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Rückblick auf das Hochwasser im Kreis EuskirchenWenn die Zukunft sich selbst überholt

Lesezeit 4 Minuten

Das Wasser steht auch noch Tage nach der Flut in der Münstereifeler Kernstadt.

Kreis Euskirchen – Die Zeichen stehen auf Zukunft. Die niedrigen Corona-Zahlen machen ein gesellschaftliches Leben auch im Kreis Euskirchen wieder möglich. Nach langen Monaten voller Videokonferenzen finden Anfang Juli zahlreiche Termine statt.

Im Rückblick finden sich in diesen ersten beiden Juli-Wochen vor der Flutkatastrophe einige Termine, die aus heutiger Sicht beinahe surreal wirken.

Die Chronologie der Flutkatastrophe

Mittwoch, 14. Juli:

Alles zum Thema Hendrik Wüst

9.35 Uhr: Der erste Hochwassereinsatz des Tages findet am Kommerner Mühlenpark statt.

Ab 14 Uhr: Im gesamten Kreis Euskirchen nehmen die Einsätze zu. Straßen werden überflutet, Keller laufen voll.

14.55 Uhr: Die Feuerwehren in den Städten und Gemeinden besetzen ihre Koordinierungsstellen.

19.15 Uhr: Die Warn-Apps Katwarn und Nina geben bekannt: „Gehen Sie bei Überschwemmungen nicht in Keller oder Tiefgaragen.“

20 Uhr: An der Steinbachtalsperre kommt es zum Kronenstau, sie läuft über.

21.04 Uhr: Palmersheim, Schweinheim und Flamersheim werden evakuiert.

21.18 Uhr: Die Warn-Apps melden nun, dass in Teilen des Kreises akute Lebensgefahr besteht: „Begeben Sie sich in höhere Etagen Ihrer Häuser.“

22 Uhr: Die Feuerwehr gibt Oberhausen auf.

23 Uhr: Die Olef erreicht in Schleiden einen Höchststand von 4,80 Meter.

Donnerstag, 15. Juli:

0 Uhr: Der Damm der Steinbachtalsperre droht zu brechen.

4.06 Uhr: Landrat Markus Ramers greift zum Äußersten: Der Kreis Euskirchen ruft den Katastrophenfall aus. (tom)

Am 1. Juli berichtet diese Zeitung darüber, dass der Euskirchener Außenort Schweinheim endlich sein Schild erhält, das ihn als Golddorf ausweist. Die Kommission von „Unser Dorf hat Zukunft“ hat entschieden, dass der beschauliche, von Fachwerkhäusern geprägte Ort, durch den Orbach, Steinbach und Sürstbach fließen, dass Schweinheim ein ganz besonderes Dorf ist.

Nur zwei Wochen später spielen sich dort Dramen ab. DLRG- und Feuerwehrkräfte kentern, weil die beschaulichen Bäche sich zu reißen Strömen verwandelt haben. Fachwerkhäuser werden zerstört. In Schweinheim wird lange Zeit nichts mehr so sein, wie es mal war. Das Golddorf versinkt in der brauen Brühe.

Wiederaufbau statt Pension

Am 1. Juli wird Manfred Poth, Allgemeiner Vertreter des Landrates, nach 46 Dienstjahren in den Ruhestand verabschiedet. Doch nach der Flut werden erfahrene Entscheider gebraucht – und Poth wird zum Wiederaufbaumanager im stark beschädigten Kall ernannt.

Auch die jährliche Pressekonferenz des Erftverbandes findet am 1. Juli statt. Wie Propheten kündigen Dr. Bernd Bucher und Prof. Heinrich Schäfer Projekte an. Die Erft soll zurückgebaut werden. Auch der Flussverlauf des Veybaches soll verändert werden. Als Grund wird der Hochwasserschutz genannt. Das Wasser soll sich durch die Maßnahmen langsamer bewegen und bei starken Regenfällen nicht mehr schwallartig ausbreiten.

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Nur zwei Wochen später zeigt sich, wie notwendig diese Maßnahmen sind. Gleichzeitig zeigt sich aber auch, wie wenig der Mensch Naturkatastrophen entgegenzusetzen hat. Immer wieder werden Gewässer-Experten nach der Katastrophe gefragt, ob Hochwasserschutzmaßnahmen diese Flut hätten verhindern können. Die Antwort ist immer die gleiche: Das Hochwasser im Juli war nicht zu verhindern.

Zwei weitere Termine finden in Bad Münstereifel statt. Zum einen werden die Pläne für den Umbau des Bahnhofsvorplatzes enthüllt. Dieser wird zwei Wochen später durch die Wucht des Wassers dem Erdboden gleichgemacht. Ein paar Tage nach dem ersten Termin ist Hendrik Wüst zu Gast, damals noch NRW-Verkehrsminister. Er setzt sich nicht nur medienwirksam auf ein Eifel-E-Bike. Er wird am Ende von der Flut sogar politisch profitieren. Denn Ministerpräsident Armin Laschet leistet sich einen peinlichen Lachanfall beim Bundespräsidenten-Besuch in Blessem und fällt in der Wählergunst durch. Da Laschet aufs Ganze geht und im Falle einer Niederlage auch den Ministerpräsidenten-Job abgeben will, wird Hendrik Wüst nach der Bundestagswahl zum Landesvater von Nordrhein-Westfalen.

Auch für Bad Münstereifel, aber noch mehr für Euskirchen ist die Gründung des Bündnisses Voreifelbahn wichtig. Die S 23 soll elektrifiziert werden, wird kurz vor der Flutkatastrophe beschlossen. Nur wenige Tage später ist die Grundlage dafür zerstört. Gleise hängen frei in der Luft, werden abgerissen oder verdreht. Auf der Strecke der Voreifelbahn wird nach aktuellen Prognosen bis Juni 2022 kein Zug fahren.

Aus heutiger Sicht beinahe makaber ist die Ausstellung, die in Gemünd eröffnet wird. Bei „Kunst im Fluss“ werden Bilder an den Mauern von Urft und Olef aufgehängt. Nur wenige Tage später sollte der Name der Ausstellung eine komplett andere Bedeutung erhalten. Einige der Kunstwerke werden ein Raub des Wassers. Andere bleiben hängen, sind nun aber kunstvolle Mahnmale im Gedenken an eine unvergessliche Nacht.

Der 14. Juli hat das Leben vieler Bürger im Kreis über Nacht verändert – und die Zukunftspläne buchstäblich fortgespült.