Der Kölner Archivar Joachim Oepen recherchierte, was es mit einer Grabplatte auf sich hat, die unter einem Beichtstuhl kaum zu sehen ist.
300 Jahre alte RuhestätteHistoriker löst das Rätsel um ein Grab in Euskirchener Kirche

Die Grabplatte war kaum zu sehen – bis Christian Becker (v.r.), Laurent Cousin und Pascal Cousin sie freilegten. Initiator war Franz-Georg Schaeben.
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Ein Teil des Rätsels um eine alte Grabplatte in der Euskirchener Pfarrkirche St. Martin ist gelöst. Man kann davon ausgehen, dass unter der Abdeckung die sterblichen Überreste von Maria Agnes Helmich liegen. Bis vor Kurzem war dies noch unbekannt. Warum sie in der Pfarrkirche bestattet wurde, ist aber weiter unklar.
Die neuen Erkenntnisse sind der Initiative von Franz-Georg Schaeben zu verdanken, der sich seit vielen Jahren im Auftrag der Pfarrgemeinde um die Kunstschätze der Kirche kümmert. Schaeben hatte sich schon lange gefragt, was es mit der steinernen Platte auf sich hat. „Fachliteratur oder andere Unterlagen, die darüber Auskunft geben könnten, existieren meines Wissens nicht“, sagte er vor einem Jahr.
Im März 2024 begannen vier Euskirchener, der Sache auf den Grund zu gehen
Die Platte ist in der Nähe des Südportals in den Boden eingelassen, allerdings kaum zu sehen, denn der größte Teil wird von einem Beichtstuhl verdeckt. Im März 2024 begann Schaeben mit einigen Helfern, der Sache auf den Grund zu gehen. Er engagierte seine Großneffen Laurent Cousin und Pascal Cousin und den Schreinermeister Christian Becker, um den schweren Beichtstuhl von der Wand rücken und so die Platte freilegen zu lassen. Später kam der Beichtstuhl zurück an seinen angestammten Platz, die Resultate der Untersuchungen wurden dokumentiert.
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Die Grabplatte war im Laufe der Zeit zum Teil regelrecht abgeschliffen worden, die Inschriften deshalb nicht mehr vollständig zu entziffern. An einer Längsseite waren die Worte „Den 7TEN 8BRIS 1729 REQVIESCAT IN PACE“ zu lesen, also das Todesdatum 7. Oktober 1729 und die lateinische Formel für „Ruhe in Frieden“. Auf der anderen Seite steht „. . . ICHS WITTIB RUTTGERI STICH . . .“, woraus hervorgeht, dass es sich bei der Verstorbenen um die Witwe eines Rutger handelt, dessen Nachname mit „Stich“ beginnt.

Ein großer Teil der Grabplatte in der Euskirchener Martinskirche wird durch einen Beichtstuhl verdeckt.
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Mit diesen Informationen begann die Recherche von Dr. Joachim Oepen, den Franz-Georg Schaeben um Hilfe gebeten hatte. Oepen leitet das Historische Archiv des Erzbistums Köln. Die Ergebnisse seiner Nachforschungen hat er in einem Schreiben an Schaeben zusammengefasst.
Er hatte, um die Verstorbene zu identifizieren, zunächst die Euskirchener Kirchenbücher zurate gezogen. Sie gaben jedoch nichts Greifbares her, so Oepen, was auch daran liege, dass die Heirats- und Sterbebücher erst 1741 beziehungsweise 1746 einsetzten. Dies wiederum dürfte nach Franz-Georg Schaebens Angaben auf den Euskirchener Stadtbrand zurückzuführen sein, der am 24. Juni 1734 wütete. Er zerstörte das Hospital, 43 Scheunen samt Stallungen und 49 Wohngebäude, darunter das Pfarrhaus mit dem Kirchenarchiv. Diese Informationen fand Schaeben in einer Chronologie des Stadtarchivs und in Karl Gissingers Buch „Geschichte der Stadt Euskirchen“ von 1902.
Der Wissenschaftler wurde in einem alten Euskirchener Totenbuch fündig
Oepen ließ sich auch ohne besagte Kirchenbücher nicht entmutigen. Er sah, wie er es in seinem Bericht schildert, eine Reihe von Bruderschaftsbüchern des Pfarrarchivs St. Martin durch („ein etwas aufwändiges Unterfangen“), zuerst erfolglos, um letztlich aber einen Volltreffer zu landen, wie er es ausdrückt.
In einem Totenbuch der Matthias-Bruderschaft, so der Historiker, ist unter dem erwähnten Sterbedatum eine „wohledle“ Maria Agnes Helmich eingetragen, eine verheiratete Stichmann. Als Todesursache ist Ruhr angegeben. Der Name der Verstorbenen lasse sich mit der Inschrift der Grabplatte mühelos zusammenbringen, erklärt Oepen: „Damit ist das Rätsel im Prinzip gelöst.“

Joachim Oepen, Leiter des Historischen Archivs des Erzbistums Köln, forschte zu dem Grab in der Euskirchener Kirche.
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Helmichs Ehemann ist in den Bruderschaftsbüchern nicht zu finden. Allerdings wurde Oepen an anderer Stelle fündig. Er entdeckte in den Kölner Generalvikariatsprotokollen eine Dispens vom 6. November 1698 für die Heirat von Maria Agnes Helmich und Rutger Sichmann, wie er hier heißt.
Aus dem Eintrag geht hervor, dass Helmich in der Pfarrei St. Lupus in Köln geboren wurde und dass S(t)ichmann ein Nichtkatholik aus Langenberg bei Velbert war – was die Dispens, eine Ausnahmebewilligung, für ihre Eheschließung erforderlich machte.
Dass die Eheleute in einem Kölner Protokollbuch aufgeführt sind, lässt nach Oepens Einschätzung den Schluss zu, dass sie „längst nicht immer in Euskirchen gelebt haben“. Um Näheres zu erfahren, fügt der Archivleiter hinzu, „müsste man in verschiedenen Quellen noch tiefer graben“. Jedenfalls gehöre das Paar nicht zu den einfacheren Leuten, „alleine schon, weil man sich eine solche Grabplatte leisten konnte“, resümiert Oepen.
Offen bleibt bis auf Weiteres, warum Maria Agnes Helmich in der Pfarrkirche ihre letzte Ruhestätte fand, während von weiteren Gräbern in St. Martin nichts bekannt ist, wie Franz-Georg Schaeben vor einem Jahr erklärt hatte. Unabhängig davon freut er sich sehr über die Ergebnisse von Oepens Forschungsarbeit, nachdem das Grab vorher sozusagen von vielen Fragezeichen umrankt war. „Ein wirklich schöner Erfolg“, bilanziert Schaeben.