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Leben gerettetPolizei kämpfte mit Schlauchbooten und Hundeleinen gegen Flut

Lesezeit 6 Minuten
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Weil der Abschlepper tiefer ins Wasser kam, fuhren Polizisten mit dem Streifenwagen auf der Ladefläche in die Gefahrenbereiche, um sich dort mit den aufgeschnallten Schlauchbooten in die Fluten zu begeben und Menschen das Leben zu retten.

Kreis Euskirchen – Die Schlauchboote hatten sich die Polizeibeamten von einem Anwohner geliehen. Aus irgendeiner Garage. „Normalerweise paddelt man damit über den Freilinger See“, sagt Harald Mertens, Euskirchens Polizeidirektor. An diesem Abend und in dieser Nacht des 14. Juli retteten die Beamten damit mehreren Menschen das Leben – in Fluten, die für sie selbst lebensgefährlich waren und mit dem Freilinger See nicht wirklich etwas gemein hatten.

Als die Strömung stärker wurde, knoteten sie Hundeleinen aneinander und sicherten sich so mehr schlecht als recht gegen das drohende Abtreiben. „Die Kollegen sind in den dramatischen Stunden, aber auch in den Wochen danach, über sich hinausgewachsen“, sagt Mertens.

Streifenwagen stand im Wasser: Mit dem Abschleppwagen zum Einsatz

Als die Polizeibeamten am 14. Juli nach einer geglückten Rettungsaktion wieder zu ihrem Streifenwagen zurückkehrten, stand der im Wasser. Ein zufällig vorbeikommender Abschleppwagen lud den Ford auf und brachte den Wagen nicht etwa zurück zur Wache, sondern steuerte mit den Beamten den nächsten Einsatzort an.

„Der Vorteil des Lkw war, dass er mehr Wasser vertragen und Straßen ansteuern konnte, die mit einem normalen Auto nicht mehr befahrbar waren“, so Mertens. Also hätten sich die Beamten von der Ladefläche aus ins Boot gesetzt und die nächsten in Not geratenen Menschen angesteuert.

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Nur wenige Minuten später wäre dieser Streifenwagen in Flamersheim nicht mehr zu retten gewesen. Hier sperrt er noch die Straße ab.

Leider, so Mertens, habe man in der Hochwassernacht nicht allen Menschen helfen können. Teilweise seien die Menschen vor den Augen der Polizisten fortgetrieben worden. Manchmal habe man wenigstens an einer Straßenseite helfen können. Auf der anderen sei die Strömung zu stark gewesen.

Vor den Augen der Helfer von Wassermassen fortgetrieben

Gepaart mit den Hilferufen seien das Momente, die für einen Retter schwer zu ertragen seien. „Dass, was die Kollegen erlebt haben, habe ich noch nie mitgemacht. Die Kombination aus psychischer und physischer Belastung war außerordentlich“, so der Polizeidirektor.

Es sei gegen Mittag des 14. Juli nicht absehbar gewesen, dass sich der Tag so entwickeln würde. Aber schon einige Stunden, nachdem der Spätdienst an diesem Mittwoch um 14 Uhr seine Schicht angetreten hatte, ging es um Leben oder Tod.

Polizeidirektor: Dramatischer von Minute zu Minute

Und von Minute zu Minute sei es dramatischer geworden, berichtet der Polizeidirektor im Gespräch mit dieser Zeitung. Auch, weil zunächst das Festnetz, später der Mobilfunk ausgefallen sei. Lediglich der Funk habe noch einigermaßen stabil funktioniert. Der Notruf unter 110 sei sogar die ganze Zeit über erreichbar gewesen. „Mitunter sind 70 Anrufe in der Minute eingegangen. Natürlich bekommt man die nicht abgearbeitet“, so Mertens.

Weil der Notruf funktionierte, die 112 der Feuerwehr aber am späten Abend nicht mehr erreichbar gewesen sei, habe sich ein Beamter mit Funkgerät auf den Weg in die Leitstelle des Kreises gemacht und von dort aus die Feuerwehr und den Krisenstab über die Entwicklungen informiert.

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Mertens selbst hat von den Schicksalen der betroffenen Kollegen nach und nach erfahren. Etwa 40 Beamte seien vom Hochwasser betroffen – 20 etwas heftiger, zwei richtig hart. „Hinzu kommen natürlich die Bekannten, Freunde und Familien“, erzählt er: „Ich frage mich, was passiert, wenn mal eine Ruhephase eintritt. Noch funktioniert man irgendwie.“

Relativ schnell habe man Unterstützung vom PSU Team Polizei NRW erhalten, das sich seither um die psychologische und mentale Belastung der Beamten kümmert.

