AboAbonnieren

„Hart, aber fair“ zum Fall NawalnyZuschauer weisen Gäste auf Vorverurteilung hin

Lesezeit 2 Minuten
5FA2480098800DF0

Frank Plasberg

Den womöglich einfallsreichsten Satz dieses Talks steuerte der russland-erfahrene Journalist Udo Lielischkies bei: „Es war immer schon teurer, morgens in den Spiegel gucken zu können.“ Zu übersetzen im Sinn des Rahmenthemas war er wohl dergestalt: Nach dem Giftangriff auf Alexei Nawalny muss der demokratische Westen klare Kante gegen Putins Russland zeigen – auch um den Preis, damit die eigenen (wirtschaftlichen) Interessen zu schädigen.

Die Frontbildung in der Runde war darob schnell konturiert. Hier die Gesinnungsethiker in Gestalt von Lielischkies und der Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbrock, dort die Verantwortungsethiker, vertreten durch Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier („Sanktionen bringen Diktatoren erfahrungsgemäß nicht zum Einlenken“) und den früheren, für seine 90 Jahre bemerkenswert fitten „Zeit“-Chefredakteur und -Herausgeber Theo Sommer („Jetzt nicht gleich die Dicke Bertha rausholen!“). Und dazwischen der deutsch-russische Autor Wladimir Kaminer als temperamentvoll-irrlichterndes und argumentativ nicht ganz konsistentes Rumpelstilzchen.

Plasberg ohne Mühe mit wenig erregten Gästen

Die einschlägigen Argumentationen fuhren freilich in sattsam bekannten Bahnen – was nicht verhinderte, dass sie zum Teil diffus ineinanderflossen. Die Frage einer moralisch konditionierten Antwort an Putin zum Beispiel hat nichts damit zu tun, ob das zur Disposition stehende Nord Stream 2-Projekt energiepolitisch überflüssig und also unsinnig ist oder nicht. Letzteres ist (siehe den zitierten Satz von Lielischkies) im Moral-Kontext kein Argument mehr für oder gegen irgendetwas. Immerhin wohnte den unterschiedlichen Standpunkten diesmal eine nur geringe Erregungsintensität inne, so dass es Moderator Frank Plasberg keine Mühe bereitete, die Ruhe im Karton zu bewahren.

Alles zum Thema Hart aber fair

Neben der mäßigen Originalität der vorgebrachten Standpunkte konnte ein fehlerhaftes Basisdesign des Gesprächsverlaufs missfallen. Die Sendung „als solche“, „Frau Sendung“ sozusagen, tat so, als sei Putin als Auftraggeber des Mordanschlags auf Nawalny zweifelsfrei ermittelt (anders wäre auch die Einbeziehung des Themas Belarus im letzten Teil sinnlos gewesen). Das aber ist nicht der Fall – worauf die Anwesenden erst die Zuschauerreaktionen hinweisen mussten.

Ist Putin so viel Dummheit zuzutrauen?

Tatsächlich spricht viel dafür, dass die Auftraggeber und Hintermänner im Kreml oder in Kreml-Nähe sitzen – aber bewiesen ist es nicht. Man könnte sogar fragen: Ein gescheiterter Giftangriff auf einen renommierten Oppositionellen – ist Putin so viel Dummheit zuzutrauen?

Immerhin denkbar sind auch sehr andere Interessen ganz anderer Leute – solcher etwa, die um jeden Preis das Nord Stream 2- Projekt sprengen wollen. So widerfuhr dieser „Hart, aber fair“-Ausgabe das Missgeschick eines klassischen Zirkelschlusses: Was erst bewiesen werden müsste, wird vorausgesetzt.