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ÄrztemangelLandärztin in Houverath schließt ihre Praxis – Patienten überrascht

Lesezeit 5 Minuten

Das Bad Münstereifeler Höhengebiet ist nach dem Weggang der Houverather Medizinerin zur ärztefreien Zone geworden.

  1. Die Landarztpraxis in Houverath wurde geschlossen. Für einige Patienten kam das Aus völlig überraschend.
  2. Hunderte Patienten verlieren nun die medizinische Nahversorgung. Wie geht es weiter?

Bad Münstereifel-Houverath – „Sie ist gegangen. Wir konnten sie ja schließlich nicht festbinden.“ Gülhanim Yildiz von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn sie von der Allgemeinmedizinerin spricht, die jetzt nach zehn Jahren ihre Praxis in Houverath geschlossen hat.

Auch für einige Patienten kam das Aus völlig überraschend. Klarheit herrschte erst, als sie die Ärztin ihres Vertrauens anriefen und die Bandansage abhörten: „Die Praxis ist seit dem 30. November 2018 komplett geschlossen. Es wurde leider kein Nachfolger gefunden. Ihre Patientenakte können sie ab dem 10. Dezember in der Rheinbacher Praxis von (...) abholen. Wir danken ihnen für die langjährige Treue und wünschen ihnen alles Gute.“

Nach und nach geht die Infrastruktur verloren

Doch das bleibt für die Patienten in Houverath ein frommer Wunsch. Denn ihre Landärztin hat die Koffer gepackt und hinterlässt auf der Ärztelandkarte einen weißen Fleck. Im Dorf wird spekuliert, dass sie offenbar an einem anderen Ort weiter praktizieren will. Fest steht für die Bewohner, dass sie nicht in Ruhestand gegangen ist. Dafür sei sie ja noch zu jung.

Alles zum Thema Karl-Josef Laumann

Dabei sind die Houverather schon über Gebühr gebeutelt: Zunächst schloss der letzte Tante-Emma-Laden, dann die einzige Dorfkneipe und nun ist auch noch die Frau Doktor weg – die ehemals vorhandene Infrastruktur gleich mit. Das komplette Bad Münstereifeler Höhengebiet ist nun zur ärztefreien Zone geworden. Hunderte Bewohner schauen in die Röhre.

Verwaist ist die Houverather Praxis. Ob diese Lücke, die die Landärztin hinterlassen hat, geschlossen werden kann, ist unklar.

Das Problem der treuen Houverather und der anderen Patienten aus dem Höhengebiet liegt auf der Hand: Ihr Arztbesuch wird künftig mit langen Anfahrtzeiten verbunden sein. Bad Münstereifel liegt in gut 20 Kilometer Entfernung, Rheinbach ist 15 Kilometer weit weg. Wer kein Auto hat und auf öffentliche Verkehrsmittel angewiesen ist, ist komplett angeschmiert.

Hausarzt-Stelle wird frühestens im April 2019 besetzt

Das weiß auch Frank Dibowski. Der CDU-Stadtverordnete ist einer der Betroffenen in Houverath: „Wir müssen uns jetzt in Rheinbach, Euskirchen oder Bad Münstereifel einen Arzt suchen, der uns aufnimmt. Doch die sind komplett überlaufen.“

Der 49-Jährige sagt, dass nun die Kassenärztliche Vereinigung in der Pflicht stehe, diesen unhaltbaren Zustand rasch zu beenden: „So kann es jedenfalls nicht mehr weitergehen. Wir brauchen wieder einen Mediziner.“

Doch das kann dauern. Denn nach Informationen von Gülhanim Yildiz von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KV) dürfte die vakante Stelle in Houverath „frühestens im April 2019 besetzt werden – falls sich überhaupt ein Arzt meldet, der Interesse hat“. Fakt ist, dass die Mediziner im Kreis Euskirchen deutlich mehr Arbeit haben, als sie erledigen können. Wie viel sie zu tun haben, sieht man an den überfüllten Wartezimmern und daran, dass etwa Euskirchener Fachärzte die frühestmöglichen Termine für Juli 2020 vergeben, weil nichts mehr geht.

