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Ablehnung oder Zustimmung?Betroffene im Kreis Euskirchen über das Klimaschutzkonzept

Lesezeit 7 Minuten

Die Investitionen ins Schienennetz werden begrüßt, doch zunächst wird es viele Baustellen geben.

  1. Beim Thema Klimaschutzprojekt werden die Stimmen laut – sowohl positiv als auch negativ.
  2. Man sollte meinen. dass vor allem Solar und Windkraft profitieren, doch so ganz zufrieden sind die Verantwortlichen dort auch nicht...
  3. Und was sagen eigentlich die Pendler?

Kreis Euskirchen – Das Klimaschutzkonzept der Bundesregierung – den einen geht’s zu weit, den anderen nicht weit genug. Auch Firmen, Verkehrsunternehmen und Energieversorger im Kreis sind davon betroffen. Und nicht zuletzt Tausende von Kreisbürgern, die weite Strecken zur Arbeit auf sich nehmen.

Solar

Die Deckelung der Förderung von Photovoltaikanlagen auf insgesamt 52 Gigawatt soll fallen, heißt es im Eckpunktepapier der Großen Koalition. Diese Grenze wäre sonst Mitte 2020 erreicht worden.

Für Christian Salewski in Vussem ist dies aber kein Anlass, die Sektkorken knallen zu lassen: „Dass die Förderung verlängert wird, war vorher klar“, sagt der Geschäftsführer von ProSolarTec. Die Klimaschutzziele würden aber mit dem Paket nicht erreicht, prophezeit er: „Es fehlt eine gesamtheitliche Strategie.“

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Salewski erläutert das anhand der Unternehmenspraxis: Seine 50 Mitarbeiter an den Standorten in Vussem und Langenfeld, darunter zehn im Außendienst, bauen monatlich rund 40 bis 50 Anlagen auf Dächer von Häusern und Gewerbebetrieben. Fände er ausreichend qualifizierte Kräfte auf dem Arbeitsmarkt, könnten es durchaus 80 sein: „Ein Elektrofachmann muss ja mindestens dreieinhalb Jahre Ausbildung machen. So etwas geht ja nicht im Crashkurs.“

Erhöhte Einsparmotivation der Verbraucher?

Dabei dürfte die Nachfrage künftig weiter steigen, denn es werde mehr Strom gebraucht, was wiederum die Einsparmotivation der Verbraucher erhöhe. Salewski rechnet vor: Ein normaler Vier-Personen-Haushalt verbrauche im Jahr zwischen 3500 und 5000 Kilowattstunden (kWh). Werde künftig das E-Auto in der Garage aufgeladen, kämen bei 20 000 Jahreskilometern etwa 4000 kWh dazu. Eine Wärmepumpe zum CO2 -neutralen Heizen verbrauche zusätzlich rund 4000 Kilowatt.

„Dann“, so der Firmenchef, „wären wir bei 10 000 kWh im Jahr, wenn man recht sparsam haushaltet.“ Bei 30 Cent/kWh komme der Haushalt auf rund 3000 Euro Stromkosten im Jahr. Auch wenn ein großer Ausgabebatzen – etwa für Öl, Diesel und Benzin – wegfalle, sei das ein „Kostenklumpen“, den so mancher Verbraucher gerne verkleinern würde. Nur wer solle die Anlagen bauen, wenn es an Fachkräften mangele und gleichzeitig Millionen von Ladepunkte für die Elektromobilität, Windkraft, Wärmepumpen und Gebäude gebaut werden sollen, fragt Christian Salewski rhetorisch.

Bahn

Bis 2030 wollen die Deutsche Bahn und der Bund 86 Milliarden Euro ins Schienennetz investieren. Das begrüßt der Geschäftsführer des Zweckverbandes Nahverkehr Rheinland, Dr. Norbert Reinkober, sehr: „Dies ist gerade in Zeiten der angestrebten Mobilitätswende und dem dadurch erwarteten Fahrgastzuwachs das richtige Zeichen.“ Nur durch Investitionen könne eine zukunftsfähige Mobilität sichergestellt werden – auch auf Eifel- und Voreifelstrecke.

