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„Schneebruch ist lebensgefährlich“Touristen-Ansturm führt zu Chaos in der Eifel

Lesezeit 5 Minuten

Der Hinweis, dass das Skigebiet gesperrt ist, störte die Besucher auch am Wochenende überhaupt nicht.

Udenbreth/Kreis Euskirchen – Rudolf Westerburg war ernüchtert. „Es wird jeden Tag mehr“, sagt der Hellenthaler Bürgermeister. Auch am Wochenende versiegt trotz aller Appelle, auf die Fahrt an den Weißen Stein zu verzichten, der Zustrom an Tagestouristen auf die schneebedeckten Höhen nicht.

Verkehrssituation

Überall in den Höhenlagen des Kreises verzeichnete die Polizei ein sehr hohes Verkehrsaufkommen. Auf der A1 staute sich der Verkehr, am Dürener Berg bei Gemünd (B265) ging zeitweise nichts mehr, viele andere Straßen waren ebenfalls überlastet, zum Verkehr gesellte sich das zuweilen eigenartige Parkverhalten. „Es wäre einfacher, wenn Sie fragen, welche Straßen frei waren“, sagte ein Polizist am Sonntagnachmittag.

Die Polizei machte sich am Weißen Stein ein Bild von der Lage. Dabei wurde der Entschluss gefasst, die B51-Abfahrt Dahlem zu sperren.

Gegen 14 Uhr musste die Abfahrt Dahlem an der B51 gesperrt werden, um den Ansturm der Schneehungrigen in den Griff zu bekommen. „Hier geht nichts mehr“, berichtete eine Polizistin von der Einsatzstelle. Den Polizisten fiel die Aufgabe zu, den Ausflüglern, die teils ein, zwei Stunden im Auto gesessen hatten, mitzuteilen, dass das Schneevergnügen an diesem Tag ausfällt. Glücklicherweise, so die Polizistin, reagierten die meisten recht verständnisvoll.

Die Autobahn

Die Anreisenden hatten schon am Samstag auf der A1 im Stau gestanden. Am Sonntag wurde die Fahrt in den Schnee für viele Autofahrer zur Geduldsprobe. Gegen 12 Uhr ereignete sich nach Angaben der Polizei auf der A1 in Richtung Blankenheim ein Unfall. Im Bereich der Wildbrücke waren zwei Autos kollidiert. Insgesamt saßen in den Fahrzeugen zehn Personen, von denen drei Kinder und eine Schwangere verletzt wurden.

Für fast eine Stunde war die A1 zwischen Nettersheim und Blankenheim gesperrt. Der Verkehr staute sich nach Angaben der Polizei zwischen der Unfallstelle und dem Autobahnkreuz Bliesheim auf einer Länge von 13 Kilometern. (tom)

Mit einem Großaufgebot war die Hellenthaler Gemeindeverwaltung wieder rund um den „Weißer Stein“ bemüht, die Verkehrssituation zumindest ansatzweise in den Griff zu bekommen. 18 Helfern – Verwaltungsmitarbeiter und einige Freiwillige – wiesen Parkplätze zu und versuchten, dass B265 und die L110 nur einseitig als Behelfsparkplatz benutzt wurde, damit der Verkehr zumindest langsam fließen konnte. „Die Mitarbeiter sind hochmotiviert, gemeinsam die Lage in den Griff zu bekommen“, sagte Wilfried Knips, Allgemeiner Vertreter des Bürgermeisters, der selbst am Sonntag auf der Bundesstraße stand, um die Touristen einzuweisen.

Die Zufahrten zu den Waldwegen wurden ebenfalls zugeparkt.

Auch in diesem Wochenende wurden Wiesen in Parkplätze umfunktioniert und die Waldwege zugeparkt. Entspannter ging es in Hollerath, wo es zwar voll war, doch die Verkehrslage noch geordnet ablief. „Hollerath hat schon schlimmere Schneetage erlebt“, so Westerburg.

Hohes Venn

Vermehrt tauchten am Wochenende auch niederländische und belgische Kennzeichen am Weißen Stein auf. Belgien hatte auf die chaotischen Zustände reagiert, die im Hohen Venn durch den starken Besucherzuspruch entstanden waren. Am Neujahrstag waren die Parkplätze gesperrt worden, die Durchfahrt wurde zwischen 8 und 17 Uhr untersagt. Bis zum 3. Januar sollte die Sperrung andauern.

