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XL-Sendung „Hart aber fair“Plasberg zeigt apokalyptische Szenen zum Coronavirus

Lesezeit 6 Minuten
Plasberg haf

„Hart aber fair“-Moderator Frank Plasberg führte durch die Sendung zum Thema Coronavirus.

  1. Bei „Hart aber fair“ sollte zur Primetime in einer extra-langen Sendung zum Coronavirus diskutiert werden.
  2. Doch zu einer Diskussion kam es kaum – stattdessen wurde die Talkrunde eher zur Sprechstunde. Die gute Experten-Runde beantwortete Corona-Fragen der Zuschauer und des Moderators Plasberg.
  3. Die Kritik zu einer XL-Sendung, die wenig Neues erzählt und trotzdem vieles richtig gemacht hat.

Köln – „Diese Sendung soll Orientierung bieten.“ Frank Plasberg startete mit großen Worten in die extra-lange Ausgabe von „Hart aber fair“. Zwei Stunden Sendezeit für die Frage: „Zwischen Hysterie und begründeter Angst: Wie gefährlich ist das Coronavirus?“. Also endlich ein Wegweiser im Corona-Wirrwarr? Die Kritik zur XL-Sendung.

Doch bevor es mit der gewohnten Talkrunde und der „Orientierung“ los ging, zeigte die ARD eine 30 minütige Reportage, die die aktuelle Situation des Coronavirus in Deutschland darstellen sollte.

Hart aber fair: Corona-Reportage startet mit apokalyptischen Szenen

Noch bevor die TV-Zuschauer richtig auf der Couch Platz genommen hatten, bekamen sie statt Popcorn apokalyptische Szenen: Gangelt im Kreis Heinsberg. Wohl der Virus-Ausbruchsort in NRW. Graue, menschenleere Straßen, ein neunjähriger Bonner in Quarantäne, knappe Vorräte, Medizin und Mundschutze. Und dann muss auch noch der Arzt der Gemeinde in medizinische Isolation. Die Lage in Gangelt ist sicher nicht zu verachten, doch die Darstellung in der Reportage wirkt überzeichnet.

Alles zum Thema Hart aber fair

Im Corona-Drama darf natürlich auch ein Supermarktleiter nicht fehlen, der von Hamsterkäufen berichtet. Konserven, Desinfektionsmittel, Pasta. Und vor allem Toilettenpapier. Der Marktleiter konstatiert: „Am Wochenende haben sie den Laden komplett leergeräumt.“

Doch dann ein Lichtblick. Wer bringt die Rettung aus der Apokalypse – zumindest in der Reportage? Tiefenentspannte Anhänger des 1. FC Köln, die trotz Ansteckungsgefahr bei Großveranstaltungen ins Stadion gehen. „Ich trotze der Grippe seit 70 Jahren“, sagt der eine, „Ich finde diese Hysterie übertrieben“, sagt der andere.

Immer wieder gibt es Interviews in der Reportage, die das von der Off-Stimme gezeichnete Bild kontrastieren. Der Tenor der Interviewten: Informieren und Ruhe bewahren, Hinweise beachten und Virus überstehen. Panik? Fehlanzeige. Am Ende der Reportage bleibt eigentlich nur eins hängen: Die Lage ist komplex. Es folgte die Diskussionsrunde – nun also die versprochene Orientierung?

Die Gäste und ihre Rolle in der Sendung

Karl-Josef Laumann (CDU), Gesundheitsminister des Landes NRW, ist seit 2017 im Amt. Der Politiker hatte in der Runde der medizinischen Experten einen schweren Stand, besonders weil er ihnen teilweise in ihrem Fachgebiet widersprach, ohne es mit Fakten belegen zu können. Er leistete sich zudem verbale Ausrutscher wie „Insolvenza hochsterilisieren“, die die Runde mit einem Grinsen quittierte. Laumann versuchte als Vermittler aufzutreten, der mit medizinischer Expertise berät, aber auch die Sorgen der Bürgerinnen und Bürger ernst nimmt. In den sozialen Netzwerken gab es viel Kritik für den Politiker während der Sendung.

Prof. Dr. Alexander Kekulé ist unter anderem Virologe, Facharzt für Mikrobiologie und Experte für Infektionsepidemiologie. Im Eröffnungsstatement setzte er gleich ein deutliches Zeichen: Großveranstaltungen müssten abgesagt werden, forderte der Virologe, nur so könne man die Epidemie rechtzeitig eindämmen. In der Sendung überzeugte Kekulé als kompetenter Studiogast mit praktischen Hinweisen, vielleicht auch deswegen hatte er deutlich die meisten Redeanteile. Scharfe Kritik übte er gegenüber China: Der Virologe sagte, dass er den Corona-Statistiken der Regierung nicht traue. Insgesamt wohl der stärkste Gast des Abends.

