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Wenig Ratsfrauen im Kreis Euskirchen„Die Quote an sich ist nicht das richtige Mittel“

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Das Rathaus in Weilerswist. (Symbolbild)

  1. Die Kommunalpolitik bleibt auch nach der Wahl von Männern dominiert.
  2. In manchen Stadträten ist die Zahl der Frauen sogar zurückgegangen.
  3. Wir haben frischgewählte Ratsfrauen gefragt, was sie motiviert hat, bei der Kommunalwahl 2020 anzutreten.

Kreis Euskirchen – Nach der Wahl ist vor der Wahl. Zumindest was die Anzahl an Ratsfrauen im Kreis angeht, stimmt dieser Satz. Denn viel hat sich nicht geändert. Nach wie vor sind die Männer deutlich in der Überzahl.

Immerhin eine Bürgermeisterin mehr gibt es nun. Mit Jennifer Meuren (siehe INtervie nächste Seite) stehen im Kreis nun in drei Kommunen Frauen an der Verwaltungsspitze. Bei den Räten gibt es allerdings auch Ausnahmen vom allgemeinen Trend. Dahlem zum Beispiel. Von 15 Prozent stieg hier der Frauenanteil im Rat auf 35 Prozent an – der höchste Wert im gesamten Kreis Euskirchen. Hauptverantwortlich dafür ist dabei die CDU. Eine Partei, die vielen eher als Alt-Herren-Partei gilt. In Dahlem sind nun vier ihrer elf Ratsmitglieder Frauen. Vor der Wahl war es gerade mal eine.

Auch der Mechernich Rat ist weiblicher geworden. Die Zahl der Ratsfrauen hat sich von vier auf acht verdoppelt. Hier sind es die Grünen, die den größten Unterschied machen: Vier der fünf Ratsmitglieder sind Frauen.

Alles zum Thema Angela Merkel

In fast allen Kommunen im Kreis stieg die Zahl der Ratsfrauen leicht an oder blieb gleich – außer in Blankenheim. Statt sieben sind es dort nun noch sechs. Zählt man die frischgebackene Bürgermeisterin mit, bleibt es aber bei sieben. Auch in Euskirchen ist der Anteil zurückgegangen. Zwar sind es hier nach wie vor 16 Ratsfrauen, doch der Rat hat nun auch zwölf Sitze mehr.

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In der Stadt Heimbach sind es nach der Wahl ebenfalls weniger Ratsfrauen als vorher, zwei um genau zu sein. Zwar ist insgesamt auch der Rat um zwei Sitze geschrumpft, nichtsdestotrotz sinkt damit der Anteil der Frauen von etwa einem Drittel auf ein Viertel.

Wir haben frischgewählte Ratsfrauen gefragt, was sie motiviert hat, bei der Kommunalwahl 2020 anzutreten.

Sarah Ignatowitz - Als einzige Frau im Planungsausschuss

Wenn der eigene Vater Landratskandidat wird, dann kommt man unausweichlich mit Kommunalpolitik in Berührung. Dass man dann aber gleich für dieselbe Partei für den Stadtrat und den Kreistag kandidiert und auch einen Sitz bekommt, ist dennoch keine Selbstverständlichkeit. Sarah Ignatowitz hat das geschafft.

 Sarah Ignatowitz

Ihr Vater habe sie sicher beeinflusst. Dennoch sei die Entscheidung, bei der Wahl anzutreten, ihre eigene gewesen. „Mich persönlich hat dazu motiviert, dass der Altersdurchschnitt in unserer Fraktion relativ hoch ist“, sagt die 23-jährige Studentin. Auch die Tatsache, dass hauptsächlich Männer im Kreis Kommunalpolitik betreiben, habe sie angestachelt. „Das war mir bewusst und ich hatte gehofft, dass sich das nach der Wahl ändert“, sagt sie.

