- Von Montag an dürfen auch im Kreis Euskirchen Einzelhändler bis zu einer bestimmten Ladengröße ihr Geschäft wieder öffnen.
- Das Möbelhaus Brucker in Kall nutzt hingegen eine Sonderregelung des Landes und öffnet gleichfalls wieder.
- Der Elektronikfachmarkt Euronics hingegen will rechtlich prüfen, warum er am Montag nicht wieder für seine Kunden öffnen darf. Ein Überblick.
Kreis Euskirchen – „Ich sehe da überhaupt keine Logik in der Entscheidung und kann deshalb die neuen Regelungen auch nicht nachvollziehen“, erklärt Marianne Urfey, Kaufmännische Leiterin des Euronics-Elektronikfachmarkts in Kommern. So wie ihr geht es vielen Inhabern und Mitarbeitern von Betrieben, die mehr als 800 Quadratmeter Verkaufsfläche haben und die deshalb wegen der neuen Corona-Regelungen mindestens bis zum 4. Mai geschlossen bleiben. Anders sieht es naturgemäß bei den kleineren Geschäften aus, die am Montag ihre Türen wieder öffnen dürfen.
Möbelhaus Brucker nutzt Landessonderregel
Ein Wechselbad der Gefühle erlebte Andreas Brucker am Donnerstag. Am Ende konnte er sich aber freuen: Er darf in seinem Möbelhaus in Kall dank einer Sonderregelung des Landes NRW am Montag doch wieder Kunden empfangen.
Von den 30 Mitarbeitern des Elektronik-Markts in Kommern befinden sich zurzeit nach Angaben von Urfey 20 in „Kurzarbeit null“, sind also komplett freigestellt. Nur die Lehrlinge, eine für das Online-Angebot zuständige Mitarbeiterin und eine Angestellte in der Buchhaltung sowie vier Mitglieder der Familie Urfey seien noch im Dienst.
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In der Hoffnung, am Montag auch die Arbeit wieder aufnehmen zu können, hatte die Firma schon Schutzmasken für Mitarbeiter und Kunden, Desinfektionsmittel und Plexiglasscheiben bestellt. Doch dann gab es am Mittwochabend die Hiobsbotschaft, deren Hintergrund Marianne Urfey immer noch nicht begreifen kann.
„Wieso darf ein Markt mit 800 Quadratmetern öffnen und unser Geschäft mit 1400 Quadratmetern bleibt weiter geschlossen?“, fragt sich die Kaufmännische Leiterin. „Dass kleinere Läden in der Nachbarschaft ab Montag wieder Kunden beraten und Ware verkaufen dürfen, ist für uns ein Wahnsinnswettbewerbsnachteil.“
Dabei sei sie bereit, alle Auflagen und Hygienevorschriften zu erfüllen. „So könnte beispielsweise ein Mitarbeiter am Eingang dafür sorgen, dass nur eine bestimmte Anzahl von Kunden im Geschäft ist“, sagt Urfey. Auch der Parkplatz sei so groß, dass sich Kunden aus dem Weg gehen könnten.
Elektronikmarkt hat Rechtsanwalt eingeschaltet
Doch es gibt noch Hoffnung: Ein Rechtsanwalt der Euronics-Gruppe prüft laut Urfey, ob der Markt am Montag doch noch öffnen kann, wenn ein Teil der Verkaufsfläche abgetrennt und so die Grundfläche auf 800 Quadratmeter reduziert wird. Das Ergebnis soll an diesem Freitag vorliegen.
„Wir müssen abwarten, was uns der Rechtsanwalt mitteilt.“ Auf die reduzierte Verkaufsfläche, so viel sei schon durchgesickert, müsse dann auf der Internetseite und auf Werbeflyern hingewiesen werden.
NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann hat am Donnerstag aber solchen Plänen bereits eine Absage erteilt. Man werde nicht zulassen, dass in größeren Geschäften Bereiche abgetrennt werden.
Für Andreas Brucker war der Donnerstag eine Achterbahnfahrt. „Am Morgen hatten wir unseren Mitarbeitern mitgeteilt, dass das Möbelhaus weiter geschlossen bleibt. Sie waren dementsprechend enttäuscht.“ Doch nach einer außerordentlichen Sitzung des Landeskabinetts stand dann am Nachmittag fest, dass Brucker doch öffnen darf, weil es für die Möbelwirtschaft in NRW eine Ausnahme gibt.
Gastronomen sind niedergeschlagen
Niedergeschlagenheit und Enttäuschung – mit diesen Worten lässt sich die Gefühlswelt der Gastronomen im Kreis Euskirchen wohl am besten beschrieben. „Niemand hat geglaubt, dass wir am Montag unsere Betriebe wieder so offen halten könnten wie vor der Krise“, sagt Patrick Rothkopf, der Kreisvorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes.