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Doch Baumaßnahmen seien mit Störungen verbunden. „Dem NVR ist bewusst, dass den Fahrgästen eine schwierige Zeit mit Beeinträchtigungen bevorsteht“, so Reinkober. Da bereits jetzt die Kapazitätsgrenzen erreicht sind, sei der Ausbau aber zwingend erforderlich: „Ohne diesen ist kein zukunftsfähiger ÖPNV möglich.“ Der NVR bemühe sich generell um Angebotsverbesserungen, die seien derzeit aufgrund der unzureichenden Infrastruktur lediglich in den Tagesrandlagen möglich.

Die kurzen Fahrten werden bereits mit sieben Prozent besteuert, dieser Mehrwertsteuersatz soll ab 2020 auch für Fernfahrten gelten, deren Preise um zehn Prozent sinken. Inwieweit das zu mehr Gästen in den Regionalzügen führt, die zu den Fernzügen in den großen Bahnhöfen fahren, sei noch nicht absehbar, so der NVR.

Windkraft

1000 Meter Abstand zur Wohnbebauung – daran möchte die Bundesregierung festhalten. Markus Böhm, Geschäftsführer der Energie Nordeifel (ene), die 15 Windräder im Süden des Kreises und im benachbarten Eifelkreis Bitburg-Prüm betreibt, hält das für akzeptabel. Allerdings hat die CDU/FDP-Regierung in NRW erst kürzlich im Landesentwicklungsplan einen Abstand von 1500 Meter festgeschrieben. Unter dieser Maßgabe hält Böhm die Ausbauziele bei den erneuerbaren Energien – sie sollen bis 2030 von derzeit knapp 40 auf mehr als 60 Prozent steigen – für nicht erreichbar.

Nicht zufrieden mit der Regierung: Solar-Technik-Unternehmer Christian Salewski.

„Wichtig ist Verlässlichkeit für die Projektierer“, stellt Böhm fest. Die 1000 Meter halte er für sinnvoll: „Bei geringeren Abständen werden Projektrealisierungen eher schwierig – zum einen wegen der Akzeptanzprobleme in der Bevölkerung allgemein, zum anderen, weil angesichts von Schall- und Schattenbildung bei hohen Anlagen 1000 Meter Abstand durchaus angemessen sind.“

1500 Meter Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung?

Die Menschen, die sich in der „Arbeitsgemeinschaft Windkraft“ gegen Belastungen für Mensch und Natur durch Windenergieanlagen (WEA) organisiert haben, vertrauten hingegen auch weiterhin darauf, dass die 1500 Meter Mindestabstand von Windrädern zur Wohnbebauung in NRW erhalten bleiben, obwohl die Bundesregierung nun deutschlandweit einen Mindestabstand von 1000 Metern plane, so deren Sprecher Ralf Hoffmann.

Bundesländer und Kommunen bräuchten allerdings diesen Mindestabstand nicht einhalten und erhielten in diesem Fall noch eine Vergütung dafür, kritisiert Hoffmann: „Das wäre in etwa so, als würde eine Geschwindigkeitsbegrenzung beschlossen, an die sich halten kann, wer will. Und wenn man dagegen verstößt, dann erhält man auch noch eine Prämie.“

Ölheizungen

Mit 40 Prozent Austauschprämie will die Bundesregierung den Immobilienbesitzern den Wechsel von der Ölheizung zu erneuerbarer Wärme schmackhaft machen. Ab 2026 soll der Einbau von Ölheizungen nicht mehr gestattet werden.

Das allerdings hält Rolf Lütz, Chef des Gemünder Heizöl-Lieferanten Theo Lütz, für unrealistisch – zumindest für abgelegene Ortschaften oder Höfe. Er denke dabei an Orte wie Einruhr, Erkensruhr oder Wolfert. „Die haben auf absehbare Zeit keine Alternative zum Öl“, sagt Lütz.

