In Köln und Düsseldorf fehlen nach Gewerkschaftsangaben weiterhin zahlreiche Mitarbeitende. an den Sicherheitskontrollen.
Alles Panikmache? Mitnichten.
Köln/Düsseldorf – Sobald vor den Sicherheitskontrollen an den Flughäfen Köln/Bonn oder Düsseldorf mal wieder das Chaos ausbricht, macht sich Özay Tarim auf den Weg, um die Warteschlangen abzulaufen und alles auf die Sekunde genau zu dokumentieren. Der Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi achtet bei seinem langen Marsch durch die Terminals peinlich darauf, dass auf den Videos keine Passagiere zu erkennen sind.
Am vergangenen Samstag, 10.17 Uhr, startet er in Köln/Bonn mal wieder seinen Recherchelauf. Fünf Minuten und 49 Sekunden dauert es, bis Tarim vom Ende der Schlange in Terminal 2 an der Sicherheitskontrolle in Terminal 1 angekommen ist. Für die Passagiere bedeutet das rund 90 Minuten Wartezeit. Das ist keine Schätzung von Tarim, sondern die offizielle Warnung auf dem Twitter-Profil des Flughafens. Wenn Tarim mal nicht kann, schickt er einen Vertreter.
Am Flughafen Köln/Bonn fehlen nach Gewerkschaftsangaben weiterhin 100 bis 120 Mitarbeitende
„Wir müssen das tun, gerade jetzt nach den Sommerferien, weil wir das Gefühl, haben, dass die Sicherheitsfirmen und die Bundespolizei als Auftraggeber die Probleme herunterspielen wollen“, sagt Tarim. „Sie argumentieren mit einem hohen Krankenstand, der so nicht vorhersehbar war, als sei das eine Ausnahmesituation und ansonsten alles in Ordnung.“
Mit den Videos will Verdi dokumentieren, dass die Missstände an den beiden großen NRW-Flughäfen keine Ausreißer sind, sondern strukturelle Gründe haben und deshalb das Kontrollsystem zu den Stoßzeiten regelmäßig vor dem Zusammenbruch steht.
Sommerferien-Chaos wird sich sehr wahrscheinlich wiederholen
In Köln fehlen nach Gewerkschaftsangaben weiterhin 100 bis 120 Mitarbeitende, in Düsseldorf sind es 400 bis 500. „Wie hoch die Belastungen unserer Kollegen und Kolleginnen sind, kann man anders nicht dokumentieren. Sonst kriegen wir das nicht vermittelt. Wir schicken die Dokumentationen auch an das Bundesinnenministerium. Wir haben das Gefühl, man hat sich der Situation ergeben und hofft, mit dieser Flickschusterei irgendwie über die Runden zu kommen.“
Vier Wochen vor Beginn der Herbstferien steht für Özay Tarim und die Verdi außer Frage, dass sich das Chaos der Sommerferien zumindest zu den Spitzenzeiten an beiden Flughäfen wiederholen wird. „Wir können keine Entwarnung geben. Wir sehen keine Welle von Neueinstellungen.“
Ausbildung dauert mindestens zehn Wochen
Selbst wenn es die gäbe, für die Herbstferien käme sie viel zu spät. „Die Ausbildung von Luftsicherheitskräften dauert mindestens zehn Wochen“, sagt Tarim. Natürlich versuchten die Flughafenbetreiber alles Menschenmögliche, um die Lage durch den Einsatz von Hilfskräften bei der Einweisung und der Rückführung der Plastikwannen an den Kontrollstellen in den Griff zu kriegen. „Jetzt hoffen alle, dass es in den Herbstferien nicht zu voll wird. Mit Glück oder Pech kann man keinen Flughafen organisieren.“
Ist das alles nur Panikmache einer Gewerkschaft, die seit Jahren dafür kämpft, die Sicherheitskontrollen an den Flughäfen knapp 25 Jahre nach der Privatisierung wieder in staatliche Hände zu legen? Mitnichten.
Düsseldorfs Flughafenchef: Schwierige Bedingungen
Selbst Düsseldorfs Flughafenchef Thomas Schnalke hat gleich nach dem Chaos in den Sommerferien gewarnt, dass sich die Lage so schnell nicht beruhigen wird. „Ich kann den Ärger vieler Passagiere absolut verstehen und mich nur noch einmal für die Unannehmlichkeiten entschuldigen. Aber zur Wahrheit gehört leider auch, dass die Rahmenbedingungen schwierig bleiben und die aktuelle Situation bis in den Herbst hinein anhalten wird.“
Schnalkes Aussage habe nach wie vor Gültigkeit, bestätigt ein Flughafensprecher, auch wenn die Lage nicht mehr so „extrem angespannt“ sei. Für September erwarte man 1,7 Millionen Passagiere und damit rund 70 Prozent des Vor-Corona-Niveaus. Die Prognose für Oktober liege noch nicht vor. Im Juli wurden in Düsseldorf 1,9 und im August rund 1,8 Millionen Fluggäste abgefertigt. In den Herbstferien könne es „zu Spitzenzeiten durchaus zu langen Wartezeiten kommen“.
