Kreis Euskirchen – 83,2 Millionen Menschen leben in Deutschland. Etwas mehr als die Hälfte davon sind Frauen. Logisch betrachtet sollte man meinen, dass sich dies in vielen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens widerspiegelt. Tut es aber nicht - weshalb es auch die Quotenregelung bei der Besetzung von Gremien oder Stellen gibt. Ziel der Frauenquote ist, die Gleichstellung von Frauen und Männern in Gesellschaft, Politik, Wirtschaft und Kultur herbeizuführen. Doch davon ist man noch weit entfernt – auch im Kreis Euskirchen.
Anlässlich des Weltfrauentages luden Vanessa Becker, Leiterin der Volkshochschule Kreis Euskirchen, Astrid Günther, Gleichstellungsbeauftragte Kreis Euskirchen, und Barbara Brieden, Gleichstellungsbeauftragte Stadt Euskirchen, politisch engagierte Frauen zu einem Austausch ein. 21 Frauen unterschiedlicher Parteien nutzten die Gelegenheit, sich unter anderem der Kernfrage zu widmen, woran es liegen könnte, dass noch immer nur wenige Frauen in der Kommunalpolitik aktiv sind.
Teilnehmerinnen als Expertinnen in eigener Sache
„Auch eine Bundeskanzlerin, eine Präsidentin der Europäischen Kommission und mehrere Ministerpräsidentinnen haben daran nicht wirklich etwas geändert“, sagt Astrid Günther. Da es ein Hauptanliegen der Gleichstellungsbeauftragten ist, mehr Frauen für Aufgaben und Ämter in der Politik zu gewinnen, wurden die Teilnehmerinnen als Expertinnen in eigener Sache gebeten, in dem moderierten digitalen Austausch Stellung zu beziehen – zu den Rahmenbedingungen von politisch engagierten Frauen im Kreis Euskirchen und den eigenen Erfahrungen als Frau in der Politik.
Deutlich zu wenig
Geringer Frauenanteil
Der Frauenanteil in den NRW-Kreistagen beträgt 33 Prozent, im Kreistag Euskirchen 22 Prozent. Der Frauenanteil in den Kommunalparlamenten des Kreises liegt bei 23 Prozent. Beispielsweise sind im Rat Mechernich 18 Prozent der Vertreter Frauen, in Euskirchen und Weilerswist 27, in Nettersheim 16 Prozent. Männer haben bundesweit rund 70 Prozent aller Mandate in Bund, Ländern und Kommunen inne. In den Parteien, den wichtigsten Akteuren der politischen Willensbildung, sind sie ebenfalls deutlich in der Mehrheit.
Einfluss in der Politik
„So wichtig und symbolträchtig Angela Merkels Kanzlerschaft war: Eine einzelne Frau in einer Spitzenposition vermag die Aufstiegs-, Handlungs- und Einflussmöglichkeiten von Frauen in der Politik bzw. in den Parteien nicht nachhaltig zu verbessern. Dazu bedarf es struktureller Maßnahmen und tiefergehender Veränderungen der (partei)politischen Kulturen“, heißt es in einer Untersuchung von Helga Lukoschat und Renate Köcher.
Bei dem digitalen Austausch wurde eine Umfrage unter den Teilnehmerinnen durchgeführt. „Wobei man das Ergebnis auch dahingehend einordnen muss, dass eine große Anzahl Grüner Frauen an der Veranstaltung teilgenommen hat“, so Astrid Günther. Bei Bündnis 80/Die Grünen gehört die Frauenquote zum Grundkonsens der Partei. Entsprechend viele Frauen finden sich auf allen Ebenen in entsprechenden Ämtern.
Umfrage unter den Teilnehmerinnen
Der Behauptung „Ich empfinde Politik als eine Männerwelt“ stimmten bei der Veranstaltung 36 Prozent zu. Und 32 Prozent teilweise. Die Frage „Werden Sie in informelle Entscheidungsprozesse genauso einbezogen, wie Ihre männlichen Kollegen?“ Beantworteten 70 Prozent mit Ja, 30 Prozent meinten „teilweise“. Alter, Aussehen, Familienstand und Privatleben spielen in der Politik bei Frauen eine andere Rolle als bei Männern –auf der großen politischen Bühne wie auf der kleinen. 19 Prozent der Teilnehmerinnen bestätigten, damit bereits Erfahrungen gemacht zu haben.
So zum Beispiel Myriam Kemp, die die Grünen im Gemeinderat Weilerswist und auch im Kreistag vertritt: „So etwas läuft dann nicht persönlich, sondern über soziale Medien.“ Als „Rats-Barbie“ wurde Kemp, die sich mehr Frauen in politischen Gremien wünschen würde, dort schon diffamiert. „Mit einem Mann würde man so nicht umgehen“, ist Kemp sicher und fügt an: „Ich möchte in meiner Rolle als politisch engagierter Mensch keine Frau sein, die sich wie ein Mann verhält“, so die zweifache Mutter.
Beleidigungen und Bedrohungen
„Wurden Sie bereits im Zusammenhang mit Ihrem politischen Engagement bedroht oder beschimpft?“ Auf diese Frage antworteten 21 Prozent der teilnehmenden Frauen mit Ja. Dabei ging es von Beleidigung bis hin zur Androhung von Vergewaltigung.
Die 21 politisch engagierten Frauen, die an der Veranstaltung teilgenommen hatten, zeigten sich überwiegend daran interessiert, ein regelmäßiges Vernetzungsangebot wahrzunehmen, das durch die Gleichstellungsbeauftragten in Kooperation mit der VHS organisiert werden soll.
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„Ich bin davon überzeugt, dass Frauen in die Politik andere Kompetenzen und Perspektiven einbringen können, die dringend benötigt werden“, meint Astrid Günther. Gerne werde sie deshalb mit den anderen Initiatorinnen die Strukturen dafür schaffen, dass sich politisch engagierte Frauen regelmäßig austauschen. „Über alle Parteigrenzen hinweg“, so Günther.