München/Köln – Das Rücktrittsangebot des Münchner Kardinals Reinhard Marx ist mit Respekt und Zustimmung aufgenommen worden. Die ehemalige Bundesbildungsministerin und Botschafterin beim Vatikan, Annette Schavan (CDU), bezeichnete den Schritt als „starkes Zeichen, das hoffentlich zu einem Beben in der katholischen Kirche“ führen werde.
„Kardinal Marx hat deutlich gemacht, dass es moralische und politische Verantwortung gibt, die nicht durch strafrechtliche Aufklärung ersetzt werden kann“, sagte Schavan. Marx hatte Papst Franziskus seinen Rücktritt vom Amt des Erzbischofs von München und Freising angeboten. Er zieht damit Konsequenzen aus dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.
Angebote des Rücktritts unter Eindruck der Beschuldigung
Nach Einschätzung des Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg, ist der Schritt von Marx deshalb außergewöhnlich, weil er nicht unter Druck zustande kam. „In München ist es so, dass hier wirklich aus ganz freier Entscheidung ohne Druck jemand gesagt hat: „Ich übernehme Verantwortung für das Systemversagen einer Institution, wofür ich stehe““, sagte Sternberg am Samstag im WDR.
Andere Bischöfe, die in der Vergangenheit ihren Rücktritt anboten, taten dies hingegen unter dem Eindruck konkreter Beschuldigungen. Zuletzt hatte der Hamburger Erzbischof Stefan Heße um seine Entlassung gebeten, nachdem ihm in einem Missbrauchsgutachten Pflichtverletzungen vorgeworfen worden waren.
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Aus Sicht der Reformbewegung „Wir sind Kirche“ ist das Rücktrittsgesuch von Marx auch ein Signal an Kölns Kardinal Rainer Maria Woelki und setzt diesen „gewaltig unter Druck“. Woelki scheint allerdings entschlossen, an seinem Amt festzuhalten. „Hier in unserem Erzbistum werde ich als Bischof alles dafür tun, dass die Aufarbeitung weiter geht und ich und wir dem Auftrag Jesu gerecht werden, die Schwachen zu schützen und Missbrauch zu verhindern. Dafür will ich meine ganze Kraft einsetzen“, versicherte Woelki am Wochenende in einer Botschaft für das Kölner Domradio.
Kritiker sehen viel Gründe für Woelkis Rücktritt
Woelki hätte für einen Rücktritt nach Meinung seiner Kritiker deutlich mehr Gründe als Marx. Das Verhältnis zwischen dem konservativen Kardinal und der Mehrheit der Gläubigen in seinem Bistum gilt als zerrüttet, in den vergangenen Monaten kam es zu einer Welle von Kirchenaustritten.
In seiner Erklärung lässt Woelki aber keinen Zweifel daran, dass er sich weiter an der Spitze des größten deutschen Bistums sieht: „Mit allen Kräften will ich mich dafür einsetzen, dass die Aufarbeitung weitergeht. Und ich will die Veränderung vorantreiben.“
Den Reformprozess der deutschen Katholiken, den Synodalen Weg, erwähnt Woelki mit keinem Wort. Marx und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hatten am Freitag betont, dass fundamentale Reformen für die katholische Kirche unerlässlich seien. Woelki gilt jedoch neben dem Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer als entschiedenster Bremser des Reformprozesses.
Woelki verweist auf weltweite Synode
Woelki verweist stattdessen auf die weltweite Bischofssynode, die der Papst angekündigt hat. „Diese Debatte ist auch dort richtig verortet, da wir eine Weltkirche sind.“ Woelki hatte in der Vergangenheit mehrfach davor gewarnt, dass der Synodale Weg der deutschen Katholiken zu einer Abspaltung von der Weltkirche führen könne. Bätzing hatte das entschieden zurückgewiesen.
Schavan, ehemals Vizepräsidentin des ZdK, zeigte sich zuversichtlich, dass der Synodale Weg weitergehen wird. „Der Einfluss derer, die keine Erneuerung der Kirche wollen, wird immer weniger relevant werden“, sagte sie.
Die Theologieprofessorin Julia Knop sieht den Synodalen Weg durch Marx' Rücktrittsangebot gestärkt. „Das ist für mich ein sehr starkes Zeichen, das jetzt Maßstäbe setzt“, sagte Knop, Mitglied der Vollversammlung des Synodalen Wegs, der Deutschen Presse-Agentur. „Endlich bekundet jemand nicht nur Bedauern, sondern zieht auch persönliche Konsequenzen.“
Der Synodale Weg beschäftigt sich seit Anfang des vergangenen Jahres mit der Position der Frauen in der Kirche, dem Umgang mit Macht, der katholischen Sexualmoral und der priesterlichen Ehelosigkeit (Zölibat). (dpa)