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Karneval im Kreis EuskirchenJecken setzen auf Nachhaltigkeit

Lesezeit 5 Minuten
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Die Merzenicher Jecken haben 1500 Hundekotbeutel mit Kamelle vollgepackt. Die werden sie beim Zülpicher Rosenmontagszug den Narren in die Hand drücken.

  1. Rohkost als Wurfmaterial – das hatte bisher im Karneval eher einen humoristischen Touch.
  2. Doch die Frage, was in welchen Behältnissen wie geworfen wird in den Karnevalszügen wird unter den organisierten Jecken intensiv diskutiert.
  3. Viele Karnevalsvereine im Kreis Euskirchen sind auf dem Weg zum nachhaltigen Zoch schon ein Gutes Stück vorangekommen. Ein Überblick.

Kreis Euskirchen – Porreestangen, rheinische Kartoffeln und manchmal auch selbstgehäkelte Topflappen: Schon seit Jahren werden nicht mehr nur Kamelle und Strüßjer an die Jecken am Straßenrand verteilt, wenn die Umzüge durch die Straßen der Städte und Dörfer ziehen. Allerdings hatte das Verteilen von vitaminreicher Rohkost bisher eher einen humorvoll gemeinten Anstrich.

In Zeiten des spürbaren Klimawandels darf ernsthaft gefragt werden: Wie feiert man nachhaltig Karneval, ohne gleich das Brauchtum abschaffen zu wollen?

Rheinische Kartoffeln als Wurfmaterial begehrt

„Auch in diesem Jahr werden wir wieder die Mischung suchen und versuchen, um den Anteil des erkennbar nachhaltigen Wurfmaterials zu erhöhen“, erzählt beispielsweise Stephan Steinhoff, Schulleiter der Gesamtschule Weilerswist, die am Nelkensamstag eine der größten Gruppen im Umzug stellt. Im vergangenen Jahr seien die rheinischen Kartoffeln, die man gespendet bekommen habe, durchaus begehrt gewesen.

Alles zum Thema Zülpicher Straße in Köln

Beim Kinderumzug, den die Grundschule Großbüllesheim erstmals am Weiberdonnerstag veranstaltet, wird ebenfalls die Nachhaltigkeit nicht aus den Augen gelassen. „Wir werden Kamelle werfen, aber auf Qualität und nicht auf Quantität setzen“, so Zugleiterin Hanna Weiler.

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Auch die Kostüme der Grundschulkinder würden weitestgehend aus alten Stoffen, Decken und wiederverwerteten Materialien gebastelt. Beim Umzug in Großbüllesheim sollen die Kamelle zudem direkt in die Beutel der Jecken am Straßenrand geschmissen werden und nicht auf den Boden.

Müllvermeidung ist den Karnevalisten wichtig

Auch für die KG Nubbel aus Großbüllesheim ist Nachhaltigkeit längst ein Thema. Geeignete Entsorgungspunkte für Glas und Sammelcontainer für Pappkartons wurden von den Jecken in den vergangenen Jahren gut angenommen und halfen bei der Müllvermeidung.

„Es ist ein stetiger Prozess“, sagt Jürgen Deters, Präsident der KG Nubbel. „Plastik ist ein Thema, das uns definitiv bewegt“, ergänzt er. Der junge Verein versucht, Plastik zu reduzieren, indem er Plastikbecher durch Pappbecher ersetzt.

In Blankenheim-Hüngersdorf wird sich dieses Jahr in Sachen Nachhaltigkeit auf jeden Fall etwas tun: Der Bürgerverein, dem die Karnevalisten unter dem schönen Namen „De Knallköpp“ angeschlossen sind, werden zu Beginn ihres Zuges am Tulpensonntag kleine Edelstahlbecher verteilen, aus denen dann Schnaps und Kabänes gekippt werden kann.

„Wir hatten in den letzten Jahren immer das Problem, dass die zersplitterten Plastikschnapsbecher überall herumlagen“, sagt Michael Heß, Sprecher der Knallköpp.

Am Endpunkt des Umzuges werden zwei Abgabestationen aufgebaut, an denen die Jecken ihre benutzten Becher wieder abgeben können. „Oder man behält seinen Becher und bringt ihn nächstes Jahr wieder mit“, so Heß.

