Euskirchen-Schweinheim – Sie haben ihr Haus verloren – ihren Mut, ihre Liebe zu Schweinheim aber nicht. Zu jenem Euskirchener Ort, der unterhalb der Steinbachtalsperre liegt. Jener Ort, der von der Flutkatastrophe vor einem Jahr schwer getroffen wurde. Jener Ort, aus dem die Einwohner fünf Tage evakuiert werden mussten, weil der Damm der Talsperre zu brechen drohte. Genau dorthin soll es zurückgehen. Auch wenn der Weg noch lang ist.
Wo bis vor wenigen Wochen das Haus von Andrea und Markus Blinkert sowie ihren Kindern Helena (13) und Tim (15) stand, ist nun eine Baugrube – inklusive Bodenplatte und Stahlmatten, die immerhin schon den Grundriss der Kellerräume erahnen lassen.
Aufgeben ist für Schweinheimer Familie keine Option
Die Schweinheimer Familie will zurück in ihren Heimatort. Aufgeben war nach dem Hochwasser und ist auch in Zeiten von Handwerkermangel und explodierenden Baukosten keine Option. Deshalb bauen die Blinkerts an der Stelle neu, wo genau sechs Monate nach der Flut ihr kontaminiertes Eigenheim abgerissen werden musste.
„Der Gutachter hat uns vor allem aus gesundheitlichen Gründen davon abgeraten. Eine Sanierung war aber auch nicht wirtschaftlich“, sagt Andrea Blinkert. Das Haus war der persönliche Traum der Schweinheimer Familie, erbaut kurz nach der Jahrtausendwende. 20 Jahre später stand es nach der Flutkatastrophe am 14. Juli 2021 fünf Tage in einer kontaminierten Brühe aus Heizöl, Wasser, Matsch, Rüben von einem Feld oberhalb des Ortes und Müll.
Schweinheim: Nur der Abriss blieb übrig
„Wenn wir früher zurückgekonnt hätten, hätten wir vielleicht noch ein paar Habseligkeiten retten können. Das Haus selbst wäre aber so oder so kontaminiert gewesen“, sagt die Schweinheimerin: „Von dem einen oder anderen Aktenordner waren nur noch die Metallbügel da. Der Rest hatte sich mehr oder weniger aufgelöst.“
So blieb der Familie nichts anderes übrig, als das Haus fachmännisch abreißen zu lassen. Übrig geblieben sind nur wenige Dinge – neben der ungebrochenen Liebe zum Heimatort. Der Briefkasten beispielsweise, der nun am Bauzaun hängt. „Und in dem fast jeden Tag Post ist“, sagt Andrea Blinkert. Und die silberne 13 direkt neben dem Briefkasten auf dem mit Edding der Familienname und eine Handynummer geschrieben ist.
Familie Blinkert will in Hochwasserschutz investieren
Die Hausnummer 13 hat am 14. Juli des vergangenen Jahres mal so gar kein Glück gebracht. „Die werden wir leider nicht ändern können“, sagt Blinkert schmunzelnd. Was die Familie in Rücksprache mit der Stadt und der Versicherung aber ändert: Der Neubau soll um vier Meter weiter in den Hang gebaut werden. Dann liegt das Haus über der Hochwasserlinie vom 14. Juli. Auch sonst wolle man in den Hochwasserschutz investieren, beispielsweise mit entsprechenden Fenstern. Und wird das neue Haus wieder eine Ölheizung haben? „Nein“, sagt Andrea Blinkert. Für welche Heiztechnik man sich entscheiden werde, steht noch nicht fest. Nur Öl werde es definitiv nicht.
Der Zusammenhalt und die Hilfsbereitschaft im Ort seien ein Jahr nach der Katastrophe weiterhin großartig. „Die damals gegründete WhatsApp-Gruppe funktioniert immer noch. Wenn immer jemand nach etwas fragt oder Hilfe benötigt, antwortet immer jemand. Mindestens einer“, berichtet Andrea Blinkert.