Gefahrensituation

Am Weißen Stein war Daniel Pützer, Chef der Hellenthaler Feuerwehr, unter den Helfern. Sein Augenmerk galt vor allem den Rettungswegen. „Wir hatten am Samstag zwei Einsätze am Rodelhang“, sagte er. Zwei weitere kamen laut Pützer am Sonntag hinzu. Ein Schlittenfahrer zog sich derart schwere Verletzungen zu, dass er mit dem Rettungshubschrauber in eine Uniklinik geflogen werden musste, ein weiterer wurde mit dem RTW in eine Klinik gebracht.

In Scharen strömten die Menschen zum Rodelhang.

Sorgen machte er sich auch um die Menschen, die trotz der Gefahr von Schneebruch durch die Wälder gehen. „Das ist lebensgefährlich“, warnte er. Schon ein kleiner Ast reiche für ein Loch im Kopf. „Ich spreche aus Erfahrung“, so Pützer. Am Sonntagmorgen habe es bei Losheim erneut einen Einsatz wegen eines Baumes gegeben, der auf die B265 zu stürzen drohte.

Stimmen

Nein, er habe nicht mitbekommen, dass gebeten worden war, nicht in die Eifel zu kommen, sagte ein Düsseldorfer, der seinen kleinen Sohn ins Auto setzte: „Die Anfahrt hat sich gelohnt, es ging alles problemlos.“

Frühaufsteher

Wer früh aufbricht und nicht die Hotspots ansteuert, kann den Schnee ohne viele Menschen genießen. Gegen 11 Uhr am Samstag war es am Sendezentrum Krekel an der B258 ruhig: Zwei Autos standen auf dem Parkplatz, die Familien stapften samt Schlitten und Nachwuchs durch den Schnee, der auf der Sistiger Heide liegt. „Wir sind extra früh losgefahren, damit es nicht überlaufen ist und wir ein bisschen Zeit mit ruhigem Gewissen in der Natur verbringen können“, sagt Birgit Künstler aus Köln.

Wenig später war es überall deutlich voller. Auch am Michelsberg und in den umliegenden Orten des Bad Münstereifeler Höhengebiets herrschte großer Andrang. (tom/mag)

Etwas schuldbewusst zeigte sich ein Dürener: „Ich habe es mitbekommen, würde es auch normal nicht machen. Aber die Kinder müssen mal raus.“ In Düren sei kein Schnee, und immer nur Garten reiche nicht aus: „Aber ich finde es schon sehr voll hier.“

Corona

„Es sind einfach zu viele Leute“, konstatierte Westerburg. Und je mehr Leute, desto weniger Abstand, so einfach machte er die Rechnung mit den Corona-Abstandsregeln auf. Am Weißen Stein waren auch große Gruppen unterwegs, Masken wurden nur selten getragen. „Da, wo wir es sehen, versuchen wir die Leute anzusprechen“, so Westerburg. Es sei es nur möglich, an die Vernunft zu appellieren – doch die sei im Moment gering.

Wanderer gefährden Natur

Das als Alternative propagierte Schneewandern bringt für die Natur Probleme mit sich. Die Zahl der Wildunfälle sei gestiegen, so Förster Markus Wunsch: „Die Leute bleiben nicht auf den Wegen, sondern laufen querfeldein.“ So werde das Wild aufgescheucht und aus dem Wald getrieben, das im Winter dringend Ruhe brauche. „Wir bitten deshalb dringend darum, die Ruheräume der Wildtiere zu achten und auf den Wegen zu bleiben.“

Appelle an die Besucher

Noch am Samstag rief die Gemeinde Hellenthal die Einwohner des Kreises Euskirchen auf, nicht die Wintersportorte aufzusuchen. Doch solange im Fernsehen die Eifel als Alternative zu gesperrten Skigebieten empfohlen werde, könne man wenig machen, sagte Westerburg.

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Wie die Gemeindeverwaltung in den nächsten Tagen mit der Situation umgehen will, sollte am Sonntagabend entschieden werden. Es sei zu hoffen, dass viele wieder zur Arbeit müssten und sich die Lage beruhige, erklärte Westerburg. Doch Homeoffice und Kurzarbeit könnten die Situation wieder verändern.