Erst Kreuzbandriss, dann Bundesliga-AufstiegLaura Sieger ist eine Gewinnerin
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Bad Münstereifel-Nöthen/Meppen – „Je steiniger der Weg, desto wertvoller ist das Ziel“, lautet ein volksübliches Sprichwort hierzulande. Der sportliche Weg einer jungen Frau war im letzten Jahr mit großen Felsbrocken versperrt. Er schien sogar ziemlich verbaut zu sein. Doch diese junge Frau hat, egal wie schwer und sperrig die Steine auch waren, alles aus dem Weg geräumt. Die Rede ist von Laura Sieger, Fußballtorhüterin beim SV Meppen, die seit diesem Wochenende wieder zurück in der Bundesliga ist.
Die Nöthenerin hat sich zurück gekämpft. Zurück nach einem Kreuzbandriss auf den Platz und zurück in die Frauenbundesliga. Nach dem 3:1 (1:0) Auswärtssieg bei der SG 99 Andernach kann der SVM nicht mehr von einem der ersten beiden Plätze verdrängt werden. Ein großer Erfolg für den Verein und ein noch größerer für Laura Sieger.
Das Wichtigste zuerst
Beim besten Rückrundenteam, der SG 99 Andernach, mussten die Frauen des SV Meppen hart für ihren Erfolg arbeiten. In einem sehr ansehnlichen Fußballspiel, welches kurzfristig aufgrund von Hagelschäden auf dem Hauptplatz auf den angrenzenden Kunstrasenplatz verlegt wurde, sorgte Alexandra Emmerling kurz vor der Pause für die Führung der Gäste (44.).
Nach der Pause traf die eingewechselte Isabella Jaron zum 2:0 (62.). Andernach kam aus dem Nichts durch Vanessa Zilligen heran und hatte im Anschluss sogar einige Chancen auf den Ausgleich (73.). Meppens Linda Preuß traf in der Nachspielzeit zum 3:1 und machte den Aufstieg einen Spieltag vor Saisonende und vor 180 Zuschauern perfekt.
Rückblende Mai 2021
Es war der 9. Mai 2021. Beim Bundesligaspiel des SV Meppen bei Bayer 04 Leverkusen will Laura Sieger nach einer frühen Ecke einen Ball aus der Luft pflücken und kommt im Anschluss unglücklich auf dem Boden auf. Sie muss verletzt und unter Tränen ausgewechselt werden und erhält ein paar Tage später die bittere Diagnose – Kreuzbandriss. Bereits der Zweite in ihrer noch jungen Karriere. Zwei Wochen später steigt auch noch ihr Verein am letzten Spieltag aus der Bundesliga ab.
Comeback nach 333 Tagen
Für die 22-Jährige beginnt in der Folge ein Jahr des Leidens. Es ist wird aber auch ein Jahr wo sie sich quält und wo sie sich pausenlos schindet. Ein Jahr wo sie um ihre Karriere als Fußballprofi kämpft.
Sie arbeitet hart und kann bereits 255 Tage später ein erstes Testspiel absolvieren. Ihren ersten Einsatz in der 2. Bundesliga bekommt Sieger nach nur 333 Tagen im Auswärtsspiel bei Wolfsburg II. Ein außergewöhnlicher Weg den die willensstarke Kämpferin Laura Sieger geht.
Ein Jahr später – Mai 2022
Das Spiel in Andernach wird Laura Siegers vierter Saisoneinsatz sein. Sie erfährt erst 90 Minuten vor dem Spiel davon. Die Nöthenerin macht sich professionell warm und zeigt schon vor der Partie dass sie einen guten Tag erwischt hat. In das Spiel selbst geht es für die junge Frau mit der Rückennummer 28 recht ruhig hinein, weil auch ihre Mitspielerinnen defensiv einen starken Job verrichten.
