Freilassung abgelehntJulian Assange bleibt in Großbritannien in Haft
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London/Washington – Dem Jubel folgt für Julian Assange die Ernüchterung: Der Wikileaks-Gründer muss vorerst im Gefängnis bleiben. Ein Londoner Gericht lehnte am Mittwoch den Antrag der Verteidigung ab, den 49-Jährigen gegen Kaution oder unter Hausarrest aus dem Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh zu entlassen. Am Montag hatte dieselbe Richterin einen Auslieferungsantrag der USA gegen Assange abgelehnt.
Anhänger des gebürtigen Australiers reagierten entsetzt auf das neue Urteil. „Schande“, riefen sie vor dem Gerichtsgebäude. Mindestens ein Mensch wurde festgenommen, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur berichtete. Assanges Partnerin Stella Moris zeigte sich tief enttäuscht. „Julian sollte überhaupt nicht in Belmarsh sein“, sagte sie Journalisten und forderte den künftigen US-Präsidenten Joe Biden auf, Assange zu begnadigen.
Richterin Vanessa Baraitser hatte die Ablehnung der Auslieferung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen begründet, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Nun sagte sie, Assange könne im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh gut behandelt werden. Außerdem bestehe die Gefahr, dass Assange wie in der Vergangenheit versuche, zu fliehen. Gegen beide Urteile kann noch Berufung eingelegt werden.
Assange sitzt seit 15 Monaten in Belmarsh im Südosten Londons in Haft, weil er 2012 mit seiner Flucht in die ecuadorianische Botschaft gegen Kautionsauflagen verstoßen hatte. Kritiker bemängeln die Zustände in dem Hochsicherheitsgefängnis stark. Anwalt Edmund Fitzgerald wies vor Gericht darauf hin, dass es in Assanges Zellentrakt einen starken Corona-Ausbruch gegeben habe. Richterin Baraitser allerdings betonte unter Berufung auf aktuelle Zahlen der Gefängnisleitung, dass derzeit nur drei Gefangene infiziert seien.
Die US-Justiz wirft Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Er habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht. Seinen Unterstützern gilt er hingegen als investigativer Journalist, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat.
Richterin Baraitser betonte mit Blick auf ihr erstes Urteil: „Aus Fairnessgründen muss es den USA gestattet sein, meine Entscheidung anzufechten, und wenn Herr Assange während dieses Prozesses flüchtet, verlieren sie die Gelegenheit dazu.“ Assange verfüge weiterhin über ein riesiges Netzwerk, auf das er sich stützen könne, falls er erneut untertauchen wolle, begründete sie ihre Entscheidung.
Die Journalisten-Organisation Reporter ohne Grenzen kritisierte das Urteil scharf. Der Richterspruch sei „eine unnötig grausame Entscheidung“, twitterte die Londoner Vertreterin der Organisation, Rebecca Vincent. „Assange sollte nicht einen Moment länger ungerechtfertigterweise seiner Freiheit beraubt sein.“
Dennoch erwartet Reporter ohne Grenzen ein positives Ende des Verfahrens. „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass eine Berufung der USA Erfolg haben wird“, sagte Vincent noch vor dem neuen Urteil der Deutschen Presse-Agentur. „Ich sehe nicht, welche neuen Argumente die Anwälte vor Gericht einbringen könnten.“ Sie hofft, dass der gewählte US-Präsident Biden nach seinem Amtsantritt die Strafverfolgung Assanges beilegen könnte. Biden soll am 20. Januar in den USA vereidigt werden und damit die Ära Donald Trumps beenden.
Anwalt Fitzgerald hatte auch aus familiären Gründen für eine Freilassung plädiert. „Es ist die erste Möglichkeit, mit seinen jungen Kindern zusammenzuleben“, hatte er gesagt. Assange hat mit seiner Partnerin zwei Kinder, die während seines fast siebenjährigen Aufenthalts in der ecuadorianischen Botschaft geboren wurden. Damals lag gegen ihn ein europäischer Haftbefehl wegen Vergewaltigungsvorwürfen in Schweden vor. Die Ermittlungen wurden jedoch später eingestellt.
Ein Erfolg ist das Urteil für die USA. Deren Gerichtsvertreterin Clair Dobbin hatte erfolgreich vor einer Haftentlassung gewarnt. „Er hat gezeigt, dass er sehr viel auf sich nehmen kann, um einer Auslieferung zu entgehen“, sagte sie und verwies auch auf Hilfs- und Asylangebote vor allem lateinamerikanischer Staaten wie zuletzt Mexiko. Dobbin sagte, Assange habe das Vertrauen derjenigen ausgenutzt, die sich auf ihn verlassen hätten. Er betrachte sich als über dem Gesetz stehend.
