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Streit ums GeldPolitiker im Kreis Euskirchen beraten über 532-Millionen-Euro-Paket

Lesezeit 8 Minuten
Ingo Hessenius sitzt an seinem Schreibtisch in der Kreisverwaltung. Im Hintergrund auf einem Bildschirm ist ein Säulendiagramm zu sehen, das den Anstieg der Sozialausgaben für den Kreis verdeutlicht.

Der Herr der Zahlen und Tabellen: Kreiskämmerer Ingo Hessenius. Das Säulendiagramm auf dem Bildschirm verdeutlicht den Anstieg der Sozialausgaben für den Kreis in den vergangenen Jahren.

Bürgermeister, Landrat und Politiker im Kreis Euskirchen streiten übers Geld. Doch sie sind ziemlich machtlos. Die Gründe für die Krise liegen woanders.

Die Reaktionen der Bürgermeisterinnen und Bürgermeister waren nicht anders zu erwarten. Als Landrat Markus Ramers ihnen vor wenigen Wochen mitteilte, dass die Städte und Gemeinden für 2025 rund 31 Millionen Euro mehr an Umlage an den Kreis zahlen sollen als 2024, war das Entsetzen groß.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Kreisverwaltung hatte schon vor einem Jahr einen Anstieg in dieser Größenordnung öffentlich prognostiziert. Da war sogar von 35 Millionen Euro die Rede.

So ergibt sich in der Auseinandersetzung eine komplexe Gemengelage. Da sind die Chefinnen und Chefs in den Rathäusern, denen oftmals nur noch Steuererhöhungen zulasten ihrer Bürger übrig bleiben, um über die Runden zu kommen.

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Kreis Euskirchen: Haushaltsentwurf umfasst mehr als eine halbe Milliarde

Daher fordern sie den Kreistag in verschärfter Tonlage zum Sparen auf, ohne, zumindest öffentlich, konkret zu werden. Da sind die Listenfraktionen im Kreistag, CDU, FDP und UWV, die den SPD-Landrat ins Visier nehmen. CDU-Fraktionschefin Ute Stolz fordert von Markus Ramers, in den kommenden Wochen nochmal fünf Millionen Euro aus dem 532-Millionen-Paket Kreishaushaltsentwurf für 2025 heraus zu sparen. Auch das ohne konkrete Vorschläge.

Denn die Probleme liegen offenkundig woanders: in einer dramatisch zunehmenden Unterfinanzierung der Kommunen. Darum geht es in den kommenden Wochen:

Wofür braucht es die Kreisumlage? Der Kreis selbst hat keine Steuereinnahmen, aber eine Menge Aufgaben, die er für die elf Städte und Gemeinden erledigt: vom Straßenverkehrsamt über Jugendpflege und Kreisstraßen bis hin in den Kita-Bereich.

Auch an den Ausgaben im sozialen Bereich, etwa Bürgergeld oder Pflegekosten, ist die Kreisverwaltung beteiligt. Er macht also alles das, was aus einer Hand besser und günstiger erledigt werden kann, als wenn jede Kommune es für sich selbst machen müsste.

Woher kommt die Steigerung? Vieles wird teurer – auch für den Kreis. Die Sozialausgaben werden 2025 um 10,9 Millionen Euro auf 178,9 Millionen Euro steigen. Größter Brocken ist dabei die Landschaftsumlage an den Landschaftsverband Rheinland (LVR), der sich hauptsächlich um Menschen mit der Behinderung kümmert: 62,4 Millionen und damit 5,9 Millionen mehr als 2024.

Sozialausgaben steigen um zehn Millionen Euro

Auch die Ausgaben des Kreises für die Hilfe zur Pflege und das Pflegewohngeld steigen um 2,5 Millionen auf 15,7 Millionen. Zwei Millionen Euro teurer wird dem Kreis die ambulante und stationäre Hilfe zur Erziehung – sie schlägt sich mit 41,2 Millionen im 2025er-Entwurf nieder. Die Kreisausgaben im Sozialbereich sind seit 2016 bis auf zweimal kontinuierlich von Jahr zu Jahr gestiegen – um 63,4 Millionen Euro.

Welche Rolle spielen die Personalkosten? Mit 94,4 Millionen Euro (inklusive Versorgungsaufwendungen) eine große. Das sind 9,2 Millionen Euro mehr als 2024. Hauptgrund sind die Tarifsteigerungen – auch das ist eine Vorgabe, auf die der Kreis sowie die Städte und Gemeinden wenig Einfluss haben.

