche Lebensgeschichte hat er in einem Buch festgehalten.

Köln – Ein junger Typ, der vier Stunden arbeitet und gut davon leben kann. Vier Stunden pro Woche – nicht pro Tag. Da kann doch irgendwas nicht stimmen! Dahinter muss doch ein illegales Geschäft stecken. Ein krasser Social-Media-Werbe-Deal. Oder zumindest eine sehr betuchte Familie. Doch als Philipp Maximilian Scharpenack (34) in den Außenbereich des Cafés in Nippes kommt, sieht er weder wie ein Krimineller noch wie ein Superreicher aus: Weiße Sneakers, Jeans, Marken-Sweatshirt, Dreitagebart. Vor allem aber ist er freundlich. Offen. Zugewandt.

Den größten Teil seines Einkommens generiert Scharpenack mit Immobilien. 75.000 Euro verdient er so pro Jahr, dazu kommen noch mehrere tausend Euro aus anderen Projekten. Ein sehr gutes Leben für vier Stunden legale Arbeit pro Woche. Aber wie bitte soll das funktionieren?

Um beruflich dort hinzukommen, muss man verstehen, wo Scharpenack herkommt. Hineingeboren wird er tatsächlich in eine reiche Familie: Villa in Remscheid, Ferienhaus auf Sylt, Fuhrpark in der Garage, Pferde im Stall. Doch dann, mit zwölf Jahren der Schnitt: Der Vater verliert den größten Teil seines Vermögens, die Eltern lassen sich scheiden, Umzug. Als Scharpenack 16 Jahre alt ist, stirbt der Vater an Krebs. Er war hoch verschuldet und hinterlässt dem Sohn nur eine Armbanduhr.

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Jobben statt lernen

In der Oberstufe jobbt Scharpenack anstatt fürs Abi zu lernen: Schichten an der Tankstelle, Regale einräumen im Supermarkt, Putzen in einer Therapeuten-Praxis. Scharpenack weiß, was harte Arbeit bedeutet. „In meiner Schulzeit habe ich für sechs Euro pro Stunde gearbeitet, damals gab es noch keinen Mindestlohn“, erinnert er sich. „Doch schon da dachte ich mir: Das muss doch cleverer gehen!“ Nach dem Abitur mit einem Notendurchschnitt von nur 3,3 und einigen gescheiterten Bewerbungen an Privatunis entschließt er sich, etwas zu verändern. Er fliegt nach China. Ohne Plan, ohne Sprachkenntnisse, ohne Job. Das Geld für den Flug hat er Dank eines Praktikums angespart. Philipp Maximilian Scharpenack springt einfach ins kalte Wasser. Und er wird es in den folgenden Jahren noch häufiger tun. „Am Anfang steht der Mut, und am Ende wartet das Glück“, sagt Scharpenack.

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Meistens zumindest. Denn das Start-Up, das er in China gründet, misslingt: Scharpenack lässt von chinesischen Schneiderinnen Maßanzüge für 50 Euro anfertigen – und verkauft sie für 500 in Deutschland. Anfangs ist das Projekt sehr erfolgreich, scheitert dann aber an logistischen Gründen. Scharpenack kehrt pleite nach Deutschland zurück. „Doch ich wusste, dass ich auf dem richtigen Weg bin“, sagt er heute. Sein Blick ist fest. Er steht zu den Rückschlägen, sieht sie gar als Chance. Irgendwie gelingt es ihm, immer das Beste aus den glücklichen Fügungen zu machen, die sich ihm bieten. Er greift das Glück mit den Händen.

Eine neue Idee

Und im Gepäck aus China hat er eine Idee für ein weiteres Start-Up: Schon in der Oberstufe hatte Scharpenack das Buch „Die 4-Stunden-Woche“ von Timothy Ferriss gelesen. In China traf er nun jemanden, der dieses Konzept lebte: Ein Brite mietete Wohnungen in Shanghai an, richtete sie ein und vermietete sie für mehr Geld an Studenten aus dem Ausland weiter.

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Philipp Maximilian Scharpenack

Nach seiner Rückkehr 2009 adaptiert Scharpenack das Konzept für Köln und gründet mit einer Partnerin eine eigene Firma. An der Uni Köln beginnt er BWL zu studieren – das Studium hat er nie abgeschlossen. Doch seine zunächst winzige Wohnungsfirma wächst in den kommenden elf Jahren. Heute werden über „Schavel“ 86 moderne, möblierte Apartments verteilt auf ganz Köln vermietet. Über „Schavel“ bekommt Scharpenack noch heute einen Teil seines festen, passiven Einkommens.

80 Stunden Arbeit pro Woche

In den kommenden Jahren gründet er – immer mit wechselnden Partnern – weitere Firmen: Die Netzwerkveranstaltung „Gründerpokern“, die es heute noch gibt, sowie die Marke „Suckit“ – alkoholische Cocktails als Wassereis. Außerdem erwirbt er mit Hilfe eines riesigen Kredits ein 1,8 Millionen teures Wohngebäude am Hansaring. Doch statt vier Stunden arbeitet Scharpenack nun 80 pro Woche, Wochenenden gibt es kaum noch.

