Der Wiederaufbau der Steinbachtalsperre in Euskirchen könnte noch Jahre dauern. Der Grund ist die Bezirksregierung.
Wiederaufbau könnte Jahre dauernSo geht es mit der Steinbachtalsperre in Euskirchen weiter
Fünf Tage schaute ganz Deutschland auf die Steinbachtalsperre. Fünf Tage zitterten nach dem 14. Juli 2021 vor allem die Schweinheimer, Palmersheimer, Flamersheimer sowie die Menschen entlang des Orbachs im Rhein-Sieg-Kreis, ob der Damm der Steinbachtalsperre halten würde. Der Damm wurde zwar überspült, aber er hielt. Dennoch hat die Flutkatastrophe an dem Bauwerk bis heute sichtbare Spuren hinterlassen: eine Scharte.
Sie hat eine maximale Breite von 42 Metern. An der schmalsten Stelle ist sie 7,50 Meter breit. Das Stauvolumen beträgt aktuell etwa 335.000 Kubikmeter – ohne dass das Wasser über die Scharte aus der Talsperre hinausströmt. Es ist aber kein Wasser in der Talsperre.
Derzeit kein wirklicher Hochwasserschutz an der Steinbachtalsperre
Eine Regulierung der Wassermenge in der Talsperre kann zurzeit nur über den Grundablass erfolgen. Und ein Spaziergang um die Steinbach ist wegen der Scharte im Damm nicht möglich. In die Scharte soll, so die Vorstellung des beauftragten Ingenieurbüros Lorenz aus Bad Münstereifel, ein sogenanntes Regelorgan eingebaut werden. So soll es möglich sein, Wasser in unterschiedlichen Mengen aus der Talsperre abzulassen. Dadurch soll der Hochwasserschutz erhöht werden. Fünf Millionen Euro kostet das Bauwerk.
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So lang das Regulierungsbauwerk nicht installiert ist, gibt es auch keinen wirklichen Hochwasserschutz. Zu allem Überfluss: Unterhalb der Steinbach, beispielsweise in Schweinheim, ist in Sachen Hochwasserschutz auch noch nicht wirklich viel geschehen – unter anderem bei den Durchflussmengen oder Retentionsflächen. Und nun kommt mehr als eineinhalb Jahre nach der Flut eine weitere Ungewissheit hinzu.
Wann das Regelorgan gebaut wird, wann die Steinbachtalsperre wieder Wasser führt und wann sie wieder Naherholungsgebiet ist – das ist alles offener denn je. Der Grund für die Ernüchterung: Für die geplanten Maßnahmen am Damm wird nach Angaben der Bezirksregierung Köln wohl ein Planfeststellungsverfahren erforderlich sein.
Euskirchens Bürgermeister hält Wiederaufbau für langwieriges Projekt
Euskirchens Bürgermeister Sacha Reichelt, der in seiner Funktion auch Verbandsvorsteher des Wasserversorgungsverbands Euskirchen Swisttal (WES) ist, räumt ein: „Es handelt sich aufgrund der Vielzahl der durchzuführenden Voruntersuchungen bei diesem Verfahren um das komplexeste Wiederaufbauprojekt im Stadtgebiet Euskirchen.“
Der WES ist der Betreiber der Steinbachtalsperre, hat 2014 das operative Geschäft aber der e-regio übertragen. Das geplante Konzept für die Steinbachtalsperre sei der Bezirksregierung in mehreren Gesprächen erläutert worden, so Reichelt. Im Ergebnis sei die vorgestellte technische Lösung des geplanten Durchlassbauwerks als baulich umsetzbar befunden worden, berichtet der Euskirchener Verwaltungschef auf Nachfrage.
Gras in der Steinbachtalsperre gemäht
Für die weiteren Planungsschritte laufen nach Angaben der e-regio derzeit Abstimmungen – unter anderem zur Festlegung von Bemessungsgrundlagen für die Hochwasserentlastung, den maximalen Abfluss in den Steinbach und maximalen Stauzielen. Dafür wird die Steinbachtalsperre auch noch mal vermessen. In den vergangenen Tagen ist deshalb Gras gemäht und gepresst worden, das nach der Flut in der leeren Talsperre gewachsen war.