Eher kann der Kreis über die Personalstärke mitwirken – und diese Chance hat der Landrat seinem Schreiben zufolge auch ergriffen. Um 5,5 Stellen sei der Entwurf des Stellenplans gesunken. 10,5 Stellen kann der Kreis einsparen, weil die Rettungswache in Weilerswist fremdvergeben wurde. Allerdings sind fünf neue Stellen beim Kreis vorgesehen, um behördlichen Vorschriften gerecht zu werden. Wie aus dem Kreishaus verlautete, hat Ramers den Stellenwünschen aus den Abteilungen nicht oder kaum entsprochen – sehr zu deren Leidwesen.

Gibt es denn bei Ausgaben von mehr als einer halben Milliarde keine Einsparpotenziale? Doch, gibt es. Das sagen auch Markus Ramers und Kreiskämmerer Ingo Hessenius. Die seien aber im Haushaltsentwurf schon enthalten.

Einsparungen: Landrat Markus Ramers hat Rotstift schon angesetzt

„Aufgrund der angespannten Finanzlage aller staatlichen Ebenen wurden im Rahmen der Haushaltsaufstellung 2025 nochmals besondere Konsolidierungsanstrengungen unternommen“, schreibt Ramers den Kommunen, um dann festzustellen: „Die Haushaltsansätze 2025 wurden infolgedessen um rund 2,8 Millionen Euro gesenkt.“

Ist das nicht sehr wenig? 2,8 Millionen bei rund 532 Millionen Ausgaben – das klingt nach wenig. Allerdings ist die eigentliche Verfügungsmasse des Kreises auch ziemlich klein. 106,7 Millionen oder 34,2 Prozent von den 532 Millionen sind schon weg, weil der Kreis sie für die Kinderbetreuung ausgeben muss. 62,4 Millionen – gut ein Fünftel – gehen an den LVR. 52,1 Millionen (16,7 Prozent) beträgt der Anteil, den der Kreis für soziale Leistungen, 48,5 Millionen (15,7) für Hilfen der Erziehung und 19,5 (6,3) für den Öffentlichen Personennahverkehr aufwenden muss.

Bei den meisten Ausgaben sind die Politiker im Kreis machtlos

Auf vieles hat der Kreistag gar keinen Einfluss, die sogenannten freiwilligen Ausgaben liegen bei gut einem Prozent des Ausgabevolumens. Natürlich könnte sich der Kreis die ein oder andere Mitgliedschaft in Organisationen oder Förderungen im Kulturbereich sparen. Auch ist aus den Rathäusern zu hören, dass der Kreistag sich gerne Förderungen für gewiss nützliche Projekte sichere. Die seien aber oft mit Eigenanteilen und Folgekosten verbunden.

Welche Einnahmen hat der Kreis? Für 2025 rechnet er mit 40 Millionen Euro an Schlüsselzuweisungen vom Land (400.000 Euro weniger als für 2024). Für die Kinderbetreuung erhält der Kreis 62,8 Millionen Euro vom Land, zudem Kostenerstattungen im sozialen Bereich in Höhe 52,9 Millionen Euro und elf Millionen für das Jugendamt.

Und dann sind da noch die Zahlungen der Bürgerinnen und Bürger beziehungsweise deren Krankenkassen. So rechnet der Kreis mit Einnahmen von 27,4 Millionen Euro aus dem Rettungsdienst, 12,5 Millionen aus der Abfallentsorgung und 6,8 Millionen aus den Gebühren für Fahrzeugzulassungen und Fahrerlaubnisse.

Städte und Gemeinden sollen 230 Millionen Euro an Kreis zahlen

Und dann sind auch fast schon die Kommunen an der Reihe. Insgesamt 230,1 Millionen Euro beträgt laut Entwurf die Kreisumlage, die die Kommunen – gemessen an deren jeweiliger Steuerkraft zahlen – müssen. Die große Stadt Euskirchen ist mit 33,6 Prozent dabei, das kleine Dahlem mit zwei Prozent, die übrigen Kommunen liegen dazwischen.

Wie kommen die 230 Millionen Umlage zustande? Die allgemeine Umlage liegt laut Entwurf bei 120,5 Millionen, 26,6 Millionen mehr als 2024. Sie wird nach der Steuerkraft der einzelnen Kommune erhoben. Gleiches gilt für die Jugendamtsumlage. Sie wird laut Entwurf bei 91 Millionen Euro liegen, knapp zwei Millionen höher als 2024.

