Kreis Euskirchen – Die meisten der 40 Apotheken, die in der Kreisstelle Euskirchen der Apothekerkammer Nordrhein registriert sind, haben sich längst zu kleinen Detektivbüros entwickelt. Es gilt, gefälschte Impfzertifikate zu entdecken.
Dr. Werner Klinkhammer seufzt. Nein, dafür haben er und sein Team in der Mechernicher Adler-Apotheke eigentlich nicht auch noch die Zeit. Sie nehmen sie sich trotzdem – und zweimal hat sich der Mehraufwand bereits gelohnt: „Wir hatten zwei Fälle, da waren die Impfausweise offenbar nicht echt, da haben wir die Verifizierung für die Digitalisierung auch verweigert.“
Hinweise auf Fälschungen
Um dem Missbrauch von Impfdokumenten vorzubeugen, hat das Landeskriminalamt ein Merkblatt veröffentlicht, das gefälschte Zertifikate schneller erkennbar machen soll. Demnach nutzen Kriminelle zunächst aus dem Internet entnommene, echte Daten von Personen, um die Fälschungen zu personalisieren.
Die Plausibilität der dann eingetragenen Coronaschutzimpfungen muss sich schon aus den zeitlichen Abständen ergeben: Bei mRNA-Impfstoffen (zum Beispiel Moderna oder Biontech) beträgt er drei bis sechs Wochen, bei einem Vektor-Impfstoff (Astrazeneca) bis zu zwölf Wochen. Die meisten gefälschten Impfpässe enthalten nach LKA-Angaben dabei zwei Biontech-Impfungen.
Ein nächster Hinweis auf eine mögliche Fälschung ist die Angabe des Impfenden. Hausärzte impfen erst seit Anfang April 2021. Ärzte im Impfzentrum dürfen die Verabreichungen auch mit ihrem Praxisstempel dokumentieren. Im Zweifelsfall muss dann bei der Überprüfung allerdings erst aufwendig die Praxis kontaktiert werden.
Bei den Etiketten der Chargennummer des verabreichten Impfstoffes sind mittlerweile Sicherheitskennzeichen in Gebrauch: Wasserzeichen oder ein 2D-Code (Moderna). Ein weiterer Hinweis auf eine Fälschung kann die offenkundige Öffnung der Heftklammern oder die unterschiedliche Dicke und Farbe des verwendeten Stiftes für die benötigte Arztunterschrift sein. Im Zweifelsfall sollen Apotheker die Polizei informieren. (sli)
Die gelben, getackerten Büchlein enthalten mittlerweile in vielen Fällen drei Einträge zu verabreichten Impfstoffen gegen das Coronavirus – samt Datum und Unterschrift des verabreichenden Arztes sowie der Chargennummer des Impfstoffes. Wer einen solchen Impfausweis hat, dem stehen viele Türen offen. Wer ihn – nach Überprüfung durch eine Apotheke – digitalisieren lässt, hat seine Daten fälschungssicher gesichert.
„Eine Mammutaufgabe“
Dass dieses „Sesam öffne dich“ des Pandemiezeitalters Begehrlichkeiten wecken und Kriminelle anlocken würde, war absehbar. Nun lastet allerdings die Nachprüfpflicht bei der Übertragung von Papier- auf Digitalausweis bei denen, die dafür eigentlich keine Zeit haben, weil sie einen anderen Auftrag haben: den Apotheken. Sie bewältigen derzeit neben anderen mit der Pandemie verbundenen Arbeiten „eine Mammutaufgabe“, so Jens Krömer von der Apothekerkammer Nordrhein.
Zuletzt am 12. Januar war die Entdeckung von offenkundig gefälschten Impfzertifikaten in der Blankenheimer Rathaus-Apotheke aufgefallen. Eine Apothekerin im Team hatte die zur Digitalisierung im Impfheft eingetragenen Chargennummern einer angeblichen Erst- und Zweitimpfung überprüft. Dafür können verschiedene Online-Abfragen genutzt werden. Und siehe da: Ein Abgleich mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein ergab, dass beide Nummern nicht existierten.
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Die mutmaßliche Datenfälscherin hatte danach zwar die Apotheke verlassen, doch geistesgegenwärtig hatte die Apothekerin zuvor den Impfausweis kopiert und die Kopien der Polizei übergeben. Die Tatverdächtige erwartet nun ein Strafverfahren nach Paragraf 275 des Strafgesetzbuches. „Eine Geldstrafe, im Wiederholungsfall sogar eine Haftstrafe, können fällig werden“, so Franz Küpper, Sprecher der Kreispolizei. Bei den Ordnungshütern wurden zwischen dem 1. Juli 2021 und dem 24. Januar 2022 insgesamt 44 solcher Urkundenfälschungen aktenkundig. In den letzten Wochen stagniere die Zahl der Delikte, zudem könne man keine Aussage zur Dunkelziffer machen, so die Polizei. 44 hört sich wenig an. „Doch im Bereich der Apothekerkammer kommt es, gemessen an den Rückmeldungen aus den mehr als 2000 öffentlichen Apotheken, in unserem Bezirk schon häufiger vor“, so Krömer.
Ginge es nur um die Mehrarbeit für die Zertifikat-Überprüfung, hätte auch Klinkhammer, der die Apotheker im Kreis vertritt, vergleichsweise wenig Grund zur Klage. Doch jetzt sollen die Apotheken zusätzlich auch Coronaschutzimpfungen vornehmen können. Und da hört für Klinkhammer derzeit der Spaß auf. Zum Glück gebe es im Krankenhaus in Mechernich eine Impfstelle, sodass diese Arbeit für seine Apotheke nicht nötig sein werde, sagt er erleichtert.
Bisher 1100 Apotheker geschult
Andere Apotheken im Gebiet der Apothekerkammer Nordrhein sehen das offenbar anders. Man gehe derzeit von einem möglichen Beteiligungsgrad an der Impfaktion von rund 50 Prozent aller Apotheken aus, so Krömer. Allein in diesem Januar wurden bisher 1100 Apotheker entsprechend geschult, es sollen an die 4000 werden. Die Schulungen sind kostenlos, die Apotheken erhalten danach einen entsprechenden Befähigungsnachweis.
Wann es auch im Kreis Euskirchen mit dem Impfen in den Apotheken losgehen kann, ist nach Angaben von Werner Klinkhammer allerdings noch unklar. „Wir denken, ab Ende Februar“, so der Apotheker-Sprecher. Das Datum hängt vom Robert-Koch-Institut ab, das auch die Menge der Impfstofflieferungen festlegt. Bisher hat nach Angaben der Apothekerkammer erst eine Apotheke im Stadtgebiet Euskirchen diese Bescheinigung beantragt und erhalten.
Werner Klinkhammer hat zudem noch keinen genauen Überblick, wie viele seiner Kollegen künftig als weitere Serviceleistung die PCR-Tests anbieten. Für seine Apotheke schließt er die Teilnahme aus – wegen jetzt schon permanenter Arbeitsüberlastung. Dazu kommen Personalengpässe – ein bundesweites Problem, so Krömer: „Viele Apotheken suchen händeringend Verstärkung.“ Schließlich, da sind er und Klinkhammer sich einig, haben Apotheken eigentlich eine andere Aufgabe: die Versorgung der Menschen mit Arzneimitteln. „Das“, so Jens Krömer, „hat höchste Priorität“. Es sei sozusagen die Pflicht. Alles, was Apotheken im Zuge der Pandemiebekämpfung mitübernehmen, sei die freiwillige Kür.