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HochwasserschutzWarum auch am Genfbach in Nettersheim die große Lösung Zeit braucht

Lesezeit 5 Minuten
Zwei weiße Kühe stehen bei Nettersheim auf einer grünen Wiese. Sie ist eingezäunt. Am Rand sind Bäume und Büsche zu sehen.

400.000 Kubikmeter Wasser könnten bei Starkregen im Genfbachtal zurückgehalten werden. Doch die Planung des Beckens ist komplex.

Das Konzept für den Hochwasserschutz in der Gemeinde Nettersheim steht. Allerdings sind vor der Umsetzung mehrere Probleme zu lösen.

Es ist nur eine von vielen Lehren, die aus der Hochwasserkatastrophe im Juli 2021 gezogen werden können. Aber eine, die für den Hochwasserschutz eine entscheidende Bedeutung hat: Die Flut entwickelte sich nicht von den großen Gewässern, sondern die Gefahr drohte gerade an und von den kleinen Bächen, die sich zu reißenden Strömen entwickelten und teilweise immense Schäden anrichteten.

Ein Beispiel ist der Genfbach, der sich im Wohngebiet entlang seines Bachlaufes ausbreitete und in Nettersheim im Bereich von Martinusstraße, Kleingasse, Schleifmühle und Genfbachstraße die Wohnhäuser überschwemmte. Um diesen Gefahrenpunkt für die Einwohner zu verringern, ließ die Gemeinde ein Hochwasserschutzkonzept für den Genfbach erarbeiten, das nun im Bauausschuss vorgestellt wurde.

Die Nettersheimer Pläne sind auch für die Urft-Anrainer interessant

Dieses Vorhaben ist nicht nur für die direkten Anlieger von Interesse. Auch für die Urft liefert der Genfbach viel Wasser. Trotzdem ist er in dem Interkommunalen Hochwasserschutzkonzept, das derzeit erarbeitet wird, ausgespart, so dass hier die Gemeinde selbst tätig werden muss. Wobei der Genfbach bereits vor der Flut im Fokus der Aufmerksamkeit stand. Denn seit vielen Jahren beklagen die Anlieger häufige Überschwemmungen. Dafür machen sie aber vor allem die Zuflüsse von der Autobahn A1 verantwortlich.

Alles zum Thema Hochwasser, Überschwemmung und Flut

„Was wir jetzt haben, ist für die Urft in zwei Jahren da“, sagte Bürgermeister Crump zum Schutzkonzept. Nicht nur, dass das Gebiet, das es zu analysieren galt, kleiner ist als das für das interkommunale Vorhaben. Ein Teil der Daten war im Zuge der Autobahnentwässerung schon erhoben worden. Bereits am 5. September wurden die Ergebnisse bei einem Behördentermin in den Räumen der Bezirksregierung Köln vorgestellt.

20.000 Kubikmeter pro Sekunde bei einem 100-jährlichen Hochwasser

Dezidiert schlüsselte der Gutachter Wilfried Claesgens die Zuflüsse des Genfbaches auf und berechnete die Wassermengen, die bei Starkregenereignissen in den Bach ließen. Bisher habe es keine Hochwasserkarte für diesen Bereich gegeben, sagte er. Es handelt sich um einen rund 2,2 Quadratkilometer großen Einzugsbereich. Hubach, Salzbach, Mühlenbach, Brombach und einige namenlose Vorfluter liefern das Wasser für den Genfbach, bevor er Nettersheim erreicht. Am Ende würden bei einem 100-jährlichen Hochwasser (HQ100) in Nettersheim mehr als 20.000 Kubikmeter pro Sekunde ankommen.

Darüber hinaus hat er drei ebenfalls namenlose Zuflüsse ausgemacht, die bei einem Starkregen Schäden verursachen können. So stelle zum Beispiel ein Bach, der von Zingsheim entlang der Klosterstraße zum Genfbach läuft, ein Problem dar. „Wenn da die Durchflüsse verstopft sind, fließt das Wasser über die Genfbachstraße von hinten in die Häuser rein“, skizzierte er das Problem.

