Thomas Kreyes hatte einen ungewöhnlichen Start als Geschäftsführer von Vogelsang ip. Schuld daran: die Corona-Pandemie.
Nachdem zu Beginn eigentlich vor allem die Einarbeitung in Details angestanden hätte, ging es so zunächst um Kurzarbeit und Co.
Wie es Vogelsang in der Corona-Krise geht und welche Projekte in Zukunft umgesetzt werden sollen.
Schleiden-Vogelsang – Mit einem derartigen Start hat Thomas Kreyes nicht rechnen können: Kaum hatte er Anfang März sein Amt als Geschäftsführer von Vogelsang ip angetreten, nahm die Corona-Krise ihren Lauf. Gerade einmal zwei Wochen hatte er in seinem Büro im Kino-Gebäude absolviert, als die Landesregierung die umfangreichen Schließungen verkündete und auch in Vogelsang von einem auf den anderen Tag die Pforten geschlossen wurden. Einzig Wanderungen auf dem Gelände waren noch möglich.
Die Corona-Schließung
Eigentlich hätte für Kreyes vor allem die Einarbeitung in die Vogelsang-Details angestanden – doch plötzlich standen Themen wie Kurzarbeit ganz oben auf der Agenda. Im März und April hatte die 50-köpfige Crew von Vogelsang ip 50 Prozent Kurzarbeit. Das Kurzarbeitergeld wurde jedoch auf 100 Prozent aufgestockt. „Wir wollten nicht am Personal sparen“, sagt Kreyes dazu.
Die Zeit ohne Besucher wurde zum einen etwa für Handwerksarbeiten genutzt, zum anderen für viele Gespräche mit dem Team. Dabei wurden auch Ideen entworfen, wie der Standort weiterentwickelt werden könnte. 30 bis 40 mögliche Projekte sind daraus laut Kreyes entstanden, die nun priorisiert sowie auf Machbarkeit und Finanzierbarkeit untersucht werden.
Mit den Lockerungen Anfang Mai wurde auch in Vogelsang wieder geöffnet – die entsprechenden Hygiene- und Schutzkonzepte waren in der Zeit der Schließung erarbeitet worden. Doch in Scharen kamen die Besucher nicht. „Wir hatten Tage, an denen nur zehn Leute da waren“, sagt Kreyes. Doch es gab auch – am Pfingstmontag etwa – gute Tage mit 1000 Gästen auf dem Gelände und 100 in der Ausstellung „Bestimmung: Herrenmensch“.
Die Unwägbarkeiten
280.000 Besucher besuchten im vergangenen Jahr Vogelsang, 40.000 waren es in der NS-Dokumentation, 20.000 in den „Wildnis(t)räumen“. Aktuell liege man im Bereich Gastronomie und Ausstellungen bei etwa 40 bis 50 Prozent des Vorjahresniveaus. Wie viele Besucher es in diesem Jahr werden und wie sich die Krise auf die Finanzen auswirkt, vermag niemand zu sagen.
Finanzen
2007 wurde von der Landesregierung die Umgestaltung des Vogelsang-Areals beschlossen. Damals war von 27 Millionen Euro die Rede – und von einer Eröffnung im Jahr 2010. Es dauerte bis September 2016, als das Forum eröffnet und der Kostenrahmen mit 45,1 Millionen Euro beziffert wurde.
Mit großen Gewinnen ist bei einer Einrichtung wie Vogelsang nicht zu rechnen – im Gegenteil. Zunächst war die jährliche Verlustübernahme durch die Gesellschafter auf 500000 und später auf 850000 Euro begrenzt, im November 2017 wurde sie auf 1,4 Millionen Euro erhöht. Dadurch, dass der Landschaftsverband Rheinland als Hauptgesellschafter der gGmbH seine Beteiligungsquote von 50 auf 70 Prozent erhöhe, blieben die finanziellen Beiträge der anderen Gesellschafter – die Kreise Euskirchen, Düren und Heinsberg, die Städteregion Aachen, die Stadt Schleiden sowie die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens – gleich.
Für 2019 hatten die Verantwortlichen laut Geschäftsführer Thomas Kreyes die Hoffnung, den Rahmen nicht komplett ausschöpfen zu müssen. Doch die Bilanz, die aktuell geprüft wird, ergibt, dass die Gesellschafter erneut 1,4 Millionen zuschießen müssen.