Nach der Flut: Von Normalität noch weit entfernt

Von Normalität ist man im Kreis – auch aus polizeilicher Sicht – noch weit entfernt. Zum einem, weil die Schleidener Wache ebenfalls stark beschädigt worden ist. Zum anderen, weil die Bereitschaftspolizei die Euskirchener Kollegen weiterhin unterstützt.

In den ersten Tagen nach dem Hochwasser waren teilweise mehrere Hundertschaften aus NRW im Kreis, um zu helfen. Sie sperrten unter anderem die Zufahrtsstraßen nach Flamersheim, Schweinheim und Palmersheim ab, deren Bewohner wegen des zu befürchtenden Dammbruchs der Steinbachtalsperre evakuiert werden mussten.

Hundertschaften: „Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert“

„Die Zusammenarbeit hat hervorragend funktioniert“, lobt Mertens. Die Bereitschaftspolizisten hätten in Zwölf-Stunden-Schichten gearbeitet und wären dann wieder zu ihrem jeweiligen Standort gefahren, sagt er. Nach ein wenig Schlaf seien sie dann wieder in den Kreis gekommen. Bereits im Laufe der Hochwassernacht forderte die Euskirchener Polizei für den gesamten Kreis Verstärkung – beispielsweise aus Köln. Zwar spulten die hiesigen Beamten zwei Schichten in Folge ab, doch damit wurde man nicht Herr der Lage.

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Harald Mertens

Also, so Mertens, habe man die Gesamteinsatzleitung ans Polizeipräsidium Köln abzugeben. Gleiches habe für die betroffenen Gebiete im Rhein-Sieg- und dem Rhein-Erft-Kreis gegolten. „Dass man in einer solchen Ausnahmesituation Teil eines Ganzes ist, ergibt Sinn. Wir haben im Kreis ganz normal weitergearbeitet, die Einsatzleitung hatte aber den Überblick, wo was benötigt wird“, erklärt Mertens.

Klarstellung: Keine „marodierenden Horden“

Er stellte klar, dass es keine „marodierenden Horden“ gegeben habe, die plündernd durch die Straßen gezogen seien. Er sagte aber auch: „Natürlich hatten wir einzelne, die geklaut haben. Es gab auch Festnahmen.“

Um den Bewohnern in den betroffenen Hochwassergebieten ein möglichst sicheres Gefühl zu vermitteln, sei die Polizeipräsenz im Kreis – tagsüber und in der Nacht – deutlich erhöht worden.

„Die Ereignisse in den vergangenen Wochen werden den Kreis und die Menschen noch lange beschäftigen“ (Harald Mertens, Polizeidirektor)

„Die Ereignisse in den vergangenen Wochen werden den Kreis und die Menschen noch lange beschäftigen“, so Mertens. Er hoffe inständig, dass seine Kollegen wenn es irgendwie geht, das Positive aus der Situation mitnehmen. „Sie haben Unmenschliches geleistet. Darauf können sie immer stolz sein. Genau wie alle Einsatzkräfte“, sagt der Polizeidirektor.

Gebäude und Infrastruktur: Die Polizei muss improvisieren

In der Polizeiwache Schleiden ist seit dem Hochwasser auch vieles anders. Der Bezirksdienst sei im Schleidener Rathaus untergekommen, berichtet Harald Mertens, Direktor der Euskirchener Polizei. Der Rest der Wache laufe in einem Notbetrieb. So ist laut Mertens das Kriminalkommissariat auf unbestimmte Zeit nach Euskirchen gezogen.

„Es ist halt alles ein wenig improvisierter“, so Mertens: „Davon bekommt die Bevölkerung aber nichts mit. Das betrifft nur interne Bedingungen.“ Es könne sich beispielsweise nicht in der Wache umgezogen werden. Auch geduscht werden könne nicht. Am Abend des 14. Juli seien zwei Trierer in die Wache gekommen, die nicht mehr nach Hause kamen, weil alle Straßen rund um Schleiden überflutet waren. „Der Kollege saß selbst schon mit den Füßen im Wasser am Schreibtisch, hat ihnen aber natürlich Unterkunft gewährt“, so Mertens. Im Laufe des Abends sei man dann vom Erdgeschoss in den ersten Stock gezogen.

Man stehe derzeit im ständigen Austausch mit den Besitzern des Gebäudes. „Wir gehen davon aus, dass sie die Immobilie wieder herstellen werden. Wir möchten auf jeden Fall in Schleiden bleiben“, sagt Mertens, der die große Hilfsbereitschaft lobt.

Als es darum gegangen sei, den Keller in Schleiden auszuräumen, haben zahlreiche Helfer mitangepackt.