Es sei auch allen klar gewesen, dass höchstens ein Teil der Plätze in den Gasträumen angeboten werden dürften, damit die Abstandsregeln eingehalten werden können. Dass die Kanzlerin und die Länderchefs das nicht zuließen und auch kein Datum nannten, wann der Lockdown auch für die Restaurants, Hotels und Cafés gelockert werden soll, habe ihn und viele seiner Kollegen enttäuscht – „zumal vielen inzwischen das Wasser bis zum Hals steht“, sagt Rothkopf.
Was die Corona-Krise für die Branche bedeute, spüre er am eigenem Leibe. In seinem Hotel habe er in den vergangenen sieben Tagen lediglich drei Übernachtungen von Geschäftsreisenden gehabt.
Bis Juni stehe sein Haus praktisch leer. Die Stimmung in der Branche werde zunehmend schlechter. Selbst wenn ein Datum für die Wiedereröffnung genannt wird, heiße das ja nicht, dass die Läden dann wieder in der gewohnten Form liefen. Er rechne damit, dass die Gäste zunächst ähnlich vorsichtig seien, sagt der Hotelier. (sch)
„Ein Mitarbeiter, der eine entsprechende Meldung im Radio gehört hatte, hat mich angerufen. Dann hat auch eine Online-Möbelfachzeitschrift im Internet darüber berichtet“, erzählt der Geschäftsführer des Kaller Möbelhauses. „Wenn die Ausnahme nur in Nordrhein-Westfalen gilt, ist das zwar immer noch keine gerechte Lösung, aber wir sind natürlich glücklich und haben umgehend unsere Mitarbeiter informiert.“
Die am Mittwochabend kommunizierte Regelung, wonach nur Geschäfte mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern öffnen dürfen, hatte Brucker am Morgen noch als „reine Willkür“ bezeichnet. „Wieso dürfen kleine Küchenstudios oder Buchhandlungen öffnen, obwohl die Kundenfrequenz dort gerade in den größeren Städten bezogen auf die Verkaufsfläche deutlich höher ist als bei uns? Sonst ist Gleichbehandlung in unserer Gesellschaft doch immer ein wichtiger Grundsatz“, hatte sich Brucker gefragt.
Einzelhandelsverband atmet auf
Christian Lange ist erleichtert. Dass die Läden mit einer Größe bis zu 800 Quadratmetern wieder öffnen dürfen, habe bei deren Chefs für ein kollektives Aufatmen gesorgt, sagt der Ortsbeauftragte und stellvertretende Vorsitzende des Einzelhandelsverbandes Bonn, Rhein-Sieg Euskirchen und Bonn. Schon jetzt würden in den Ladenlokalen die Regale umgestellt, damit die Kunden geschützt einkaufen könnten.
„Das wollen wir auch offen präsentieren“, so Lange. Denn die Menschen kämen nur die Geschäfte, wenn die Ansteckungsgefahr dort möglichst gebannt sei.
„Ich rechne auch nicht damit, dass alle am Montag in die Neustraße stürmen werden“, sagt der Geschäftsführer des Schuhhauses Lange. Zum einen, weil die Bürger vorsichtig seien, zum anderen, weil die großen Geschäfte wie Kaufhof oder Saturn noch geschlossen bleiben müssten.
Er hoffe, dass auch die „Großen“ bald wieder ihre Pforten öffnen dürften, das sei auch gut für die „Kleinen“. Er könne aber verstehen, dass die Politik mit kleinen Schritten wieder in Richtung Normalität zurückgehe. Oberstes Ziel müsse sein, die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen.
Das Agieren im Einzelhandel habe Corona bereits erheblich verändert: Zum stationären Verkauf und dem Internetverkauf kämen nun auch Beratung und Verkauf per Video – etwa via WhatsApp – hinzu: „Damit können wir dem Kunden die Ware zeigen, ihn beraten und diese, wenn er es wünscht, zurücklegen oder zusenden.“
Dieses Verfahren sei während der vergangenen Woche zum Teil erfolgreich angewendet worden, so Lange. Und er sehe keinen Grund, dieses Angebot wieder zurückzufahren – im Gegenteil: „Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht“, sagt Lange. Insofern berge Corona – bei allen Problemen für die Händler – auch eine Chance.
Zustimmung von der IHK Aachen
Für den Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Aachen, Michael F. Bayer, sind die Beschlüsse von Bund und Ländern „im Wesentlichen richtig“. Der Schutz der Bevölkerung habe Vorrang vor wirtschaftlichen Interessen.
„Dennoch“, so Bayer, „benötigen die Unternehmer Perspektiven.“ Die Beschlüsse vom Mittwoch legten den Grundstein für eine geordnete Rückkehr zu einer „neuen“ Normalität.
„Sobald vertretbar, sollten Händler wieder ihre Geschäfte öffnen, Industrieunternehmer ihre Produktion hochfahren und Restaurantbetreiber und Hoteliers unter speziellen Hygienevorschriften Gäste empfangen können – allein schon, um die Wettbewerbsverzerrungen zu beenden, die durch die staatlich verordneten Betriebsschließungen entstanden sind“, sagte Bayer.