Köln-Porz – Die Notunterkunft mit 1500 Plätzen an der Messe: voll. Genauso wie die weiteren rund 1500 Plätze in anderen Unterkünften, die als Reserve dienen sollten. Doch es sind noch mehr Menschen zu erwarten, die aus der Ukraine fliehen und in Köln eine Bleibe finden sollen. Rund 10.000 werden es nach Schätzungen sein. Doch es fehlt an Plätzen. Die Kapazitäten sollen ausgebaut werden. Temporäre Bauten in der Nähe des Südstadions zum Beispiel sollen etwa 580 Personen beherbergen.
Grüne schlagen Praktiker-Baumarkt als Unterkunft vor
In einer Leichtbauhalle an der Vorgebirgstraße sollen 800 unterkommen. Zudem werden zahlreiche Betten in Hotels durch die Stadt angemietet. Wieso eigentlich nicht auf vorhandene Strukturen zurückgreifen, hatten sich die Grünen in der Bezirksvertretung Porz überlegt und den ehemaligen Praktiker-Baumarkt an der Friedrich-Naumann-Straße ins Spiel gebracht. Schließlich waren hier bereits von Dezember 2014 bis September 2018 rund 200 Geflüchtete untergebracht.
Den Vorschlag, von CDU, SPD und FDP in Porz mitgetragen, haben sie in einem offenen Brief an Oberbürgermeisterin Henriette Reker formuliert. „Mittlerweile ist es mir ja fast peinlich, dass wir das vorgeschlagen haben“, sagt Dieter Redlin, Fraktionschef der Grünen. Und das nicht, weil ein zur Notunterkunft umgebauter Baumarkt nicht wirklich eine tolle Bleibe ist, sondern weil das Gebäude innerhalb weniger Jahre mehr denn je „einem Rohbau“ ähnelt, sagt Redlin.
Undichtes Dach, Schimmel an den Wänden
Fehlender Brandschutz, fehlende Stromleitungen, ein undichtes Dach, Schimmel an Wänden und Boden – als Redlin Fotos aus dem Innern des Gebäudes gesehen hat, konnte er es kaum fassen. „Ich war geschockt, als ich die Bilder sah.“ Immerhin hatte die Stadt für den Ausbau ein beträchtliches Sümmchen springen lassen. „Die Baumarkthalle wurde mit einem Investitionsvolumen in Höhe von circa 1,47 Millionen Euro hergerichtet“, sagt eine Stadtsprecherin auf Anfrage.
Hinzukommen noch 3,9 Millionen Euro, die die Stadt bei einer Zwangsversteigerung für das Grundstück auf den Tisch gelegt hat, auf dem sich auch ein siebenstöckiges Bürogebäude befindet. „Es bestand eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für eine geänderte Nutzung der Gewerbegebäude als Notunterkunft“, teilt die Stadtsprecherin mit.
Praktiker-Baumarkt: Gebäude gammelt vor sich hin
Pläne, das Bürogebäude zu einem späteren Zeitpunkt vollständig zu einer Unterkunft umzubauen, damit die Menschen aus der Baumarkthalle dorthin verlegt werden können, wurden zu den Akten gelegt. Ein vollständiger Umbau wäre nicht wirtschaftlich gewesen. „Der Integrationsrat, der Ausschuss für Soziales und Senioren sowie der Rat haben im Juni/Juli 2018 beschlossen, die Planung daher endgültig einzustellen“, so die Stadtsprecherin.
Und seitdem gammelt das Gebäude vor sich hin. Was für die Stadt nicht mehr interessant zu sein schien, war es aber anscheinend für andere. „Das Objekt ist trotz baulicher Sicherungen durch Vandalismus und Metall- sowie Kabeldiebstahl erheblich in Mitleidenschaft gezogen worden“, so die Stadtsprecherin. Und sie bestätigt Redlins Einschätzung: „Es befindet sich aktuell in einem Zustand, der dem eines Rohbaus gleicht.“
Nutzung zur Unterbringung von Geflüchteten sei auszuschließen
Eine erneute kurzfristige Nutzung zur Unterbringung von Geflüchteten sei daher auszuschließen. Auch gebe es derzeit keine Planungen, den ehemaligen Baumarkt wieder zur Notunterkunft herzurichten. Denn das würde „erheblichen zeitlichen und finanziellen Aufwand bedeuten“, heißt es seitens der Stadt. Das Amt für Soziales, Arbeit und Senioren hatte Ende vergangenen Jahres einem Beschluss der Bezirksvertretung Porz schon einmal eine Absage erteilt.
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Auf Anregung der Grünen hatte das Gremium gefordert, den ehemaligen Praktiker-Markt als Winterhilfe zu nutzen. Damals war aber nicht von einem Zustand, der einem Rohbau gleicht die Rede. Sondern nur, dass das Gebäude „zur Beherbergung von Menschen in Obdachlosigkeit nicht geeignet“ sei. Das hätte schon eine Überprüfung in 2020 ergeben. Die Gebäudestruktur sei zu unübersichtlich und weitläufig.
Keine Unterbringung von Obdachlosen
Deswegen sei „ein enormer Bedarf an Sicherheitskräften notwendig“. Den Personalschlüssel lieferte das Amt damals direkt mit: Zwölf Vollzeitstellen im Dreischichtsystem rund um die Uhr, sieben Tage die Woche. Auch seien „Ertüchtigungen zur Einhaltung des Brandschutzes“, die sanitäre Ausstattung und die Personalakquise „zeitnah nicht umsetzbar“. Des Weiteren sei die Erreichbarkeit der Unterkunft für obdachlose Menschen aus dem gesamten Stadtgebiet „aufwendig umzusetzen“.
Verkauf des Gebäudes wird geprüft
„Wir haben ein Gebäude verloren, in das wir viel Geld investiert haben“, schimpft Dieter Redlin. Da sich in all den Jahren bis heute keine Entwicklung auf dem Gelände gezeigt habe, könne es nicht sein, dass die Stadt eines ihrer Gebäude einfach Vandalen und Kabeldieben überlasse. „Da kann man schon den Eindruck gewinnen, dass das Absicht ist“, so Redlin. Und was soll mit dem Gebäude passieren?
„Die Liegenschaftsverwaltung prüft auftragsgemäß die anderweitige Verwendung der Gebäude“, teilt die Verwaltung mit. Das könne auch eine Veräußerung sein. Und in Sachen Unterkunft für geflüchtete Menschen aus der Ukraine? Da konzentriere sich die Stadtverwaltung „auf die Herrichtung von kurzfristig nutzbaren Unterbringungsobjekten“.