Wikileaks-Gründer Julian Assange wird nicht an die USA ausgeliefert
Ein Gericht in London lehnte den US-Antrag am Montag ab. Richterin Vanessa Baraitser begründete ihre Entscheidung mit dem psychischen Gesundheitszustand Assanges und den Haftbedingungen, die ihn in den USA erwarten würden. Es sei damit zu rechnen, dass er sich in Isolationshaft das Leben nehmen werde. Erwartet wurde, dass die USA Berufung gegen das Urteil einlegen.
Vor dem Gericht feierten Anhänger des 49-Jährigen die Entscheidung mit Jubel und Freudensprüngen, wie eine Reporterin der Deutschen Presse-Agentur beobachtete. Assanges Verlobte Stella Moris, mit der er zwei kleine Kinder hat, brach nach dem Urteil im Gerichtsgebäude in Tränen aus. Seine Anwälte wollten die Freilassung auf Kaution fordern.
Edward Snowden lobt das Urteil
Die US-Justiz wirft dem gebürtigen Australier Assange vor, gemeinsam mit der Whistleblowerin Chelsea Manning - damals Bradley Manning - geheimes Material von US-Militäreinsätzen im Irak und in Afghanistan gestohlen und veröffentlicht zu haben. Es geht um Hunderttausende Dokumente. Der 49-Jährige habe damit das Leben von US-Informanten in Gefahr gebracht, so der Vorwurf. Seine Unterstützer sehen in ihm hingegen einen investigativen Journalisten, der Kriegsverbrechen ans Licht gebracht hat. Assange hätten in den USA im Fall einer Verurteilung bis zu 175 Jahre Haft gedroht.
Der Whistleblower Edward Snowden lobte das Urteil. Bei Twitter schrieb er: „Vielen Dank an alle, die sich gegen eine der gefährlichsten Bedrohungen der Pressefreiheit seit Jahrzehnten eingesetzt haben.“
„Ein wichtiger Schritt zu demokratischer Stabilität“
Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) reagierte „mit Freude und Erleichterung“. Der Richterspruch sei ein wichtiger Erfolg „für alle Journalistinnen und Journalisten, die mit brisantem Material arbeiten, an dessen Veröffentlichung Mächtige kein Interesse haben“, sagte der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall. Die Deutsche Journalistinnen- und Journalisten-Union (dju) betonte, dass eine Entscheidung für eine Auslieferung einer „Bankrotterklärung des Rechtsstaats“ gleichgekommen wäre.
Auch der außenpolitische Sprecher der Linke-Bundestagsfraktion, Gregor Gysi, betonte, die Ablehnung der Auslieferung „ist ein wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit, im Interesse der Pressefreiheit und zu demokratischer Stabilität“. Assange müsse so schnell wie möglich entlassen werden.
Richterin: Keine Beweise für Druck von Donald Trump
Allerdings machte die Richterin deutlich, dass der Fall nicht politisch motiviert sei. Assanges Verhalten sei über das normale Verhalten eines investigativen Journalisten hinausgegangen. Er sei sich der Gefahr für Informanten bewusst gewesen, als er deren Namen in den veröffentlichten Dokumenten nicht schwärzte. „Das Recht auf freie Meinungsäußerung bietet Menschen wie Herrn Assange keinen uneingeschränkten Ermessensspielraum, um über das Schicksal anderer zu entscheiden“, sagte die Richterin.
Es gebe zudem keine Beweise, dass die Regierung von US-Präsident Donald Trump Druck auf Staatsanwälte ausgeübt habe, betonte sie. „Es gibt wenig oder keine Anhaltspunkte dafür, dass Präsident Trump Herrn Assange oder Wikileaks feindlich gegenübersteht.“
Rechtsstreit um Julian Assange geht weiter
Der Rechtsstreit dürfte vorerst in Großbritannien weitergehen, denn gegen die Entscheidung kann Berufung eingelegt werden. Nach einer weiteren Instanz könnte das Verfahren vor den britischen Supreme Court gehen und schließlich den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg beschäftigen. Menschenrechtler, Politiker und Organisationen wie Reporter ohne Grenzen hatten zuvor gewarnt, Assange würde in den USA kein faires Verfahren bekommen.
Der Wikileaks-Gründer saß bereits seit rund eineinhalb Jahren im Hochsicherheitsgefängnis Belmarsh im Südosten der britischen Hauptstadt. Angesichts der Corona-Pandemie durfte er nur sehr eingeschränkt Besuch empfangen, auch Telefonate nach draußen waren nicht unbegrenzt möglich. Wegen eines Corona-Ausbruches im Gefängnis wurde zeitweise ein ganzer Block unter Quarantäne gestellt. Familienmitglieder sorgten sich seit langer Zeit um Assanges psychischen und gesundheitlichen Zustand. (dpa)