Seitens der Bezirksregierung heißt es: „Zum endgültigen Wiederaufbau und Betrieb der Steinbachtalsperre sind zwischenzeitlich mehrere Gespräche geführt worden.“ Ein Antrag, der dazu geprüft werden könne, liege bisher aber nicht vor.
Wiederaufbau der Steinbachtalsperre könnte sich verzögern
Aufhorchen lässt der Zusatz: „Der geplante Umbau und Betrieb stellt eine wesentliche Umgestaltung gegenüber der ursprünglichen Talsperre dar. Aus diesem Grund bedarf dieser Ausbau der Planfeststellung.“
Vanessa Nolte, Pressesprecherin der Bezirksregierung, erklärt, dass der Damm neu aufgebaut werden müsse – mit neuen technischen Entlastungsbauwerken. Dadurch und durch die zukünftige Hochwasserschutzfunktion sei eine geänderte Betriebsweise erforderlich.
Deshalb sei nach dem Wasserhaushaltsgesetzes grundsätzlich ein Planfeststellungsverfahren vorgeschrieben. Zu einem solchen Verfahren gehört unter anderem die Öffentlichkeitsbeteiligung mit einem Erörterungstermin. Unter Umständen, so die Pressesprecherin, könne aber auch ein weniger aufwendiges Plangenehmigungsverfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung ausreichen.
Maßgeblich dafür sei, ob das Vorhaben, also der Wiederaufbau der Talsperre, einer Umweltverträglichkeitsprüfung unterliege – was in einer entsprechenden Vorprüfung geklärt werde. Diese befindet sich nach Angaben der Stadt „in weit fortgeschrittener Vorbereitung“.
Wiedereinstau der Steinbachtalsperre noch in diesem Jahr denkbar
Noch vor einem Wiederaufbau ist geplant, die Steinbachtalsperre wieder aufzustauen – zumindest bis zur aktuellen Scharte. Auch in diesem Fall ist die Bezirksregierung die zuständige Aufsichtsbehörde. Dafür muss aber seitens des Betreibers die Standsicherheit nachgewiesen werden.
Nach Angaben der e-regio ist der Bezirksregierung im März 2022 ein Konzept zur „Prüfung des Dammbauwerkes nach Wiederherstellung und der Dammscharte“ vorgelegt worden. Und dieses wurde zurück zum Betreiber geschickt – inklusive einiger Anmerkungen.
„Seitens des beauftragten Ingenieurbüros werden aktuell die geforderten Nachweise, Berechnungen und Untersuchungen durchgeführt und eine entsprechende Dokumentation erstellt“, heißt es dazu von der e-regio. Es sei beabsichtigt, alle Gutachten und Nachweise bis Anfang April fertigzustellen.
Nach Angaben der Stadt Euskirchen strebt der WES einen Wiedereinstau der Steinbachtalsperre mit Wasser bis Mitte des Jahres an. Dazu werden in den kommenden Wochen Messungen durchgeführt. Zudem sei von der Bezirksregierung jüngst noch ein seismologisches Gutachten für die Steinbachtalsperre nachgefordert worden, das nunmehr ebenfalls vorliege. Die Ergebnisse fließen laut Stadt nun in die statischen Berechnungen zur Standsicherheit ein. Der WES hofft, mit einer Anstauung bis etwa zur Scharte Mitte des Jahres beginnen zu können, so die Stadtverwaltung.
Als mögliches Volumen für einen Dauerstau in der Steinbachtalsperre sind im Konzept des Betreibers e-regio 755.000 Kubikmeter vorgesehen. Dann könnten Kosten für Uferbefestigungen entstehen. Insgesamt sollen – wie vor dem 14. Juli 2021 – wieder 1,06 Millionen Kubikmeter gestaut werden können.
Wie die verschiedenen Sicherheits- und Schließmechanismen gesteuert werden, ob beispielsweise per Fernsteuerung oder ob ein Talsperrenwächter permanent vor Ort sein wird, werde in einem Betriebskonzept zu erörtern sein, sagt e-regio-Geschäftsführer Markus Böhm. (tom)