Ein besonderes Erlebnis hatte die Grünen-Politikerin bei der ersten Sitzung des Kreisausschusses für Planung, Nachhaltigkeit und Mobilität. „Da habe ich festgestellt, dass ich da die einzige Frau bin. Das hat mich doch überrascht“, berichtet sie. Als einschüchternd habe sie die Situation aber nicht empfunden, sondern sich umso berechtigter gefühlt, dort mit am Tisch zu sitzen. Studium, ein eigenes Leben aufbauen, selbstständig werden – viele Menschen in ihrem Alter halsen sich da nicht noch zusätzliches ein zeitintensives kommunalpolitisches Engagement auf. „Für mich ist das nichts, was sich ausschließt“, sagt Ignatowitz. Dass sie ihr Studium an der Uni Bonn seit dem Sommersemester wegen Corona im Homeoffice in Euskirchen fortsetze, komme ihr allerdings auch nicht ungelegen.

Anna Kleusener - Schwanger zur Wahl angetreten

Sie ist Medizinökonomin, arbeitet nebenbei mit ihrem Mann als Fotografin, hat eine acht Monate alte Tochter und ist jetzt auch noch Ratsfrau. Manch einem würde eine Tätigkeit davon schon reichen, vielleicht zwei. Anna Kleusener nicht. „Das A und O ist Organisation“, sagt sie dazu. Natürlich sei es eine Herausforderung, aber mit Unterstützung von Ehemann und Familie machbar.

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Anna Kleusener

Sie könne allerdings gut verstehen, dass es Mütter gebe, die diese dreifache Belastung nicht auf sich nehmen wollten. Job, Haushalt, Familie – Zeit für so ein zeitintensives Ehrenamt bleibe da vielen nicht. Das sei bestimmt auch ein Grund, warum es so wenige Ratsfrauen gebe. Bei ihr liege das politische Engagement in der Familie, berichtet sie. Ihr Vater sei bereits seit Jahren in der CDU aktiv. Und ihr Großvater einst Ortsvorsteher gewesen.

Sie selbst habe sich dafür entschieden, für den Stadtrat zu kandidieren, weil sie mitgestalten wolle. Das politische Interesse auf dem Land lasse spürbar nach. Ihr aber sei es wichtig, „dass das Leben hier auf dem Land nicht total veraltet“,sagt die 32-Jährige. Es brauche auch junger Menschen, die sich in der Kommunalpolitik engagierten. Außerdem gefalle es ihr, ihren Horizont durch ihre Ratstätigkeit zu erweitern: „Es macht mir Spaß, mich in neue Themen einzuarbeiten.“ Dass sie dabei für eine Partei antritt, die mancher bundesweit eher mit älteren Herren verbindet, ist für sie kein Widerspruch. „Im Gegenteil, die CDU hat hier bei uns so viel erreicht. Sie hat sich eher als jung und dynamisch bewiesen“, sagt Kleusener. Weder in ihrer Partei noch im Rat habe sie bisher das Gefühl gehabt, weniger ernst genommen zu werden als ihre männlichen Kollegen.

Ingrid Thenhaus-Jakobi - Sie fängt an, wenn andere in Rente gehen

In dem Alter, in dem Bundeskanzlerin Angela Merkel ihre politische Karriere beenden möchte, fängt sie ihre an: Ingrid Thenhaus-Jakobi. 67 Jahre alt, seit 43 Jahren FDP-Mitglied und seit November für ihre Partei Mitglied im Bad Münstereifeler Stadtrat. „Politisches Interesse war in unserer Familie selbstverständlich“, berichtet sie. In der Oberstufe habe sie die 1968er Jahre erlebt. Das habe sie geprägt.

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Ingrid Thenhaus-Jakobi

Politik sei auch danach immer ein wichtiger Bestandteil ihres Lebens gewesen, berichtet Thenhaus-Jakobi. Eine Zeit lang habe sie sich als sachkundige Bürgerin engagiert. Doch als berufstätige Mutter habe ihr schlicht die Zeit gefehlt, schon früher für einen Stadtrat zu kandidieren. „Jetzt habe ich die Zeit dafür“, sagt Jakobi, die vor ihrem Ruhestand als Rechtspflegerin am Amtsgericht Rheinbach gearbeitet hat.

