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„Hart aber fair“Lauterbach und Kubicki mit Schlagabtausch zu ersten Mallorca-Flügen

Lesezeit 5 Minuten
hart aber fair plasberg

„Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg

Köln/Berlin – Flugreisen und Familienfeiern, Grundschulen und Hobby-Fußball: Nach und nach lockern die Länder die Maßnahmen gegen das Coronavirus, teilweise wirkt es schon vergessen. Kommt also nun der Sommer der Entspannung? Das wollte Moderator Frank Plasberg am Montagabend in einer neuen Ausgabe von „Hart aber fair“ klären. Der Sendungstitel: „Der Sommer der Entspannung – kann man das Virus erstmal vergessen?“

Dafür hätte sich der Moderator einen besseren Zeitpunkt kaum aussuchen können. Am heutigen Montag liefen viele Reisewarnungen aus, Deutschland öffnete die Grenze zu den Nachbarländern. So begann die Sendung mit Bildern aus dem ersten und ausgebuchten Flugzeug nach Mallorca. Jetzt also Urlaubs-Feeling, oder wie?

Im zweiten Teil nahm die Sendung zudem noch eine unerwartete Abbiegung. Ein Zuschauer fragte: Wieso sind Demonstrationen mit tausenden Teilnehmern erlaubt?

Alles zum Thema Hart aber fair

Die Gäste und ihre Beiträge

Karl Lauterbach

Der Kölner SPD-Politiker ist derzeit ein häufiger Gast in fast jeder Talkshow des Landes. Als Bundestagsabgeordneter, Mediziner und Gesundheitswissenschaftler vereint er viele Kompetenzen. Gleich zu Beginn der Sendung machte Lauterbach deutlich, dass er die vollen Flugzeuge für „Experimente“ halte. Er würde sich derzeit nicht in einen vollen Urlaubsflieger setzen und könne jedem nur raten, das auch nicht zu tun. Dass seine Kompetenzen geschätzt werden, wenn auch nicht jeder seine Meinung teilt, wurde zum Ende der Sendung deutlich.

Wolfgang Kubicki

Der zweite Politiker des Abends, doch wohl eher Lauterbachs Gegenspieler in der Sendung: Der FDP-Vizevorsitzende Wolfgang Kubicki ist Vizepräsident des Deutschen Bundestags und tritt seit 2017 seine dritte Amtszeit als Bundestagsabgeordneter an. Kubicki steuerte gleich zu Beginn gegen Lauterbach: „An einem Verkehrsunfall zu sterben, hat sicher ein ähnliche Wahrscheinlichkeit wie derzeit an dem Coronavirus“, stellte er in den Raum. Außerdem argumentierte er, dass man die Freiheit von Hunderttausenden nicht dermaßen beschneiden könne, wenn es nur noch so wenige Infektionsfälle in Deutschland gäbe.

Christina Berndt

Die Journalistin arbeitet bei der „Süddeutschen Zeitung“, vor allem zu den Themen Medizin, Psychologie und Lebenswissenschaften. Sie hat diverse renommierte Preise, speziell im Wissenschaftsjournalismus gewonnen. In der Sendung schlug sie sich früh auf Lauterbachs Seite, sie sehe ein großes Risiko. Berndt argumentierte nachvollziehbar und führte an, dass ein Großteil der Bevölkerung die Maßnahmen gegen das Coronavirus unterstützen würde – ein Aspekt, der ansonsten in der Sendung zu kurz kam. Von den ständigen Unterbrechungen von Wolfgang Kubicki ließ sie sich nicht aus der Fassung bringen.

Norbert Fiebig

Der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV) vertat die Seite der deutschen Reisewirtschaft. Fiebig betonte, dass es sich um einen Test handelt, viele Sicherheitskonzepte am Flughafen umgesetzt würden und erst später der normale Flugbetrieb wieder aufgenommen werde. Doch es komme auch auf die Reisenden an, die sich an die Maßnahmen halten müssten. „Was wir auf keinen Fall brauchen, ist eine zweite Welle“, sagte Fiebig. Er forderte mehr Engagement von der Politik, um Reiseunternehmen zu unterstützen.