Gas? Dafür fehlten die Leitungen. Wärmepumpen? „Woher soll denn der ganze Strom kommen, wenn viele auf Wärmepumpen umsteigen und alle mit Elektroautos fahren sollen?“, fragt Firmenchef Lütz. Bisher nehme er keine große Tauschwelle vom Öl weg wahr, sagt der Lieferant. Ob die Austauschprämie das ändern werde, müsse man sehen. Klar sei ihm aber auch: „Der nächste Generation, die für sich die kommenden 40 Jahre ins Auge fassen muss, wird es schwerer haben im Heizölhandel.“ Denn die Ölheizungen würden verschwinden – wenn auch nicht so schnell, wie manche denken. Es werde künftig immer weniger Lieferanten geben, vermutet Lütz. Dadurch hätten die anderen aber ihr Auskommen.

Busse

Die Zahl der Öko-Busse im Kreis, in dem pro Jahr rund 8,3 Millionen Fahrplankilometer gefahren werden, steigt kontinuierlich. Die Regionalverkehr Köln GmbH (RVK) und der Kreis wollen die Busflotte nach und nach auf Bio-Erdgas umstellen. „In Spitzenzeiten sind im Kreis 90 Busse unterwegs“, sagt RVK-Geschäftsführer Eugen Puderbach. Hinzu kommen 20 Busse, die die RVK im Auftrag des Stadtverkehrs Euskirchen (SVE) fährt.

Windkraftanlagen: 1000 oder 1500 Meter Abstand – Befürworter wie Gegner sind gespannt.

Bereits seit September 2017 fahren drei Busse auf der Nationalpark-Linie (SB 82) zwischen Kall und Vogelsang auf diese Weise klimaschonend. Für dieses Jahr haben Kreis und RVK 20 weitere Bio-Erdgas-Busse sowie eine Bio-Erdgas-Tankstelle versprochen. „Das klappt“, freut sich Puderbach: „Ende November werden die Tankstelle und die 20 Busse auf dem Betriebshof in Euskirchen stehen.“

Bio-Erdgas weist laut Puderbach weniger Schadstoffe auf als Diesel oder Strom nach dem aktuellen EU-Strom-Mix. Bio-Erdgas entstehe aus organischen Abfällen und aus den Hinterlassenschaften von Tieren. Andere Kraftstoffe aus der Natur wie etwa der aus Raps kämen für die RVK aus ethischen Gründen nicht infrage, stellt Puderbach klar: „Alles, was man essen kann, kommt bei uns nicht in den Tank.“ Dass die Bundesregierung mit dem Klimapaket den ÖPNV mit jährlich einer Milliarde Euro und ab 2025 mit zwei Milliarden Euro fördern will, erleichtere Kommunen die Umrüstung, so Puderbach.

Pendler

Der Spritpreis steigt 2021 um drei Cent je Liter, bis 2026 um zehn Cent. Die Pendlerpauschale steigt von 30 auf 35 Cent ab dem 21. Kilometer (befristet bis 2026). Das schlägt die Bundesregierung vor – und das stößt beim Co-Vorsitzenden der Kreis-Grünen, Wilfried Gierden, auf Kritik: „Die steuerliche Entlastung durch die Erhöhung der Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer kommt vornehmlich besserverdienenden Berufspendlern zugute – diese werden nun noch weiter begünstigt, während Menschen mit einem geringen Einkommen wenig bis gar nicht entlastet werden.“

Immer mehr RVK-Busse im Kreis fahren mit Bio-Erdgas. Die Zuschüsse könnten dabei helfen.

Eine Lenkungsbewegung sei damit kaum zu erreichen. Menschen, die ökologisch sauberer zur Arbeit fahren, sollten stärker belohnt werden, so Gierden.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete Detlef Seif zeigt sich mit Blick auf seinen Wahlkreis erfreut darüber, dass die Belastungen für die Pendler moderat ausfallen: „In wenigen Einzelfällen bekommen Pendler sogar etwas mehr bei der Steuererklärung zurückerstattet, als sie an der Tankstelle mehr zahlen müssen.“ Er habe der CDU-Bundesvorsitzenden Annegret Kamp-Karrenbauer und Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus vor Monaten klargemacht, dass er einer übermäßigen Belastung der Pendler nicht zustimmen werde: „Es darf nicht sein, dass der ländliche Raum mehr als die Ballungsgebiete für den Klimaschutz aufbringen muss.“