Kreis Euskirchen – Die Bezirksregierung Köln hat das Überschwemmungsgebiet der Erft für ein 100-jährliches Hochwasserereignis neu ermittelt. Das daraus resultierende Überschwemmungsgebiet hat die Bezirksregierung vorläufig gesichert. „Dadurch sollen natürliche Rückhalte- und Überflutungsflächen erhalten und die Neuansiedlung weiterer Hochwasserrisiken verhindert werden“, erklärt Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung Köln: „In den Überschwemmungsgebieten werden Handlungen verboten, die sich negativ auf den Wasserabfluss auswirken können – beispielsweise die Ausweisung neuer Baugebiete, bauliche Maßnahmen und das Lagern von geräumigen Gegenständen.“
Die Berechnungen gehören nicht erst seit der Flutkatastrophe zum Aufgabenbereich der Bezirksregierung, sondern würden regelmäßig durchgeführt. Die Bezirksregierung erstellt für verschiedene Hochwasserszenarien sogenannte Gefahren- und Risikokarten, in denen die jeweils überströmten Flächen, die Fließgeschwindigkeiten, Wassertiefen und Nutzungen dargestellt werden.
Überschwemmungsflächen wurden größer
Die untersuchten Szenarien sind „ein häufig auftretendes Hochwasser (statistisch alle ein bis zwei Jahre)“, „ein mittleres Hochwasser (statistisch alle 100 Jahre) oder „ein seltenes Hochwasser (statistisch alle 500 Jahre)“.
Für das 100-jährliche Hochwasserereignis setzt die Bezirksregierung Köln zudem ein Überschwemmungsgebiet fest oder sichert dies vorläufig, wenn beispielsweise neue Erkenntnisse und Berechnungen vorliegen – wie im Einzugsgebiet der Erft nach dem Hochwasser 2021. Die aktuellen Berechnungen hätten gezeigt, dass sowohl für ein 100-jährliches Ereignis als auch für ein Extremereignis die Überschwemmungsflächen teilweise größer geworden seien.
Besondere Auflagen
Was heißt das konkret? Wer neu baut, muss den Hochwasserschutz beachten – wenn er denn bauen darf. „Im Einzelfall kann die zuständige Wasserbehörde einen Neubau genehmigen, wenn dargelegt wird, dass unter anderem der Verlust von verloren gehendem Rückhalteraum umfang-, funktions- und zeitgleich ausgeglichen wird, der Wasserstand und der Abfluss bei Hochwasser nicht nachteilig verändert wird und der Bau hochwasserangepasst ausgeführt wird“, erklärte Nolte.
Prozesse noch zu langsam
Die Kommunen beklagen seit der Hochwasserkatastrophe die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten und die unterschiedliche Höhe der Förderung bei Maßnahmen gegen Starkregen oder Hochwasser. Der Frust ist mitunter groß. „Es gibt für den Themenkomplex Starkregen und Hochwasser bisher nur ressortspezifische Förderrichtlinien – beispielsweise aus dem Umweltministerium und aus dem Bauministerium“, erklärt Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung Köln.
Hoher Aufwand
Die Bezirksregierung könne nur entsprechend der jeweiligen Förderkulisse und Fördervoraussetzungen über Bewilligungen entscheiden. In der Praxis bedeute dies bei diesem Themenkomplex neben den schwierigen Abgrenzungsfragen für die jeweilige Förderkulisse meist deutlich erhöhten Aufwand für die Planung und Antragstellung. „Ohne eine Änderung der Förderrichtlinien seitens des Landes kann die Bezirksregierung nicht anders verfahren“, so Nolte.
Darum dauert die Bewilligung
Dass eine Bewilligung mitunter länger dauere, liege bei Hochwasserschutzanlagen – beispielsweise Hochwasserrückhaltebecken – an der langjährigen Planungsphase, da unter anderem große Flächen verfügbar sein müssten und die Umweltverträglichkeit nachgewiesen werden müsse, so Nolte: „Erst wenn vollständige Antragsunterlagen bei den Genehmigungsbehörden vorliegen, können die erforderlichen Genehmigungsverfahren entsprechend der rechtlichen Vorgaben durchgeführt werden.“
Kritik der Kreis-SPD
Auch die Kreis-SPD ist unzufrieden. „Über ein Jahr nach der Flutkatastrophe muss man leider den Eindruck haben, dass Landesregierung und Wasserverbände beim Hochwasserschutz nicht wirklich vorangekommen sind. Weder sind zerstörte Pegelmesser wieder aufgebaut, noch sind neue Pegelmesser installiert worden“, so Thilo Waasem, Vorsitzender der SPD-Kreistagsfraktion. „Es sind viele Maßnahmen identifiziert worden, die auch kurzfristig angegangen werden können. Kaum welche sind umgesetzt und Kommunikation findet nicht statt.“ Die SPD-Kreistagsfraktion Euskirchen kündigt daher in einer Pressemitteilung an, die zwei zuständigen Wasserverbände in die Gremien des Kreises einzuladen und auf einen schnelleren Fortschritt und bessere Kommunikation zu drängen.
Gesichert heißt in diesem Fall aber nicht gekauft. Die Eigentumsverhältnisse innerhalb des vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebietes bleiben der Pressesprecherin zufolge unverändert.
Durch die vorläufige Sicherung lege die Bezirksregierung nur fest, dass in diesen Gebieten künftig Verbote oder erhöhte Anforderungen für bauliche Maßnahmen gelten. Diese müssen die Kommunen und Behörden bei ihren bauleitplanerischen Entscheidungen oder Genehmigungen berücksichtigen.
Kein Bau ohne Genehmigung
Für Bürgerinnen und Bürger in den betroffenen Gebieten bedeutet dies, dass ohne eine entsprechende Genehmigung keine baulichen Veränderungen auf den Grundstücken durchgeführt werden dürfen.
Die zuständige Behörde für Ausnahmegenehmigungen im Überschwemmungsgebiet der Erft und ihrer Nebengewässer ist der Kreis. Die Kontrollen im Überschwemmungsgebiet erfolgen im Rahmen der Gewässeraufsicht. Dabei ist die Bezirksregierung Köln für die Erft zuständig, die jeweiligen Kreise sind es für die Nebengewässer der Erft. „Wer entgegen dem Verbot dennoch bauliche Anlagen errichtet, muss mit einem Bußgeld bis zu 50 000 Euro belegt werden“, so Nolte.
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Für bereits bestehende Bauten in festgesetzten oder vorläufig gesicherten Überschwemmungsgebieten gilt Nolte zufolge ein Bestandsschutz. Bauliche Veränderungen seien jedoch nicht mehr oder nur noch mit einer Ausnahmegenehmigung zulässig.