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Ukraine-HilfeSoziale Wohngemeinschaft in Hellenthal wird Teil des Netzwerks

Lesezeit 4 Minuten
Leonie Zimmer inmitten von Dingen, die gespendet worden sind.

Leonie Zimmer, die gute Seele der Burg Marmagen, sortiert die Hilfsgüter.

Die Bewohner der WG „Neues Leben“ in Hellenthal-Neuhaus brauchen selbst Hilfe. Dennoch engagieren sie sich im Ukraine-Netzwerk. 

Den Menschen, die dort ziemlich einsam inmitten grüner Landschaft, fernab von irgendwelchen Nachbarn auf dem Bauerngehöft wohnen und arbeiten, hat das Leben meist nicht besonders gut mitgespielt. Sie brauchen Hilfe, eine starke Hand, die sie führt und möglichst wieder auf den richtigen Weg zurückbringt.

Um es auf den Punkt zu bringen: Sie brauchen die „Wohngemeinschaft Neues Leben“. Ihre Heimat ist die kleine Hellenthaler Ortschaft Neuhaus geworden. Viele von ihnen kommen aus dem osteuropäischen Raum, sie wollten es schaffen, sind aber gestrandet und in dieser WG gelandet, die sie aufgefangen und umsorgt hat.

Eine zusammengewürfelte „Großfamilie“ hilft anderen

Suchterkrankungen rund um Drogen und Alkohol, dazu Obdachlosigkeit machten ihnen zuvor die Bewältigung ihres harten Alltags noch viel schwieriger. Und dennoch, trotz aller eigenen Probleme, hat diese bunt zusammengewürfelte „Großfamilie“ nicht nur sich selbst im Fokus, sondern denkt auch an andere Menschen, denen es vielleicht noch schlechter gehen mag.

Ein Blick in einen Kleintransporter, der mit Hilfsgütern vollgestopft ist.

Pickepackevoller Caddy: Die Tierärztin Irene Heck fuhr mehrfach von ihrem Wohnort Baasem nach Marmagen, um die Hilfsgüter abzugeben.

Den Ukrainern insbesondere, die in dem kriegsgeschundenen Land geblieben sind, die nicht wie viele ihrer Verwandten und Bekannten in den sicheren Westen flüchten. Die dort ausharren und ihren Alltag recht bescheiden bewältigen müssen in all diesem Elend und in all der Zerstörung, Tausende Kilometer von Neuhaus entfernt.

Private Hilfsaktion zieht immer weitere Kreise

Als die Tierärztin Irene Heck davon hörte, dass es im Nettersheimer Ortsteil Marmagen eine Gruppe um den Polizeibeamten Thomas Claßen gibt, die eine private Hilfsaktion zugunsten der Ukraine auf die Beine gestellt hat – schon kurz nach Kriegsausbruch vor gut drei Jahren (wir berichteten) –, beschloss auch sie spontan, sich zu engagieren. Auf dem Hof in Neuhaus, bei der Wohngemeinschaft, geht sie ein und aus. Die Veterinärin kümmert sich regelmäßig um den Tierbestand der sozialen Einrichtung. Und so kamen Irene Heck und das „Neue Leben“ schnell zusammen.

Auch diesen Menschen war einst geholfen worden. Von den Spenden, die an die Opfer der Flutkatastrophe im Juli 2021 im nicht weit entfernten Ahrtal gegangen waren, blieb eine ganze Palette von lange haltbaren Lebensmitteln übrig. Insbesondere jede Menge Nudelpakete – italienische Biospaghetti – standen da noch massenhaft parat, insgesamt wohl die stattliche Gesamtmenge von rund einer Tonne, wie zu erfahren war.

Freie Christengemeinde kümmert sich um Suchtkranke

Irene Heck fuhr mehrfach von ihrem Wohn- und Praxisort Baasem zum Zwischenlager der Helfer nach Marmagen, nahm außerdem noch medizinisches Gerät wie Krücken als eigene Spenden mit. Heck hatte auf Facebook gepostet, dass sie Hilfsgüter für die Ukraine sammelt und weitergibt. Der kurze Draht zu Neuhaus war geknüpft, wie Denis Kemerer, der Leiter dieser sozialen Einrichtung, im Gespräch mit unserer Zeitung darlegte.

Er hatte ihren Post zufällig gelesen. Bereits seit 18 Jahren arbeitet Kemerer in dem Hellenthaler Ortsteil. Es ist eine christliche Organisation, die sich dort um die Suchtkranken kümmert. Sie gehört zur Freien Christengemeinde in Blankenheim und wurde vor mehr als 20 Jahren von dem Diplom-Psychologen und Seelsorger Grigori Neufeld ins Leben gerufen.

Viele von ihnen sind in den Westen gekommen, um Geld zu verdienen – und sind auf der Straße gelandet.
Denis Kemerer

„Wir sind spezialisiert auf Spätaussiedler aus dem russischen Sprachraum“, erklärt Denis Kemerer die Bewohnerstruktur. „Ende der 1990er-Jahre bin ich selber einer von ihnen gewesen“, fügt er an. Die heterogene Gruppe umfasst etwa zwei Dutzend Personen im Alter von rund 20 bis 60 Jahren, darunter Polen, Ukrainer, Letten, Litauer und weitere mit slawischen Wurzeln, die gleichfalls zu dieser Gemeinschaft gehören.

„Viele von ihnen sind in den Westen gekommen, um Geld zu verdienen – und sind auf der Straße gelandet.“ Sie seien „nicht richtig integriert“ gewesen, hätten unter Drogen- und Alkoholexzessen gelitten. Kemerer macht deutlich, dass eigentlich „alle Mitarbeiter Migrationshintergrund“ hätten. Für die Bewohner gebe es den Bauernhof mit Zuchtbetrieb zum Mitarbeiten und zur Selbstversorgung.

Fülle von Hilfsgütern an der Burg Marmagen abgegeben

Zudem stünden weitere Betriebseinheiten bereit, wie eine Palettenbearbeitung, die zum Angebotsspektrum zählt und womit auch das Geld für Unterhalt, Therapie und Nachsorge verdient werden solle, wie der Einrichtungsleiter ergänzt. Am Ende aller Betreuung solle möglichst stehen, dass die Bewohner wieder auf eigenen Füßen agieren könnten, wieder in den „richtigen Arbeitsmarkt entlassen“ würden.

Viele der einstigen Neuhaus-Bewohner blieben allerdings in der Gegend. Und aus diesem Personenkreis rekrutiere die Freie Christengemeinde oft ihre neuen Mitglieder, macht Denis Kemerer deutlich. Jetzt sind die Menschen der Wohngemeinschaft Neuhaus zu einem Teil des Ukraine-Netzwerks geworden, das Thomas Claßen und seine Helfer in Marmagen knüpfen.

Die Sammelaktion zugunsten des von Russland überfallenen Kriegslandes ist in den letzten Tagen weitergegangen. Eine Fülle von Hilfsgütern wurde an der Burg Marmagen abgegeben. Vielleicht schon Ende der Woche könne der Spendentransport gen Osten starten, kündigte der 55-jährige Marmagener „Burgherr“ an. Und danach wird es weitere Touren in das Kriegsland geben, auch wenn aktuell so viel von einem angeblich bevorstehenden Friedensschluss die Rede ist. Claßen und sein Team werden wohl so schnell nicht aufhören.