Die Corona-Krise hat auch in Vogelsang alle Planungen durcheinandergewirbelt. Voraussichtlich wird der 1,4-Millionen-Rahmen wieder ausgeschöpft. Doch aufgrund der Pandemie bezeichnet es Kreyes als Kaffeesatzleserei, zum jetzigen Zeitpunkt bereits Zahlen zu nennen. (rha)
Kreyes skizziert einige der Unwägbarkeiten der kommenden Monate: Wie entwickelt sich die Pandemie? Profitiert Vogelsang möglicherweise vom „Urlaub zuhause“? Kommen die Schulklassen nach den Ferien? Für sie habe man eine Art „Rundum-sorglos-Paket“ entwickelt, um den Besuch so einfach wie möglich zu machen. Deshalb habe man die Schulen noch vor den Ferien angeschrieben.
Der Abriss Van Doorens
Unabhängig von Corona soll sich in Vogelsang einiges tun. Die ganz großen Veränderungen werden es eher nicht sein – Ausstellungen, die Millionen gekostet haben, können nicht nach knapp vier Jahren eingemottet werden. Eine deutlich sichtbare Veränderung wird der Abriss des von den Belgiern errichteten Kasernen-Komplexes Van Dooren sein. Doch das große Gebäude wird nicht in Gänze dem Erdboden gleichgemacht.
Die Außenmauer in Richtung Adlerhof ist Teil der historischen Bausubstanz und steht unter Denkmalschutz. Sie wurde von den Nationalsozialisten als Geländeterrassierung erbaut, damit das 300 Meter lange, sogenannte „Haus des Wissens“ hätte realisiert werden können. Dazu kam es nicht, stattdessen nutzten die Belgier die Mauer, als sie Anfang der 1950er-Jahre die Truppenunterkunft mit einer Geschossfläche von mehr als 20.000 Quadratmetern bauten.
Ganz oder teilweise soll die historische Mauer erhalten und um eine Ausstellungsfläche ergänzt werden. Eine „Neue Mitte“ soll dort entstehen. NRW-Bauministerin Ina Scharrenbach, die auch für den Denkmalschutz zuständig ist, hat laut Kreyes in einem Gespräch in Düsseldorf bereits die Bereitschaft signalisiert, das Projekt, das in den kommenden Monaten geplant wird, zu fördern.
Die Region
Ähnlich wie in den Nationalparktoren, so eine weitere Idee, könnten umliegende Orte aus den Kreisen der Vogelsang-Gesellschafter als eine Art Satelliten eingebunden werden, die sternförmig auf Vogelsang zulaufen. Dort könnte die regionale NS-Geschichte thematisiert werden. Dies würde laut Kreyes zu einer wechselseitigen Vernetzung führen, von der beide Seiten profitieren könnten. Wichtig ist ihm, dass die Anbieter im Tourismusbereich sich nicht als Konkurrenz sehen, schließlich gebe es „so viele Win-Win-Optionen“.
Die Gastronomie
Ein wichtiger Schritt wird die Etablierung des Hotels in Vogelsang sein. Vier einstige Hundertschaftshäuser hat die niederländische Investmentfirma Holtbrugh Real Estate gekauft; sie wird sie zu einem Hotel mit 150 Zimmern umbauen. Auch wenn die Eröffnung erst für 2022 vorgesehen ist, soll sich in Sachen Gastronomie laut Kreyes bereits im kommenden Jahr etwas tun: Sie soll länger geöffnet sein, auch Abendveranstaltungen stehen auf der Ideen-Liste.
Der Blick nach vorne
„Die Liegenschaften sind Privileg und Belastung zugleich und mit einem ,normalen’ Museum nicht zu vergleichen“, sagt Thomas Kreyes. Zum einen sei Vogelsang ein klassischer, klarer Erinnerungs- und Lernort, zum anderen steht er für Natur und Nationalpark und ist ein beliebtes Ausflugsziel.
Zudem sollte es laut Kreyes Ziel eines Ortes wie Vogelsang sein, dass dort auch aktuelle gesellschaftspolitische Themen behandelt werden. Rechtsradikalismus und Klimaschutz sind zwei große Themen, die direkt in die Kernkompetenzen des Ortes spielen. Sonderausstellungen und Zusatzangebote sind für Kreyes denkbar.
Ebenso gelte es, die digitalen Möglichkeiten stärker zu nutzen und für die Wintermonate Angebote zu schaffen. Wichtig sei, dass all dies für die Werte des „internationalen Platzes“ (das ip hinter Vogelsang) steht: Toleranz, Vielfalt und Aufgeschlossenheit.