Familie aus Schweinheim hat es schwer, Handwerker zu finden
Genau wie ihr Mann steht die 47-jährige Versicherungskauffrau voll im Berufsleben. Den Hausbau versucht das Ehepaar in den Abendstunden und am Wochenende voranzutreiben. „Ich kann jetzt auch ausschalen. Das hat mein Mann mir schon beigebracht“, sagt Andrea Blinkert. Notgedrungen. Handwerker zu finden, sei derzeit alles andere als leicht, berichtet ihr Mann Markus. Der ist glücklicherweise vom Fach und kann das eine oder andere selbst machen.
Kran soll Haus anheben
Zu Beginn der Schweinheimer Straße steht ein stark beschädigtes Fachwerkhaus. unmittelbar nachdem die Evakuierung aufgehoben war, wurde es mit mehreren Stützen vor dem Einsturz bewahrt. Passiert ist seitdem rein äußerlich an dem historischen Gebäude kaum etwas. Abgerissen werden muss es aber wohl nicht. „Das Haus soll wohl mit einem Autokran angehoben werden und dann fachmännisch repariert werden. So ist zumindest unser Kenntnisstand“, sagt Andrea Blinkert, die in unmittelbarer Nachbarschaft ihr bei der Flut kontaminiertes Haus abreißen musste und aktuell neu baut. (tom)
So geht es voran. Mal schneller, mal langsamer. Langsamer dann, wenn beispielsweise die bestellten Kellerfenster nicht lieferbar sind, weil die Spedition keinen Fahrer findet. Schneller, wenn plötzlich helfende Hände aus dem Ort vor der nicht vorhandenen Tür stehen und mit anpacken. Für die letzte Juli-Woche steht der Keller auf dem Programm. Innerhalb von drei Tagen sollen – nein müssen – die Wände gegossen sein. „Wir haben zeitlich kaum Spielraum“, erklärt Markus Blinkert.
Familie Blinkert will Weihnachten im neuen Haus feiern
Auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. Wenn die Gaspipeline nach den Wartungsarbeiten länger zu bleibe, werde Beton und Stahl noch teurer. Dann beginne die Diskussion mit der Versicherung wieder. Vom Plan, in diesem Jahr Weihnachten im neuen Haus an alter Stelle zu feiern, haben sich die Schweinheimer verabschiedet. Ziel ist es nun, im kommenden Sommer eingezogen zu sein. „Natürlich haben wir schon mal ein Tief. Doch das ist schnell überwunden“, sagt Andrea Blinkert, die mit ihrem Mann und den Kindern seit der Flut in einer Wohnung in Meckenheim lebt.
Genau wie ihre Eltern freut sich die 13-jährige Helena auf die Rückkehr nach Schweinheim. Wenn nicht gerade Ferien sind, geht es nämlich jeden Morgen mit dem Taxi-Papa nach Flamersheim. Von dort mit dem Bus nach Kirchheim und dann weiter nach Bad Münstereifel in die Schule. Die Fahrt in die Schule ist aus Schweinheim dann doch ein bisschen kürzer. „Ich sehe aktuell meine Freunde in der Freizeit weniger, weil wir in Meckenheim leben. Ansonsten habe ich das Jahr aber gut überstanden“, sagt die Jugendliche.
Flut im Freundeskreis nicht mehr so präsent
Die Flut sei in den Gesprächen im Freundeskreis nicht mehr so präsent – wenn nicht gerade der Jahrestag der Katastrophe ansteht. Das Hochwasser erlebte die Schülerin mit ihrem Bruder und ihren Eltern zu Hause. Irgendwann sei so viel Wasser aus der Dorfmitte die Schweinheimer Straße hochgedrückt worden, dass das Wasser buchstäblich bergauf geflossen sei. Aber auch die 13-Jährige hat den Willen, nach Schweinheim zurückzukehren. Schließlich sei es das Heimatdorf.
Jenes Dorf, das sich 2020 auf Kreis-Euskirchen-Ebene beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ den Titel „Golddorf“ gewonnen hatte. Einen Titel, den sich der Ort ein Jahr nach Flut wieder gesichert hat. Und nun im September die Landesjury überzeugen will. Die Blinkerts müssen von Schweinheim nicht mehr überzeugt werden. Für sie ist der Ort Heimat – egal ob Golddorf oder Flutdorf wie im vergangenen Sommer.