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Stephan Grünewald

Der Diplom-Psychologe aus dem Rheinland hat das Kölner Rheingold-Institut mitbegründet, das seit 30 Jahren Marktforschung betreibt. Die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ bezeichnete ihn einmal als „Pychologen der Nation“. In der Sendung erklärte er, dass es sich mittlerweile zwei Fronten gebildet haben: Die Menschen, die sich an alle Maßnahmen halten und eventuell darüber hinausgehen und die Gruppe von Personen, die Grünewald als „freiheitsliebend“ beschrieb. Außerdem erleben wir laut Grünewald eine Ohnmacht. Und aus dieser Ohnmacht versuchen wir auszubrechen, etwas bewegen – etwa bei Demonstrationen.

Anna Oelmann

Die Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen hatte in der Sendung eher eine geringe Rolle. Rund um das Thema Reise informierte sie aus Verbraucherinnen-Sicht. Sie zeigte, dass bei den Reise-Veranstaltern offenbar ein Umdenken stattgefunden habe, sie würden sich laut Oelmann häufiger kulant zeigen.

So lief die Diskussion

Noch bevor alle Gäste vorgestellt waren, kam es zu Runde eins der Diskussion: Lauterbach gegen Kubicki, Runde eins. Während SPD-Mann Lauterbach die Gesundheitsrisiken anführte, argumentierte Kubicki mit dem geringen Risiko für den Einzelnen.

Und dann: Runde zwei! Nach einem Exkurs über die Staatshilfen für die von der Krise betroffenen Reiseunternehmen und Fluggesellschaften, waren sich Kubicki und Lauterbach plötzlich sehr einig: Großdemonstrationen – auch wenn sie für die gute Sache sind – sind ein großes Gesundheitsrisiko.

Das Problem: Der verbale Kampf hätte noch hunderte Runden haben können, zu einem Knockout oder einer versöhnlichen Umarmung wäre es wohl nicht mehr gekommen. Dafür waren die Positionen der Gäste auch schon vor Sendungsbeginn zu verschieden.

So verhielt sich Moderator Frank Plasberg

Schon früh in der Sendung war klar, dass es zwei Lager der Gäste gab. Befürworter der Risikominimierung, geführt von Karl Lauterbauch und das Lager der Wirtschaft, allen voran Wolfgang Kubicki. Plasberg ermöglichte allen Gästen Redeanteile, beide Lager wurden gehört. Eine kleine technische Panne des Studio-Sounds kaschierte Plasberg souverän.

Ein wenig bizarr wirkte dagegen der Umgang mit Psychologe Grünewald, der via Monitor und Videoschalte an der Talkrunde teilnahm. Wegen der zeitlichen Verzögerung kam es mehrfach zu Unterbrechungen und häufig, wenn Grünewald ansetzte die Psychologie hinter der Krise zu erklären, wurde er abgewürgt. Eine verpasste Chance.

Was haben wir gelernt?

Gegen Rassismus demonstrieren ist gut. Aktuell mit Zehntausenden gegen Rassismus zu demonstrieren, ist ein gesundheitliches Risiko. Sollte man es trotzdem tun? Auf diese Frage fand die Talkrunde keine eindeutige Antwort.

Eindeutige Antworten fanden die Gäste aber zum Thema Flugreise, nur leider jeder und jede für sich. Während Karl Lauterbach sich deutlich gegen vorzeitige Reisen wegen eines Risikos der zweiten Infektionswelle positionierte, ist für Wolfgang Kubicki klar, dass die Ansteckungsgefahr so gering sei, dass Reisen möglich sein müssten.

So hat der Zuschauer 75 recht unterhaltsame Minuten erlebt, klare Antworten auf die Fragen gab es aber kaum. Es bleibt ähnlich wie in der Sendung: Jeder und jede entscheidet für sich. Schade, da sich das Virus wohl nur gemeinschaftlich besiegen lässt.