Anders ist es bei der ÖPNV-Umlage: Die im Entwurf erwarteten Ausgaben von 16,1 Millionen (plus 2,6 Millionen) werden nach folgendem Schlüssel erhoben: 15 Prozent, also 2,4 Millionen, nach der Steuerkraft der Kommunen, die übrigen 85 Prozent, also 13,7 Millionen, nach der Zahl der Kilometer, die in der jeweiligen Kommune gefahren werden.

Braucht die Kreisverwaltung überhaupt einen „Sparstrumpf“?

Auch die Förderschulumlage wird differenziert erhoben, nämlich nach der Zahl der Kinder, die aus der Kommune kommen. Ausgenommen von der Förderschulumlage sind Hellenthal, Kall und Schleiden, die gemeinsam eine eigene Förderschule betreiben. Blankenheim, Dahlem und zum Teil Nettersheim zahlen an diesen Förderschulzweckverband. So teilen sich die übrigen Kommunen die Kosten von geplant 2,4 Millionen (plus 110.000 Euro im Vergleich): Euskirchen zahlt 37,2 Prozent, Nettersheim 0,5 Prozent.

Kann der Kreis denn nicht an sein Erspartes gehen, um die Kommunen zu entlasten? Kann er. Tut er auch. Allerdings ist die Rücklage schon 2024 um 19 Millionen Euro geleert worden. Die Rücklage entsteht, wenn die Kreisverwaltung bei den Jahresabrechnungen feststellt, dass nicht alles Geld, das eingeplant war, auch gebraucht wurde. Für das Jahr 2023 rechnet Kämmerer Hessenius mit einem Überschuss von 3,4 Millionen Euro, die bereits im Entwurf 2025 umlagemindert eingeflossen seien. Nun bleiben noch zwei Millionen in der Rücklage. Ob sie als Notreserve beim Kreis bleiben oder ebenfalls zur Entlastung der Kommunen verwandt werden, werden die Haushaltsberatungen zeigen.

Gibt es denn auch gute Nachrichten? Klare Antwort: Jein. Es hätte zumindest noch schlimmer kommen können, etwa eine Steigerung um 40 statt um 31 Millionen. Von den Einsparungen in Höhe von 2,8 Millionen und dem Überschuss 2023 von 3,4 Millionen war schon die Rede. Hinzu kommt eine einmalige Nachzahlung des Landes von 5,6 Millionen als Ausgleich der Belastungen für die Bereitstellung von Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren (Rechtsanspruch U3).

Und jetzt? Bald wird Ramers den Entwurf offiziell einbringen. Dann haben auch die Kreistagsmitglieder die Details. Große Erleichterung in den Rathäusern dürften aber auch diese Beratungen nicht erzeugen. Es liegt halt an den Strukturen. Darauf zumindest können sich alle Beteiligten einigen: die Bürgermeister, die Kreistagsmitglieder und der Landrat.

Finanzkrise: Den anderen geht es auch nicht besser

„Die Beteiligung des Bundes an den Aufwendungen ist nicht auskömmlich und führt insbesondere aufgrund der steigenden Fallzahlen zu Mehrbelastungen“, schreibt Ramers etwa zu den Ausgaben im Sozialbereich.

Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände rechnet als Beispiel vor, dass geplante oder bereits beschlossene Gesetze, mit denen sich die Regierenden in Berlin gerne schmücken, die Kommunen teuer zu stehen kommen: etwa das Wachstumschancengesetz, das Zukunftsfinanzierungsgesetz oder Inflationsausgleiche. Von 2024 bis 2027 tragen die Kommunen demnach davon rund 7,8 Milliarden Euro – jährlich.


Kreis Euskirchen plant zwei Millionen Euro für Kreiskrankenhaus ein

Erstmals sieht die Kreisverwaltung in ihrem Haushaltsentwurf 2025 einen Verlustausgleich für das Kreiskrankenhaus Mechernich vor – und zwar in Höhe von zwei Millionen Euro.

„Vor dem Hintergrund der verschlechterten Rahmenbedingungen der Krankenhausfinanzierung ist es der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH zuletzt nicht mehr gelungen, positive Jahresabschlüsse zu erwirtschaften“, begründet Landrat Markus Ramers den Schritt. Auch für 2024 werde ein negatives Ergebnis prognostiziert.

Der Kreis Euskirchen ist an der Kreiskrankenhaus Mechernich GmbH mit 76,92 Prozent beteiligt. Der Betrag orientiere sich an einer hälftigen Verlustübernahme, die mit dem Anteil des Kreises multipliziert wird.