Manche der mitlaufenden Gruppen hätten zwar noch Altbestände an Plastikgläschen, diese sollen aber zum Auslaufmodell werden.Das Thema „Klimawandel“ wurde von den Knallköppen auch auf der jüngsten Sitzung aufgegriffen: „Mögen wir auch untergehen, mit euch zu lachen mäht es schön!“, hieß es da mit einem gewissen Galgenhumor.

Das Meer und seine Bewohner standen Pate für die Deko der Halle, ebenso die Vermüllung der Weltmeere mit Plastikabfall.

In Merzenich hat man sich ebenfalls Gedanken über einen nachhaltigen Rosenmontagszug gemacht. Die Jecken um Dirk Schötzau ziehen in diesem Jahr als Dalmatiner durch die Straßen ihres Heimatortes und am selben Tag auch noch durch Zülpich.

Kamelle werfen in Merzenich aus der Mode

Die Kamelle werden weder in Merzenich noch in der Römerstadt geworfen, sondern den Jecken in Jutebeuteln in die Hand gedrückt.

„In Merzenich machen wir das schon lange, unabhängig von Kostüm und Motto“, berichtet Schötzau: „Wir wollen nicht, dass die Kamelle im Straßengraben liegen bleiben. Dafür sind sie zu schade und der Umwelt tut das auch nicht gut.“

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Kamelle im Hundekotbeutel, der wiederverwertet werden kann. 

Für den Rosenmontagszug in Zülpich haben sich die Merzenicher Jecken etwas Besonderes einfallen lassen. Schötzau hat 1500 recycelbare Hundekotbeutel im Internet bestellt. Die roten Büggel sind mittlerweile randvoll mit Kamelle gepackt und zugeknotet.

Schötzau: „Wir werden die Beutel nicht werfen, sondern sie den Jecken anreichen.“ So soll der Müll am Straßenrand reduziert werden. „Das ist unser Beitrag zum Umweltschutz“, sagt der Merzenicher Karnevalist.

Zülpichs Stadtrat lehnte Antrag zu klimaneutralem Zug ab

E-Scooter statt traditionellem Prinzenwagen, Zugteilnehmer auf Segways, Tretmobile, die die mit Benzinmotoren angetriebenen Bagagewagen ersetzen – wäre es nach einem Zülpicher Ehepaar gegangen, wäre der Rosenmontagszug in der Römerstadt schon in dieser Session klimaneutral.

Einen entsprechenden Antrag hatte das Ehepaar bei der Zülpicher Verwaltung eingereicht. Der Rat lehnte den Antrag allerdings einstimmig ab.

Nach Einschätzung der Zülpicher Karnevalsvereine sind die Mottowagen für elektrobetriebene Fahrzeuge zu schwer, die Idee sei eher Aktionismus. Dieser Einschätzung ist der Zülpicher Stadtrat gefolgt.

Verein führt in die „Jecke Fairsuchung“

Fair gehandelte Produkte fest im Karneval zu verankern, über den Fairen Handel zu informieren und einen Beitrag zu mehr Gerechtigkeit in der Welt zu schaffen, das sind die Ziele des Vereins „Jecke Fairsuchung“.

Der Verein wirbt für fair gehandeltes und speziell verpacktes Wurfmaterial, beispielsweise Bio-Schokotäfelchen, Maniokchips aus Indonesien, Mango-Fruchtgummis von den Philippinen sowie für faire Strüssjer. „Ein fairer Anteil von 10 Prozent der Kosten für das Wurfmaterial im Straßenkarneval ist unser Ziel“, heißt es auf der Internetseite.

Jährlich wird zudem in Zusammenarbeit mit Städten und Gemeinden die Auszeichnung „Faire Jecken“ vergeben. Damit wird ein besonders vorbildliches Engagement aktiver Karnevalisten für den Fairen Handel gewürdigt.

Die Schirmherrschaft über die Kampagne „Jecke Fairsuchung“ haben Elfi Scho-Antwerpes, Bürgermeisterin der Stadt Köln, und Fernsehmoderator Jean Pütz übernommen.

Die beiden Kölner Tatortkommissare Schenk und Ballauf – Schauspieler Klaus J. Behrendt und Dietmar Bär – unterstützen die Kampagne ebenfalls sehr aktiv. (hn)