- Vor zwei Jahren erschütterte der Zugriff eines SEK Bad Münstereifel. Der islamistische Terror war in der Provinz angekommen.
- Nun wurden Rachid B. und sein Bruder Khalid verurteilt. Doch es läuft noch ein weiteres Verfahren.
- Rachid B. klagt gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Bei einer juristischen Niederlage droht ihm die Abschiebung nach Marokko
Bad Münstereifel/Euskirchen – Zwei Jahre nach dem spektakulären Zugriff des Spezialeinsatzkommandos im Bad Münstereifeler Stadtgebiet sind die Terror-Brüder zu Haftstrafen verurteilt worden. Die damalige Aktion war wochenlang Gesprächsthema im Ort und hatte die Bürger nachhaltig verunsichert: Der islamistische Terror war in der Provinz angekommen.
Der Deutsch-Marokkaner Rachid B. (27) muss wegen Mitgliedschaft in der Terror-Miliz IS für fünf Jahre und drei Monate ins Gefängnis. Sein älterer Bruder Khalid B. (36) ist wegen Vorbereitung schwerer staatsgefährdender Gewalttaten zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden.
Brüder sind geständig
Nach Angaben von Dr. Michael Börsch, Sprecher des Düsseldorfer Oberlandesgerichts, war der heute 36-Jährige seit Juli 2013 im Besitz des Sturmgewehrs AK 47: „Der siebte Senat hat festgestellt, dass Khalid B. sich in Syrien ein Fahrzeug besorgt hat und mit einer größeren Gruppe von Dschihadisten zu Kriegseinsätzen gegen das syrische Regime ausgerückt ist.“
Dessen jüngerer Bruder Rachid habe ebenfalls eine AK 47 sowie zwei Handgranaten besessen. Ihm werde unter anderem die Mitgliedschaft in der Terror-Miliz IS vorgeworfen. Er habe rege am Lagerleben teilgenommen, Wachdienst geschoben, für Nachschub an Nahrung gesorgt und Schützengräben ausgehoben. Die Brüder sind nach Angaben von Börsch geständig und haben das Urteil angenommen. Daher sei es in beiden Fällen rechtskräftig. Der Prozess gegen die beiden hatte bereits im April 2018 begonnen.
IS-Terrorist hat Staatsbürgerschaft verloren
Es gibt allerdings noch ein weiteres Verfahren: In diesem Fall ist Rachid B. nicht der Angeklagte, sondern der Kläger. Der verurteilte IS-Terrorist kämpft vor dem Verwaltungsgericht Aachen gegen die Rücknahme seiner Einbürgerung. Das bestätigte Richterin Julia Backhaus am Freitag. Das Verfahren ruhe allerdings zurzeit.
Die Aachener warten noch auf die Zustellung des Urteils der Kollegen des Oberlandesgerichts Düsseldorf. Backhaus: „Sobald das Verfahren wieder aufgenommen wird, wird die zuständige 4. Kammer zu klären haben, ob der Kläger bereits zum Zeitpunkt der Abgabe der für die Einbürgerung erforderlichen Loyalitätserklärung eine verfassungsfeindliche Gesinnung hatte.“
Nach Informationen dieser Zeitung hat Rachid B. am 24. April 2012 die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten. Die Einbürgerung kann allerdings innerhalb einer Frist von fünf Jahren zurückgenommen werden. Dies hat der Kreis Euskirchen fristgerecht am 30. März 2017 nach Intervention des Verfassungsschutzes in die Wege geleitet. Da beide Brüder die deutsche und die marokkanische Staatsbürgerschaft haben, droht Rachid bei einer juristischen Niederlage in Aachen die Abschiebung nach Marokko.
Rachid B. war Mitglied bei DAWA EU
„Zum Zeitpunkt seiner Einbürgerung war Rachid B. Mitglied der in Euskirchen ansässigen muslimischen Gruppierung DAWA EU, die eine radikal-islamistische Ideologie vertrat. Sie wurde allerdings erst Ende 2016 verboten“, so Richterin Backhaus weiter.
Zunächst deutete alles auf Bilderbuchkarriere hin
Rachid und Khalid haben in dem Bad Münstereifeler Ort den katholischen Kindergarten und die katholische Schule besucht. Ihre marokkanischen Eltern leben seit mehr als 35 Jahren dort. Sie haben drei Söhne und zwei Töchter. Bei Rachid deutet zunächst alles auf eine Bilderbuchkarriere hin. Nach dem Hauptschulabschluss macht er Fachabitur und studiert in Bonn Informatik.
Im Internet bot er seine Dienste als IT-Experten an. Ehemalige Freunde berichteten, er sei damals nicht mehr zum Basketballspielen gekommen und habe sich einen langen Bart wachsen lassen. Dann habe er versucht, den Koran an Nachbarn zu verteilen. (pws)
Die Verfassungsschützer aus Nordrhein-Westfalen hatten die 30-köpfige Gruppe schon länger auf dem Schirm. Die Muslime hatten sich regelmäßig in einem Gebäude mit Ladenlokal im Erdgeschoss im Euskirchener Stadtgebiet getroffen. Mitglied von DAWA EU war neben Rachid B. offenbar auch dessen Bruder Khalid B. Sie haben sich dort mit Glaubensbrüdern zum Gebet sowie zum Debattieren über Religion und Politik getroffen.
Nach Informationen des „Spiegel“ hat Rachid B. im August 2012 den Entschluss gefasst, nach Ägypten zu reisen, um in Alexandria im Easy-Language-Center Arabisch zu lernen. Dort habe sich der Deutsch-Marokkaner offenkundig radikalisiert. Laut Generalbundesanwalt ist Rachid B. über Ägypten und die Türkei nach Syrien gereist. Dort habe er sich zunächst der Miliz Jabhat al-Nusra angeschlossen und ein vierwöchiges Kampftraining absolviert. Zudem habe auch der Umgang mit Granatwerfern gehört. Später sei er zum IS übergelaufen.
IS-Rückkehrer galten als Gefährder
Khalid wurde ebenfalls in Syrien im Umgang mit Waffen ausgebildet. Er reiste auf Vermittlung seines jüngeren Bruders Anfang Juli 2013 in das Bürgerkriegsland ein. Nach Angaben des NRW-Innenministeriums sind die Brüder „nach einem längeren Türkei-Aufenthalt“ Ende 2016 wieder in die Bundesrepublik eingereist. Sie landeten auf dem Köln-Bonner Flughafen und verweigerten bei einer Befragung die Aussage.
Obwohl die IS-Rückkehrer als Gefährder galten, wurden sie zunächst freigelassen. Die Bundesanwaltschaft ließ die Telefone der Brüder überwachen und platzierte Wanzen in deren Autos. Laut Burkhard Freier, Leiter des NRW-Verfassungsschutzes, habe man die Brüder „schon seit 2013“ auf dem Schirm gehabt. Jetzt werden sie die kommenden Jahre im Gefängnis verbringen.