Rhein-Erft/Euskirchen – Selbst als die Flut am 14. Juli gegen 20.22 Uhr den Erft-Pegel im flussaufwärts liegenden Arloff zerstört, wird in Erftstadt kein Katastrophenalarm für die Bevölkerung ausgelöst. Auch nicht 20 Minuten zuvor, als der noch funktionierende Wasserstandsmesser ein hundertjähriges Hochwasser gemeldet hat.
Es gibt zahlreiche Ungereimtheiten im Zusammenhang mit der Juli-Flut, die alleine in NRW 47 Menschenleben gekostet und hunderte Häuser und Existenzen zerstört hat. Eine davon ist: Die besonders von der Katastrophe betroffenen Kreise Euskirchen und Rhein-Erft wurden bereits am 12. Juli, also zwei Tage vor dem Unwetter, vom Deutschen Wetterdienst (DWD) in speziellen Berichten eindringlich vor dem drohenden Starkregen und möglichen Überschwemmungen gewarnt.
„Erhöhte Unwettergefahr“ für die Region
Die Warnhistorie des DWD für die gesamte Region beginnt sogar schon am 10. Juli. Da jedoch wird lediglich ein „markantes Niederschlagsereignis“ angekündigt. Am Tag darauf, gegen elf Uhr, wird die Vorhersage präzisiert. „Am Mittwoch in einem Streifen von Saarland-Eifel bis nach NRW erhöhte Unwettergefahr durch ergiebigen Dauerregen mit teils deutlich über 100 Liter pro Quadratmeter in 24 Stunden“, heißt es.
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Zum Vergleich: In einem durchschnittlichen Juli fallen im Kreis Euskirchen und Rhein-Erft etwa 71 Liter Regen, in einem Jahr in Euskirchen 790 Liter und in Rhein-Erft 700 Liter.
Die Hinweise in Euskirchen
Betrafen die Berichte bisher nur die Region, liefert der DWD ab Montag dem 12. Juli zusätzlich zu seinen sonstigen Diensten noch spezielle Warnungen für die Landkreise. Morgens um sechs Uhr heißt es für Euskirchen unter anderem: „Bis Donnerstagfrüh können aufsummiert örtlich begrenzt Regenmengen von bis zu 200 Liter pro Quadratmeter fallen. Das Auftreten und die örtliche Eingrenzung sind noch sehr unsicher. Die Regenmengen können auf kleinem Raum große Unterschiede aufweisen, daher ist eine genauere Eingrenzung noch nicht möglich.“ Um 17.55 Uhr wird ergänzt, landstrichweise seien „akkumuliert Regenmengen zwischen 100 und 150 Liter pro Quadratmeter möglich. ACHTUNG! Infolge des Dauerregens sind unter anderem Hochwasser an Bächen und kleineren Flüssen sowie Überflutungen von Straßen möglich.“
Und am 13. Juli um 9.40 Uhr wird die bis Donnerstagfrüh prognostizierte Regenmenge wieder deutlich angehoben. „Punktuell können auch Mengen über 200 l/qm nicht ausgeschlossen werden“, heißt es. Die Hochwasserwarnung wird aufrechterhalten. Neben der Überflutung von Straßen könnten „zum Beispiel Erdrutsche auftreten“.
200 Regenliter auch in Rhein-Erft
Für den Rhein-Erft-Kreis wird ab dem 12. Juli ähnlich gewarnt. Um sechs Uhr morgens heiß es: „In den nächsten 48 bis 60 Stunden ziehen mit Unterbrechungen wiederholt Starkregengebiete mit eingelagerten Gewittern auf. Dabei regnet es teils extrem kräftig. Bis Donnerstagfrüh können aufsummiert örtlich begrenzt Regenmengen von bis zu 200 Liter pro Quadratmeter auftreten. Das Auftreten und die örtliche Eingrenzung sind noch sehr unsicher.“
Nachdem die Warnung vor Überschwemmungen und Erdrutschen tags darauf um 10.31 Uhr speziell für Rhein-Erft zunächst auf Regenmengen von bis zu 120 Liter pro Quadratmeter reduziert wird, ist in anschließenden DWD-Meldungen für die gesamte Region wieder von mehr als 200 Litern die Rede.
DWD-Informationen an Feuerwehren weitergeleitet
Wurde in Euskirchen und Rhein-Erft angemessen auf die Hinweise reagiert? Hätte die Bevölkerung eventuell früher und eindringlicher gewarnt werden müssen? Aufgrund der DWD-Hinweise seien bereits am 12. Juli „eigene Warnungen über das System Mowas herausgegeben“ worden, hieß es aus Euskirchen. Aus dem vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe herausgegebenem „Modularen Warnsystem“ (Mowas) werde beispielsweise die Warnapp Nina bedient.
Auch in Rhein-Erft seien die DWD-Meldungen von der Kreisleitstelle weitergeleitet worden, sagte Marco Johnen, Sprecher des Rhein-Erft-Kreises. In erster Linie an die örtlichen Feuerwehren, die danach für das weitere Vorgehen verantwortlich gewesen seien. Im Nachhinein, mit all„den Schäden“, könne man „jetzt natürlich nicht sagen, dass das gut gelaufen ist“, so Johnen: „Das wird aufgearbeitet werden, um zu sehen, wo Veränderungen sinnvoll sind.“
Beim Deutschen Wetterdienst wurden die Ereignisse in den Flutgebieten in den vergangenen Tagen vornehm zurückhaltend, aber dennoch deutlich kommentiert. „Das bestehende Beratungsangebot des DWD mit direktem Austausch wurde nach uns vorliegenden Informationen augenscheinlich zu wenig genutzt“, hieß es dort.