Die offizielle Stellungnahme des Flughafens Köln/Bonn ist sehr zurückhaltend. Die Situation habe sich „in den vergangenen Wochen trotz eines weiterhin hohen Reisendenaufkommens sichtbar verbessert. Wartezeiten konnten deutlich verkürzt und weitgehend normalisiert werden. Lediglich in vereinzelten Spitzenzeiten kam es zuletzt bei nicht ausreichender Besetzung von Kontrollspuren durch den Dienstleister zu längeren Wartezeiten“, heißt es in einer schriftlichen Stellungnahme.
„Auch mit Blick auf die Herbstferien und den damit verbundenen Verkehrsspitzen arbeiten Flughafen und alle Prozessbeteiligten weiterhin intensiv daran, allen Fluggästen einen angenehmen Reisestart ohne lange Wartezeiten zu ermöglichen.“
Flughafen Köln/Bonn verweist auf Bundespolizei
Für die Organisation des Sicherheitsdiensts, so der Flughafen-Betreiber, sei man nicht verantwortlich. Das sei eine hoheitliche Aufgabe, die in der Verantwortung der Bundespolizei liege. „Wir sind an den Kontrollen nicht aktiv beteiligt.“
Fest steht: Der Flughafen wird an seiner Strategie festhalten, alle Passagiere nur noch an der zentralen Kontrollstelle in Terminal 1 abzufertigen. Sie verfüge über „ausreichend Kontrollspuren und Kapazität, um Spitzenzeiten und hohe Fluggastzahlen abzudecken“.
Aus Sicht der Gewerkschaft ist der eklatante Personalmangel eine Folge der miserablen Arbeitsbedingungen. „Die Sicherheitsfirmen werden pro abgefertigten Fluggast bezahlt. Deshalb ist es sehr lukrativ, dass mit möglichst wenig Personal zu tun“, sagt Özay Tarim.
Gewerkschaftschef fordert: Schluss mit der Privatisierung
Neue Stellen würden deshalb grundsätzlich nur in Teilzeit ausgeschrieben, um in schwächeren Reisemonaten nicht zu viele Mitarbeitende bezahlen zu müssen. In Köln/Bonn seien selbst zu Spitzenzeiten maximal neun der 18 Kontrollstellen besetzt. „Wenn es gut läuft. Manchmal sind es auch nur vier.“ Weil die Unternehmen einen 24-Stunden-Betrieb garantieren müssen, sei die Personaldecke viel zu kurz.
Der Bundespolizei stößt das ganze Thema sauer auf. „Dass die Flughafenbetreiber behaupten, das sei allein unser Problem, stimmt nicht“, poltert Heiko Teggatz, Vorsitzender der Bundespolizeigewerkschaft. „Wir haben den gesetzlichen Auftrag, die Durchführung der Sicherheitskontrollen in Auftrag zu geben. Die Bundespolizei wird eins nicht tun: Lockerer kontrollieren und Sicherheitsrisiken eingehen. Da sind die privaten Firmen, die Flughafenbetreiber und die Airlines in der Pflicht. Sie hätten etwas ändern müssen und haben das nicht getan.“
Man bleibe bei der Forderung, die Luftsicherheit weg von den Privatunternehmen in halbstaatliche Sicherheitsgesellschaften zu legen. „Es geht nur nach dem bayrischen Vorbild. Die Technikbeschaffung kann privat bleiben, aber das Personal gehört in die öffentliche Hand“, sagt Teggatz. „Das wäre ein attraktiver Arbeitgeber, bei dem sich Menschen bewerben können. Ohne vernünftige Arbeitsbedingungen sehe ich echt schwarz.“
Noch in den Sommerferien habe Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) „vollmundig zu einem Arbeitskreis mit allen Beteiligten eingeladen, bei dem das Thema auf den Tisch sollte. Den gibt es bis heute nicht.“
Auf Anfrage teilt das Bundesinnenministerium mit, dass es während der Sommerferien "nur an einem Drittel der Standorte und auch nur zu bestimmten Zeiten zu längeren Wartezeiten" gekommen sei. Vor allem die "vermehrte Mitnahme von Gepäck als Handgepäck" habe teilweise zu einer Verdoppelung der Kontrollzeiten geführt. Auch die Herbstferien "werden sicherlich herausfordernd", heißt es in der Stellungnahme. Man sei aber zuversichtlich, "dass es den Fluggesellschaften und Flughafenbetreibern nunmehr gelingt, stabile Vorprozesse zu gewährleisten."
Der Bund habe während der Pandemie dafür Sorge getragen, dass bei den Sicherheitsdienstleistern keine betriebsbedingten Kündigungen erfolgen mussten. Bis 85 Prozent des Personals sei noch vorhanden. Die Frage einer Entprivatisierung "wird zu gegebener Zeit eventuell geprüft werden."