Dr. Susanne Johna war ebenfalls Teil der Gesprächsrunde. Die Internistin ist Spezialistin für Krankenhaushygiene und unter anderem Mitglied im Vorstand der Bundesärztekammer. In dem Talk argumentierte sie stark gegen Moderator Plasberg. Ihr Schlussappell: „Wir sollten die Situation jeden Tag neu bewerten, weil sie sich schnell verändern kann. Es gilt jedoch, Ruhe zu bewahren.“

Prof. Borwin Bandelow ist Psychiater und Neurologe. Der Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Göttingen ist außerdem spezialisiert auf Angsterkrankungen. Kam praktisch kaum zu Wort und wurde mehrfach von Plasberg unterbrochen. Eine vertane Chance, da besonders bei den Zuschauerfragen viele Sorgen mitschwangen, die der Angstexperte hätte beantworten können.

Annabel Oelmann ist Vorständin der Verbraucherzentrale Bremen. Sie informierte in ihrer kurzen Redezeit vor allem über die Stornierung von Reisen. So empfiehlt sie, dass Urlauber bei ihrem Reiseveranstalter nachfragen und sich über eine Stornierung informieren. Diese würden sich oft kulant zeigen.

Prof Dr. Joachim Kugler ist Gesundheitswissenschaftler an der TU Dresden. Während der XL-Sendung hatte er nur kurze Beiträge, diese saßen aber umso mehr. So kritisierte er etwa die Apotheken und die Pharmaindustrie scharf: „Es herrschen zwei Mentalitäten: Geiz ist geil und Just in time. Das fällt uns im Moment vor die Füße“. Ein Wachrüttler, für den er viel Applaus bekam.

Wie hat die Talkrunde diskutiert?

Moderator Frank Plasberg zeigte Bilder von leeren Supermarktregalen, fragte nach einem Gegenmittel gegen die Angst oder ob man überhaupt vernünftig durch Atemmasken atmen könne. Beim Zusehen wurde der Zuschauer oft das Gefühl nicht los, dass Plasberg dramatisierte.

Die Talkrunde, die hauptsächlich aus medizinischen Experten bestand, reagierte jedoch genau richtig – quasi dem Tipp, der auch gegen das Coronavirus selbst hilft: Ruhe bewahren. Auch bei provokanten Fragen. Stattdessen konterten vor allem Susanne Johna und Alexander Kekulé die Ängste mit Fakten und medizinischer Expertise.

Eine richtige Diskussion kam aber kaum auf, da fast alle Diskussionsteilnehmer einer Meinung waren und diese dem Publikum und dem Moderator präsentierten. War das schlecht? Nein, denn ein sachlicher Informationsfluss zum Coronavirus ist wichtig. Entsprechend unterhaltsam war die Sendung dann allerdings auch.

Welche Sorgen hatten die Zuschauer?

Die Experten-Runde hatte viele Fragen zu beantworten. Teilweise wirkte die Diskussion eher wie eine Sprechstunde beim Arzt. Drei exemplarische Fragen.

So wollte eine Zuschauerin etwa wissen, ob es Sinn macht, sich mit Symptomen ins volle Wartezimmer zu setzen. „Natürlich nicht“, antwortete Internistin Johna, „informieren Sie sich und lassen Sie sich zur Not telefonisch beraten.“

Eine andere Zuschauerin wollte wissen: „Was unterscheidet eigentlich die Grippe vom Coronavirus?“ Kekulé antwortete: „Die Symptome sind ähnlich. Die Ansteckungsgefahr beim Coronavirus für Einzelne ist gering, die Gefahr des Coronavirus liegt in seinem Potenzial.“ Man wisse noch zu wenig über das Virus und müsse deswegen eine Ausbreitung bestmöglich eindämmen.

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Und ein dritter Zuschauer fragte die Runde: „Helfen Atemschutzmasken oder nicht?“ Auch bei dieser Frage antwortete die Runde ruhig und sachlich, wenn auch mit leichtem Sprechstunden-Ton: „Das Coronavirus ist eine Tröpfcheninfektion, dabei kann eine Maske durchaus helfen“, so Kekulé. „Wenn ich eine Maske trage, dann schütze ich vor allem auch mein Gegenüber“, ergänzte Johna.

Viele weitere Fragen der Zuschauer wie etwa zur Stornierung von Reisen, Impfungen und chronischen Erkrankungen wurden ebenfalls beachtet.

Was haben wir über das Coronavirus und aus der Sendung gelernt?

Viel Neues hat die Talkrunde bei „Hart aber fair“ nicht gebracht – auch nicht in zwei Stunden Sendezeit. Und doch war die Sendung in vielen Teilen gut. Dafür sorgten vor allem Virologe Kekulé und Internistin Johna, die sachlich und mit angemessener Ruhe, Fakten und Hinweisen gegen die Sorgen argumentierten. Selbst die vereinzelt geworfenen verbalen Angst-Granaten des Moderators Plasberg brachten sie nicht aus der Fassung.

Stichworte Sorge und Angst: Sowohl in der 30-minütigen Reportage als auch in der „Hart aber fair“-Diskussionsrunde kommen immer wieder Szenen auf, die eine Sorge vor dem Coronavirus schüren oder zumindest begünstigen. Natürlich, Informationen und aktuelle Berichterstattung sind wichtig, auch um die Ausbreitung einzudämmen. Vielleicht täte öfter auch dem Moderator eine Ruhe wie die der Experten gut.