Kall – Mobile Hochwasserschutzwände, selbstschließende Fenster bei Wasseranstieg oder hochwasserdichte Garagentore: Die Angebote, sich vor dem Eindringen von Wasser zu schützen, sind vielfältig. In Kall hat der Verein „Hochwasser Kompetenz Centrum“ über die Möglichkeiten für Anwohner informiert.
„Wir versuchen die Fragen zu klären, wie sich die Anwohner wappnen können“, sagt Thomas Kahlix vom „Hochwasser Kompetenz Centrum“. Zusammen mit Reinhard Vogt, ehemaliger Leiter der Hochwasserschutzzentrale Köln und seit 2014 Berater für Risikovorsorge im Hochwasser- und Starkregenschutz, hat Kahlix auf dem Platz vor dem Kaller Rathaus einen Infostand aufgebaut. Etwa zehn Anwohner sind an dem Nachmittag gekommen, um sich zu informieren, wie sie künftig vorsorgen können.
Hundertprozentigen Schutz vor Hochwasser gibt es nicht
Dabei macht Kahlix aber deutlich: Den perfekten Schutz gibt es nicht. Selbst ein wasserdichter Keller, den eine Firma extra in Auftrag gegeben hatte, um dort ihr Techniklager einzurichten, wurde zum Schluss geflutet, berichtet der Fachmann. Das Wasser sei durch die Toilette gekommen, die nachträglich eingebaut wurde – dabei sei der Rücklaufschutz vergessen worden.
„Hochwasser Kompetenz Centrum“
Der Verein „Hochwasser Kompetenz Centrum“ gründete sich nach dem Hochwasser im Dezember 1993 in Köln aus Betroffenen und verantwortlichen Akteuren. Der Verein will vor allem aufklären, Hilfe zur Selbsthilfe leisten und komplexes Fachwissen für jedermann verständlich machen.
Der Vorstand setzt sich dafür aus elf Mitgliedern aus Wissenschaft und Wirtschaft, wie dem Mieterverein Köln, der RWTH Aachen, der Bürgerinitiative Hochwasser, Altgemeinde Rodenkirchen und der Abteilung Stadtentwässerung der Bundesstadt Bonn zusammen.
Der Verein „Hochwasser Kompetenz Centrum“ verfolgt einen gemeinnützigen Zweck zur Förderung von Wissenschaft und Forschung sowie von Bildung, Beratung und Erziehung in allen Fragen des Hochwassers- und Starkregenrisikomanagements. (jes)
Doch auch Rücklaufklappen bieten keinen hundertprozentigen Schutz: Wer dort oder bei Pumpen auf Elektronik setzt, sollte daran denken, dass bei einem Stromausfall die Technik versagen könne, so der Fachmann. Ein Notstromaggregat sei in solchen Fällen ratsam, sagt Kahlix, benötige aber Benzin. Das muss vorrätig sein und hochwassersicher gelagert werden.
Experten informieren in Kall: Sandsäcke für Hochwasserschutz nicht mehr zeitgemäß
Dennoch wollen sich die Privat- und Geschäftsleute schützen. Viele haben dazu bereits investiert, sagen sie. Aber jetzt, wo die Häuser renoviert und bauliche Veränderungen vorgenommen werden müssen, wollen sie noch mal nachbessern.
„Ich möchte gerne vorbeugen“, sagt einer der Anwohner. Bei ihm sei das Wasser über die Terrasse in den Keller geflossen. Mobile Wände, die innerhalb einer Minute alleine aufzubauen seien, wären dafür eine Lösung. Sandsäcke, so Kahlix, seien dagegen veraltet: „Die müssen als Sondermüll entsorgt werden, weil sie kontaminiert sind.“
Ein anderer Anwohner denkt nun über ein Dammbalkensystem, eine mobile Schutzwand, nach. Er wohnt direkt neben der Urft. Eine Mauer vor dem Haus habe viel abgehalten, sagte er: „Die Mauer muss jetzt aber saniert werden. Dann kann ich da auch gleich einen Hochwasserschutz anbringen. Man muss sich im Klaren darüber sein, das kann jederzeit wieder passieren.“
Bürger können Hochwassergefährdung bei Land NRW einsehen
Eine der anwesenden Kallerinnen muss ihr Haus aufgrund der Flut abreißen. Sie will es aber an gleicher Stelle wieder aufbauen – mit noch mehr Blick auf den Hochwasserschutz. Sie denkt über ein wasserfestes Garagentor nach. Dabei liege sie gar nicht im Hochwassergebiet: Das Land NRW ist seit 2007 verpflichtet, Berechnungen für Überflutungen zur Verfügung zu stellen.
Über eine Animation vom Interministeriellen Ausschuss zum Aufbau der Geodateninfrastruktur NRW können Bürger einsehen, wie stark sie vom Hochwasser betroffen sein könnten. Die Karte sage bei ihr kein Risiko voraus. Kahlix bemängelt, neben dem geringen Bekanntheitsgrad der Karten, dass die Daten zur Grundlage der Berechnung veraltet seien. Sollten auch die Daten von der Flut eingepflegt werden, sähe die Berechnung anders aus, ist sich der Berater sicher.
Hochwasserschutz erfordert „gesamte nachhaltige Strategie“
„Sicherheit und Schutz alleine gibt es nicht“, gibt Kahlix zu bedenken. Hochwasserschutz funktioniere nur, wenn die Kommunen im Einzugsgebiet eines Gewässers sich als Gemeinschaft zusammentun: „Bisher läuft Hochwasserschutz individuell, es braucht aber eine gesamte nachhaltige Strategie.“ Ansonsten würde das Problem nur weiter flussabwärts geschoben werden.
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„Man muss sich grundsätzlich überlegen, wie man mit Hochwasser umgeht und umdenken“, so Kahlix. Dafür sei auch wichtig, dass schon der Schutz vor Hochwasser gefördert und nicht nur die Frühwarnung verbessert wird. „Das Jahrhunderthochwasser ist eigentlich ein zehnjähriges Hochwasser“, sagte Kahlix. Dafür sorge der Klimawandel.
www.geoportal.nrw/themenkarten
(Hochwasser Gefahrenkarte – Umwelt und Klima – Wasser – Hochwasser Risikokarte – niedrige Wahrscheinlichkeit)Am Freitag, 15. Oktober, ist der Verein von 14.30 bis 18.30 Uhr auf dem Marienplatz in Gemünd und berät Interessierte zum Hochwasserschutz.