NRW setzt auf die Landarztquote

Das Land NRW betritt mit der Landarztquote im Medizinstudium Neuland. Wer im Abitur keine Spitzennoten hatte, aber auf dem Dorf Menschen heilen will, soll nun einen Studienplatz bekommen. Damit kann der hohe Numerus clausus umgangen werden.

Die Bewerber müssen sich im Gegenzug für einen der begehrten Studienplätze vertraglich dazu verpflichten, zehn Jahre als Hausarzt in einer unterversorgten Region in Nord- rhein-Westfalen zu arbeiten. Zum Wintersemester 2019/20 will NRW mit den ersten 168 Landarzt-Studienplätzen starten. Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) ist davon überzeugt, dass auch aus Abiturienten mit Note drei gute Ärzte werden können.

6000 der mehr als 11 000 Hausärzte in NRW sind mehr als 55 Jahre alt. Allein 2016 schieden 450 aus. Zudem wird nur jeder zehnte der 2000 angehenden Ärzte Allgemeinmediziner. Auch deshalb sind sie im Land spärlich gesät. (pws)

Ähnlich im Stress ist offenbar auch Dr. Franz-Josef Zumbé. Der Nettersheimer Arzt ist Vorsitzender der KV im Kreis Euskirchen. Auf Anfrage dieser Zeitung in seiner Praxis ließ er ausrichten, er habe derart viele Termine, dass er in absehbarer Zeit nicht für ein Gespräch mit der Zeitung zur Verfügung stehe. Die Bad Münstereifeler Bürgermeisterin Sabine Preiser-Marian (CDU) erfuhr von Zumbé immerhin, dass die Versorgung nach dem Ausscheiden der Houverather Kollegin im Rahmen einer Urlaubs- oder Krankheitsvertretung geregelt sei.

Doch diese Regelung löst das Problem definitiv nicht. Denn für zusätzliche Patienten dürfte in den überfüllten Wartezimmern gar kein Platz mehr sein.

Preiser-Marian hat zudem erfahren, dass die Houverather Ärztin bei der Kassenärztlichen Vereinigung einen Antrag für ein Nachbesetzungsverfahren gestellt hat. Dem sei auch stattgegeben worden. Die KV stufe den Arztsitz in Houverath als erhaltenswürdig ein. Die Ärztin habe diesen Sitz allerdings noch bis Ende Mai 2019 inne.

Monatliche Zuschläge für Landärzte

„Für die Wohnattraktivität im ländlichen Raum ist die ärztliche Versorgung neben der Nahversorgung und einer intakten Vereinsstruktur wichtig“, sagt die Bürgermeisterin. Sie habe wegen des Houverather Falles die Stabsstelle Struktur- und Wirtschaftsförderung des Kreises Euskirchen sowie die landespolitische Ebene eingeschaltet.

Das bestätigte Kreispressesprecher Wolfgang Andres. Der Fall sei bekannt. Anfang des Jahres werde es dazu eine Konferenz geben. Landrat Günter Rosenke kann es sich nach dem Muster des Kreises Kleve sogar vorstellen, dass der Kreis Ärzten, die Entscheidung, auf dem Land zu praktizieren, mit einem vierstelligen Euro-Betrag im Monat versüßt.

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Wie wichtig Landärzte sind, schildert Frank Dibowski: „Als unsere Ärztin noch in Houverath praktiziert hat, wurde sie oft mitten in der Nacht angerufen. Sie ist dann sofort ausgerückt, wenn etwa einer Herzklabaster hatte.“ Vor allem für die Senioren im Ort sei ein Mediziner oder eine Medizinerin enorm wichtig.

Da gehe es nicht nur um Untersuchungen, Diagnosen oder Rezepte, sondern auch um Zuspruch und einen kleinen Plausch mit einer Vertrauensperson. (mit mgo)