400.000-Kubikmeter-Becken erfordert eine komplexe Planung

Ein Potenzial von rund 400.000 Kubikmetern, die durch Rückhaltebecken aufgestaut werden könnten, stellte Claesgens im Genfbachtal fest. Viele Flächen seien zwar eher klein. Doch eines, das er als „Hochwasserrückhaltebecken 2“ oder kurz „HRB 2“ in der Planung bezeichnete, könnte mit einem Volumen von 232000 Kubikmeter einen Großteil des ankommenden Wassers zurückhalten. „Das wäre in fünf Stunden wieder abgeflossen“, sagte der Ingenieur.

Ich wollte es in drei Jahren schaffen und bin bei dem Termin ausgelacht worden.
Wilfried Claesgens

Der Standort für das HRB2 wäre kurz vor der Ortslage zwischen den Zuflüssen von Brom- und Hubach. Zwei Probleme stehen allerdings einer kurzfristigen Umsetzung im Wege. Zum einen sei eine Mauer von 8,50 Metern Höhe und 120 Metern Länge notwendig – was bereits Talsperrendimensionen seien. Zum anderen liege das Becken in einem FFH-Gebiet, so dass damit auch der Naturschutz mit im Planungsboot ist.

So wird, wie bei dem Termin vom 5. September deutlich wurde, eine Umweltverträglichkeitsprüfung notwendig. „Die wird in der Regel im Februar gestartet und dauert ein Jahr“, informierte Claesgens. Auch ein geologisches Gutachten, die Entwurfsplanung und der Genehmigungsantrag kosteten Zeit. „Ich wollte es in drei Jahren schaffen und bin bei dem Termin ausgelacht worden“, so Claesgens. Immerhin wäre das 2027. Er will zudem die Bürger mit ins Boot holen, damit der Verfahrensstand deutlich wird.

Nettersheim nimmt auch die kleinen Bäche in den Blick

Da im vergangenen Jahr der förderunschädliche Maßnahmenbeginn durch die Bezirksregierung bestätigt wurde, hätte jetzt schon mit dem Konzept begonnen werden können. Die Finanzierung der Maßnahme werde als Hochwasserschutzmaßnahme mit 80 Prozent vom Land bezuschusst.

Darüber hinaus empfiehlt Claesgens in seinem Konzept noch einige Elemente, die den Schutz weiter verbessern und die über das Wiederaufbauprogramm finanziert werden können. So sollen die Vorfluter, die innerorts in den Genfbach münden, optimiert werden, so dass von ihnen keine weitere Überflutungsgefahr ausgeht. Abgesenkt werden solle die Fläche „Röderpesch“, die vor der Brücke der Klosterstraße liegt. Eine weitere Überflutungsgefahr könnte mit einer Schutzmauer beseitigt werden.

Ein weiteres Thema werde auch der Brombach, der von Nettersheim aus gesehen vor dem HRB 2 liegt und somit bei einem Starkregen unreguliert noch einmal vier Kubikmeter pro Sekunde liefern könnte.


Klage gegen Autobahn GmbH

Keine Bewegung gebe es in Hinsicht auf das Rückhaltebecken an der Autobahn, das von der Autobahn GmbH gebaut werden soll, berichtete Albert Müllenborn von der IG Genfbach. Er habe wegen Untätigkeit gegen die Autobahn GmbH geklagt, was Mitte August vor dem Verwaltungsgericht Aachen verhandelt worden sei.

„Die Klage wurde abgeschmettert“, sagte er. Der Richter habe bemängelt, dass er selbst nur einmal überschwemmt worden sei und daher die falsche Person sei, um eine Verbesserung der Situation einzuklagen. „Allerdings hat er auch bemängelt, dass die Bearbeitung des Beckens längst überfällig sei“, so Müllenborn. Er wolle nicht gegen das Urteil in Revision gehen. „Weitermachen hat keinen Sinn“, konstatierte er.