Köln – Claudia Fritsche ist die Koordinatorin der Landesarbeitsgemeinschaft autonomer Frauenhäuser in NRW. Die Sozialarbeiterin rechnet damit, dass es wegen der Corona-Krise zu einem Anstieg der häuslichen Gewalt kommen wird: „In beengten Wohnungen ist die Isolation eine besonders hohe Herausforderung“, sagte Fritsche dem „Kölner Stadt-Anzeiger“. „Das erzwungene und oft unfreiwillige Miteinander kann schnell zu Konflikten führen, die sich in Gewalt entladen. Die unheilvolle Dynamik darf man nicht unterschätzen“, so die Frauenberaterin.
Gewalt in der Partnerschaft
Das rät die Polizei bei häuslicher Gewalt
Jede vierte Frau in Deutschland hat in einer Partnerschaft schon mal Gewalt erlebt. Das geht aus der Polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Wer betroffen ist, dem rät die Polizei:
Bei akuter Bedrohung, wählen Sie 110! Die Polizei wird alles Erforderliche tun, um Sie zu schützen.
Zeigen Sie die Straftat bei der Polizei an. Eine Strafanzeige können Sie bei jeder Polizeidienststelle erstatten. Eine Person Ihres Vertrauens und/oder ein Rechtsbeistand können Sie begleiten.
Wenn Sie sich noch nicht entscheiden können, die Polizei zu rufen, wenden Sie sich an eine Person Ihres Vertrauens oder lassen Sie sich beraten, aber handeln Sie!
Setzen Sie sich mit einer Beratungsstelle für Häusliche Gewalt in Verbindung. Den Kontakt in Ihrer Nähe vermittelt Ihnen die Polizei oder das Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 08000 116 016, rund um die Uhr und in vielen Sprachen.
Notieren Sie sich Einzelheiten zu den Vorfällen, wie Datum, Uhrzeit und was genau geschehen ist.
Suchen Sie einen Arzt auf, nennen Sie ihm den Ursprung der Verletzungen und lassen Sie die Verletzungen attestieren und z.B. fotografieren, um sie für eine mögliche Strafanzeige dokumentiert zu haben.
Frauenhäuser bieten Ihnen ebenfalls Schutz und die Mitarbeiterinnen können Sie bei weiteren Schritten beraten.
In NRW gibt es derzeit 616 Plätze in Frauenhäusern. Fritsche ist sicher, dass die Schutzeinrichtungen sich in der aktuellen Situation „auf eine Welle von neuen Fällen einstellen“ müssen. Im Familienausschuss des Landtags wurde bereits darüber beraten, welche Räumlichkeiten ergänzend bereitgestellt werden können. „Es müssen kurzfristig zusätzliche Kapazitäten für zusätzliche Plätze, aber auch Quarantänemöglichkeiten geschaffen werden“, sagte Josefine Paul, frauenpolitische Sprecherin der Grünen im Landtag, auf Anfrage. Dafür kämen zum Beispiel leerstehende Ferienwohnungen, Mutter-Kind-Heime oder Hotels in Frage, so die Politikerin aus Münster.
Keine Hilfe für Sozialbereich
Auch Conny Schulte, Geschäftsführerin der Beratungsstelle gegen sexualisierte Gewalt in Bonn, rechnet damit, dass Gewalt in den Familien als Folge des „Corona-Kollers“ ansteigt: „Da die Schulen derzeit geschlossen sind, fehlt vielen Schülern und Schülerinnen eine wichtige Anlaufstelle, um Hilfe zu organisieren“, warnte die Geschäftsführerin. Unter diesen Umständen könne sexueller Missbrauch leichter unbemerkt bleiben.
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Die schwarz-gelbe Landesregierung hat 25 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt, um die Auswirkungen der Krise in NRW abzufedern. Neben den Maßnahmen zur Sicherung der Wirtschaft, müsse auch die soziale Infrastruktur durch Hilfspakete gesichert werden, fordert die Grüne Josefine Paul. Dies ist bislang allerdings nicht der Fall.
Das NRW-Frauenministerium weist darauf hin, dass trotz der Corona-Krise derzeit noch geringfügig Kapazitäten zur Aufnahme von Schutzsuchenden zur Verfügung stehen: 16 Frauenhäuser hätten freie Plätze für Frauen mit Kindern, ein Frauenhaus freie Plätze für Frauen ohne Kinder.
SPD kritisiert Innenminister Reul
NRW-Innenminister Herbert Reul CDU hatte erklärt, man müsse nicht zwangsläufig von steigenden Fallzahlen bei der häuslichen Gewalt ausgehen. Tatsächlich sind im März im Vergleich zum Vorjahresmonat rund 900 Anzeigen weniger bei der Polizei eingegangen. Thomas Kutschaty, Fraktionschef der SPD im Landtag, warnt vor einem leichtfertigen Umgang mit dem Thema. In Essen beispielsweise hätten sich die Fälle im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, warnte der Oppositionsführer. Wie man das Problem kleinreden könne, sei für ihn „nicht begreiflich.“