Erstmals wird sie bei einem Kopfball in der 35. Minute gefordert. Diesen pariert sie prächtig, erlebt aber nach der Landung an den Pfosten eine kleine Schrecksekunde. Einmal geschüttelt und weiter geht’s. Das Stellungsspiel und ihre Spieleröffnung sind von Ruhe und Genauigkeit geprägt. Keine Spur von Nervosität. Sie gibt ihren Vorderleuten den sicheren Rückhalt, da sie jederzeit anspielbar ist. Nach dem Seitenwechsel und mit dem Anschlusstor in der 73. Minute, bei dem Sieger aus Kurzdistanz keine Abwehrchance hat, droht die Partie zu kippen.
Plötzlich sind ihre Torwartqualitäten gefragt. Und sie ruft sie ohne Fehl und Tadel ab. Innerhalb weniger Minuten steht sie gleich drei Mal im Brennpunkt, wehrt aber alle Bälle bärenstark ab und fischt auch in der Folge jeden Ball aus der Luft. Mit Sicherheit und Cleverness beruhigt sie die Partie immer wieder und darf nach dem Schlusspfiff in der Spielertraube den Aufstieg bejubeln.
Motivator und Lautsprecher
Laura Sieger agiert hoch professionell und weiß ihre Mitspielerinnen mit Zurufen zu steuern. Sie steuert mit kurzen aber gezielten Anweisungen wie „Ordnung rein, nicht so tief“ oder aber mit „schiebt vor, blau zurück und Zuordnung“ ihr Team. Rückt der SVM in des Gegners Hälfte vor, dann ist die Torhüterin ebenfalls mit aufgerückt und steht 30 Meter vor dem eigenen Tor. Ihre Zuspiele aus der Hand und vom Fuß sitzen. Nur ein Fehlpass im gesamten Spiel, eine Traumquote. Die Lufthoheit im eigenen Strafraum gehört ihr, denn sie packt sich jeden Ball sicher.
Die Drangphase Andernachs beruhigt sie, indem sie den Ball unter sich begräbt und Zeit von der Uhr nimmt. Emotional kann Sieger aber auch und zwar nach den Toren, denn dann kommen geballte Fäuste und der Jubelsprung. Beim 3:1 eilt sie bis zur Torschützin vor und auch nach der Partie ist die 1,66 große Torfrau mittendrin bei den Feierlichkeiten.
Die Stimmen zum Spiel
Sportliche Leiterin Maria Reisinger: „Laura ist ein Tier, die einen unbedingten Willen an den Tag legt und die sehr hart für ihr schnelles Comeback gearbeitet hat. Wir sind froh, dass sie schon im Vorfeld dieses Spiels ihren Vertrag verlängert hat und zählen auf sie. Die Mannschaft war von Spieltag eins an die Gejagten und musste sich jeden Punkt hart erkämpfen. Ihr wurde nichts geschenkt und ein Wiederaufstieg ist keine Selbstverständlichkeit. Jetzt wollen wir auch die Meisterschale holen“.
Trainer Theodoros Dedes: „Wir haben die heutige Nominierung auf der Torhüterposition alleine an den Trainingseindrücken festgemacht. Laura hat uns in unserer Entscheidung bestätigt und uns den Sieg gesichert. Selten habe ich eine Spielerin und auch keinen Spieler gesehen, die so schnell wieder voll einsatzfähig war. Laura hat ihren Anteil an diesem Aufstieg und ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass sie das heute hier geschafft hat“.
Laura Sieger: „Erstmal bin ich froh, dass ich heute wieder spielen konnte. Nach den drei Einsätzen hat Corona mich ausgebremst, aber der Trainer hat mir das Vertrauen in einem so wichtigen und entscheidenden Spiel geschenkt. Die erste Halbzeit war ausgeglichen, aber auf das gesamte Spiel über gesehen hatten wir die besseren Torchancen und gehen verdient als Gewinner vom Platz. Vielleicht stehen wir einmal zu viel im Abseits, sodass es zwischendurch noch einmal eng wurde. Ich habe mich von Anfang an gut gefühlt und bin froh das uns heute der Aufstieg gelungen ist“.