Köln/Düsseldorf – Die Passagiere im Terminal des Düsseldorfer Flughafens kriegen vom Warnstreik des Bodenpersonals der Lufthansa nichts mit. Keine Trillerpfeifen, keine Plakate, nichts. Im Gegenteil. Beim Sicherheitscheck geht es am Mittwoch im Vergleich zu den vielen Chaos-Tagen im Verlauf der Sommerferien recht entspannt zu. Auch in Köln/Bonn sind die Auswirkungen kaum zu spüren.
Es ist der Streik der Unsichtbaren, derer, die auch sonst kein Passagier zu Gesicht bekommt, aber ohne die kein Flugzeug abheben könnte. Der Streik der Pushbacker, die Flugzeuge mit Spezialfahrzeugen aus der Parkposition wegdrücken, der Mechaniker in der Instandhaltung, der Abfertiger. Alles Lufthanseaten, die das Terminal nur von innen sehen, wenn sie selbst mal in Urlaub fliegen.
Sie alle sind bei der Lufthansa-Tochter Leos beschäftigt, mit 170 Mitarbeitenden eine vergleichsweise kleine Truppe, und haben sich ein paar Meter vor einer Bäckerei in der Airport-City postiert. „Wir werden heute hier in Düsseldorf nicht den großen Streikbeitrag leisten können, aber es geht auch um den Solidargedanken mit den Kollegen in Frankfurt, München und Hamburg, wo es noch viele Lufthanseaten gibt, die alle unter einer hohen Arbeitsverdichtung leiden“, sagt Marjan Bärz.
Der 55-Jährige aus Mülheim an der Ruhr ist einer der wenigen, die den Kranich noch aus der Zeit kennen, als der ein stolzer Vogel war. Der Mechaniker arbeitet seit 35 Jahren in der Bodengerätewerkstatt. „Ich halte die Schlepper und alles instand, was hier so gebraucht wird.“ Und Bärz ist keiner, der groß jammert, wie schön die Zeiten früher waren. Sein Job mache ihm immer noch Spaß, doch das Verhältnis zu seinem Arbeitgeber hat sich deutlich abgekühlt.
„Die Lufthansa hat nicht dafür gesorgt, Bedingungen zu schaffen, dass es nach der Pandemie hier vernünftig weitergeht. Mitarbeiter sind rausgeschmissen worden, befristete Verträge wurden nicht verlängert, man hat Leiharbeiter nach Hause geschickt“, sagt Bärz. „Hauptsache weg. Soziale Aspekte haben keine Rolle gespielt. Und die Lufthansa hat es versäumt, rechtzeitig Leute einzustellen, als der Flugbetrieb wieder angerollt ist.“
Die Kollegen nicken zustimmend. Verdi-Streikführer Andreas Bill kommt mit frischen Kaffee und belegten Brötchen vom Bäcker zurück. Unzählige Interviews hat er seit der Ankündigung des Warnstreiks führen müssen, ist auf viel Unverständnis gestoßen. Warum muss Verdi ausgerechnet in diesem Chaos-Flugsommer noch Öl ins Feuer gießen?
„Wir haben hier seit Wochen einen Zustand der permanenten Belagerung. Jeden Tag unterbesetzt, die Beschäftigten pfeifen aus dem letzten Loch und schaffen es irgendwie immer noch, den Betrieb aufrechtzuerhalten“, sagt Bill. „Und warum? Weil das Management zu geizig ist, mehr Personal zu vernünftigen Bedingungen einzustellen.“
Nach Bills Angaben gibt es im Lager immer noch Einstiegsgehälter von unter zwölf Euro pro Stunde. „Dieser permanente Druckzustand wegen des Geldes und der Arbeitsbelastung hat dazu geführt, dass wir gesagt haben, jetzt müssen wir aber mal ein Zeichen setzen.“
Das ist gelungen. Vor allem am Flughafen in Frankfurt strandeten am Mittwoch viele vor allem ausländische Touristen, weil ihr Weiterflug gestrichen worden war. Am größten deutschen Flughafen fielen 725 von 1160 geplanten Flügen aus.
In Düsseldorf hatte man sich auf den Streik offenbar gut vorbereitet und die Flieger so geparkt, dass sie ohne Pusher der Lufthansatochter Leos zur Startbahn rollen konnten. An normalen Tagen werden bis zu 80 Prozent der Maschinen von Leos startklar gemacht. Die Passagiere wurden mit Bussen zu den Flugzeugen gebracht.
Verdi und Lufthansa hielten sich gegenseitig vor, für die Lage verantwortlich zu sein. Lufthansa habe bewusst darauf verzichtet, nach der Warnstreikankündigung noch einmal zu verhandeln, sagte Verdi-Streikleiter Marvin Reschinsky. Er hoffe nun auf ein schnelles, gutes Ergebnis. „Wir erwarten ganz klar, dass Lufthansa in der nächsten Woche nachlegt, damit der Luftverkehr wieder läuft.“ Ein hoher Abschluss sei auch ein Entlastungssignal an das Bestandspersonal, wenn Lufthansa Neueinsteigern attraktivere Jobs anbiete.
Lufthansa-Sprecher Martin Leutke bezeichnete den Warnstreik als „unnötig, überzogen und viel zu umfänglich“. Das Unternehmen habe schließlich ein substanzielles Angebot vorgelegt, über das man weiter hätte sprechen können. Verdi habe sich aber entschieden, den Konflikt auf dem Rücken der Passagiere auszutragen. „So einen Streik hätte es nicht gebraucht.“