Düsseldorf – Über 55.000 Mal hatten die Jugendämter in Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr einen Fall zu prüfen, bei dem ein Verdacht auf Kindeswohlgefährdung im Raum stand. Wie das Statistische Landesamt (IT.NRW) am Dienstag berichtete, sind das 1,9 Prozent mehr als im Jahr zuvor (2020: 54.347 Fälle). Im Fünf-Jahres-Vergleich beträgt die Steigerung sogar rund 40 Prozent (2017: 39.478 Fälle). Die SPD-Opposition nannte den Befund alarmierend.
In den vergangenen Jahren hat die Sensibilisierung für Kindeswohlgefährdungen zugenommen. Auch dadurch könnten Fallzahlen steigen. Das Statistische Landesamt erforscht keine Ursachen, sondern erfasst lediglich Fallzahlen.
Demnach wurde im vergangenen Jahr in rund einem Viertel der Verfahren eine akute beziehungsweise latente Kindeswohlgefährdung festgestellt. „Bei Letzterer konnte die Frage, ob gegenwärtig eine Gefahr besteht, nicht eindeutig beantwortet, eine Kindeswohlgefährdung jedoch nicht ausgeschlossen werden”, erläuterte IT.NRW.
In gut einem Drittel aller Fälle sei zwar keine Kindeswohlgefährdung, jedoch ein Hilfebedarf festgestellt worden. „Den größten Anteil machten mit 40,6 Prozent die Verdachtsfälle aus, bei denen weder eine Kindeswohlgefährdung noch ein Hilfebedarf bestanden.”
Der Vizevorsitzende der SPD-Landtagsfraktion, Jochen Ott, warf die Frage auf, ob auch Auswirkungen der Pandemie, die zahlreiche Familien zusätzlich unter Stress gesetzt habe, sich in diesen Zahlen widerspiegelten. Das Wichtigste sei nun, die Betroffenen gut zu betreuen. Dazu werde dringend mehr Personal in den Allgemeinen Sozialen Diensten gebraucht. Dazu könnten auch speziell auf das Berufsbild zugeschnittene Studiengänge hilfreich sein, schlug Ott vor.
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