Eines Morgens, nach nur drei Stunden Schlaf, geht plötzlich nichts mehr. Er sagt alle Termine ab, fährt nach Sylt. „Da habe ich gemerkt: Ich hab doch schon genug für mein passives Einkommen“, erzählt Scharpenack. Er verkauft seine Anteile an „Suckit“ und erwirbt mehr Immobilien, mittlerweile besitzt er 50 Eigentumswohnungen in Köln. Er selbst wohnt am Rudolfplatz.„Dann habe ich beschlossen: Ab jetzt mache ich nur noch das, was mir Freude macht.“ Als er das sagt, sieht Scharpenack so beseelt aus wie ein Großstädter nach der Yoga-Stunde: Er ruht in sich, ist völlig überzeugt von seinem Lebenskonzept. Aber er weiß auch, dass er oft zur richtigen Zeit am richtigen Ort war.

Lieblingsbeschäftigung: Reisen

Orte besucht er in den nächsten Jahren übrigens noch viele: 30 Länder bereist Scharpenack in drei Jahren. Südafrika, Mosambik, Peru, Neuseeland, Fidschi. Was er noch macht: Er schreibt ein Buch über sein Leben mit der Vier-Stunden-Woche und startet einen Podcast. Ansonsten liest Scharpenack viel, spielt Basketball, ist in der Natur oder denkt einen ganzen Tag lang über neue, kreative Projekte nach.

Das Buch

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Philipp Maximilian Scharpenack: „Life to the Max: Meine abenteuerliche Reise zu einem Leben mit nur vier Stunden Arbeit pro Woche“, FinanzBuch Verlag, 256 Seiten, 17,99 Euro

Und doch war auch er anfangs überfordert von der vielen Zeit – auch von der fehlenden Tagesstruktur. „Mittlerweile habe ich mir Routinen angewöhnt – aber manchmal ist Nichtstun eben auch schön.“ Und wenn Freunde ihm erzählen, dass sie am Morgen nach Holland wollen, fährt er kurzerhand mit. „Das ist ein Gefühl von grenzenloser Freiheit, tun und lassen zu können, was ich will. Die meisten kennen das gar nicht mehr.“ Dabei ist Scharpenack nicht anspruchsvoll, auf Reisen übernachtet er gerne in Hostels. Er kann die Menschen nicht verstehen, die immer nur mehr und noch mehr wollen. „Ich brauche keine Rolex, kein Penthouse, kein teures Auto.“ Und doch braucht man ja die Armbanduhr, die Mietwohnung, das Fahrrad. Wer in unserer Gesellschaft halbwegs gut leben und eine Familie ernähren will, muss Geld verdienen. Nicht jeder käme mit so einer Vier-Stunden-Woche über die Runden. Oder?

„Es geht ja gar nicht so sehr um die vier Stunden, sondern vor allem um Effizienz“, verdeutlicht Scharpenack. Er selbst zählt Dinge wie sein Buch zu schreiben übrigens nicht zu den vier Stunden Arbeit. „Das ist Vergnügen. Zur Arbeit gehören für mich die Sachen, die keinen Spaß machen: Rechnungen, Steuer, stressige Telefonate.“ Aha, einen kleinen Haken hat die Sache also doch. „Es geht darum, das Maximale in der minimalen Zeit zu schaffen.“

Handy weg und wirklich konzentrieren

Scharpenack erzählt von Menschen, die eine Stunde effizient arbeiten und die anderen sieben im Büro zugegen sind. „Wenn man das Handy ausmacht und sich wirklich konzentriert, merkt man, wie viel man in einer sehr kurzen Zeit schafft.“ Diese effiziente Arbeitsweise funktioniert letztlich aber nur für Selbstständige oder solche Festangestellten, die nicht nach Zeit, sondern projektbezogen arbeiten. Im produzierenden Gewerbe, im Gesundheitswesen, in Schulen sind solche Arbeitsweisen natürlich nicht möglich. Trotzdem: Scharpenack glaubt fest daran, dass sich das Arbeiten in Zukunft weiter vom klassischen Nine-to-Five-Bürojob wegbewegt, hin zu flexibleren Zeitmodellen und Orten.

Bis die Wirtschaft so weit ist, will er die Menschen inspirieren, ihr Leben selbst zu ändern. „Mein Rat ist: Schreib’ all deine Ängste auf. Was ist das Schlimmste, das dir passieren kann? In der Regel stellt sich heraus: Das ist gar nicht so viel.“ Scharpenack empfindet es nicht als Stigma zu sagen: Ich habe gerade keinen Job, arbeite aber konkret an einer neuen Idee. „Letztlich tauschen wir im Beruf Zeit gegen Geld“, sagt er. „Und Zeit ist doch das Wertvollste, was wir haben.“ Mit seinen 34 Jahren scheint Scharpenack bei sich angekommen zu sein – und gleichzeitig mitten auf dem Weg. Ein Gespräch mit ihm hinterlässt einen nachdenklich. Und voller Tatendrang.