Dass sie sich mit der FDP für eine Partei entschieden hat, die im Kreis vor allem bei jungen Männern beliebt ist und insgesamt nur drei Ratsfrauen im Kreisgebiet stellt, stört sie nicht. Das Frau-Sein habe sie nie als eine Hürde in ihrem Ortsverband wahrgenommen. „Ich habe nie das Gefühl gehabt, ich werde bevorteilt oder benachteiligt“, sagt Thenhaus-Jakobi. Auch wenn es sicher noch Verbände, Parteien und Bereiche in der Politik gebe, in denen Männer-Klüngel vorherrsche. Die Zusammenarbeit mit den jungen Kollegen gefalle ihr. Das sei eine gute Mischung aus neuen Ideen und langjährigen Erfahrungen. Ganz so viele Jahre wie Angela Merkel möchte sie ihre politische Karriere allerdings nicht betreiben. Eine weitere Amtszeit als Ratsfrau in fünf Jahren strebe sie nicht an, sagt Thenhaus-Jakobi. Immerhin sei sie dann ja bereits 72 Jahre alt.

Neue Bürgermeisterin im Interview - „Ein junger Mann wäre das nicht gefragt worden“

Für die 33-jährige Jennifer Meuren war der Frauenmangel in der Kommunalpolitik auch ein Grund, fürs Bürgermeisterinnenamt zu kandidieren.

Jennifer Meuren

Wie oft bekommen Sie noch Post, die an den Herrn Bürgermeister gerichtet ist?

Jennifer Meuren: „Ehrlich gesagt, sehr sehr selten. Höchsten von jemanden, der nicht weiß, dass Kommunalwahlen waren.“

Wie nehmen Sie die Akzeptanz einer Frau an der Verwaltungsspitze wahr?

„Also, das Gefühl, dass man mich weniger ernst nimmt als meinen Vorgänger, habe ich nicht. Die Akzeptanz ist sehr gut.“

Was sagen Sie dazu, dass es in Ihrer Kommune nun weniger Ratsfrauen gibt?

„Es ist natürlich sehr schade, dass es so wenige Frauen gibt. Ich habe mir gewünscht, dass es etwas ausgeglichener wird. Vielleicht braucht es einfach Zeit. Im Wahlkampf habe ich schon gespürt, dass es einen gewissen Sensationscharakter hatte, dass ich als junge Frau kandidiere.“

Sind Sie auch deshalb angetreten, um ein Vorbild für andere junge Frauen zu sein?

„Ja, auf jeden Fall.“

Mehr Frauen in die Politik – Das war ein Thema in Ihrem Wahlkampf, was wollen Sie als Bürgermeisterin dafür tun?

„Also zum einen, einen guten Job machen. Dass man sieht, dass es möglich ist. Und zum anderen zeigen, dass es auch andere Herangehensweisen in der Politik gibt. Man muss als Bürgermeister, egal ob männlich oder weiblich, Entscheidungen treffen. Das ist etwas, was Frauen genauso gut können wie Männer. Nur ist der Weg dorthin vielleicht ein anderer, sicher auch geprägter von Partizipation.“

Netzwerke sind in der Politik wichtig – braucht es da im Lokalen mehr Angebote für Frauen?

„Ich glaube, lokalverortet müssen Netzwerke nicht unbedingt sein. Aber sie sind hilfreich. Ich habe im Wahlkampf beispielsweise gemerkt, dass mir der Austausch mit anderen jungen Bürgermeisterkandidatinnen sehr geholfen hat.“

Was halten Sie von einer Frauenquote im Stadtrat?

„Schwierig. Die Frauenquote an sich ist nicht das richtige Mittel. Was sie aber erreicht, ist das Parteien überlegen müssen, wie sie Frauen gewinnen können. Dennoch: Keine Frau möchte gerne die Quotenfrau sein. Ich denke, es braucht da andere Ansätze. Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein wichtiges Thema, aber auch generell die Akzeptanz in der Gesellschaft. Im Wahlkampf habe ich das gemerkt. Ich wurde zum Beispiel gefragt: Wie machen Sie das denn mit dem Haushalt? Ich habe dann geantwortet: Genauso wie vorher, da waren wir schließlich auch beide berufstätig. Man hat ja auch noch einen Partner. Beispielsweise wäre ein junger Mann in meinem Alter nicht nach dem sehr persönlichen Thema des Kinderwunsches gefragt worden. Mir wurde die Frage häufiger gestellt.“